Kapitel 6

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(Ich bin noch nicht dazu gekommen, Yukis Kimono zu zeichnen, so lange könnt ihr euch den hier einfach in weiß und mit Eisblumen vorstellen. Ich weiß diese Lösung ist nicht perfekt, aber sie ist wenigstens etwas.)

PoV. Yukihime Hanasaki

„Nein...", jammerte ich langgezogen, während ich mich an die weiche Wolldecke krallte, und dem nervtötendem Gekrächze von Kurai zuhörte, „Ich will noch nicht..."

Ich kannte die Uhrzeit nicht, aber ich wusste, dass ich müde war. Und dementsprechend war es automatisch viel zu früh für einen Auftrag.

„Wenn du jetzt nicht aufstehst und dich darum kümmerst, wirst du leider nicht rechtzeitig für dein Date mit Giyu Tomioka wieder zurück sein.", erwiderte Kurai mit einer gleichermaßen gleichgültigen und selbstgefälligen Stimme. Augenblicklich saß ich kerzengerade in meinem Futon.

„Verdammt, du hast Recht! Ich muss mich beeilen!", rief ich und sprang auf, bevor ich inne hielt, „Moment mal! Das ist doch überhaupt kein Date, was redest du denn da nur für einen Schwachsinn, Kurai?" ich deutete anklagend mit dem Zeigefinger auf sie.

„Nenn' es wie du willst, in jedem Fall willst du nicht zu spät sein, oder etwa doch? Es hat sich einfach nur ein Dämon in einer alten Villa verschanzt, kein Problem für dich. Wir gehen hin, du tötest ihn und im Nu sind wir wieder zurück und du kannst mit deinem Giyu machen, was immer du willst.", nun klang sie einfach nur genervt, aber das konnte ich auch.

„Er ist nicht mein Giyu, kapiert?"

„Das sagst du immer."

„Was sage ich immer?"

Sie lachte auf: „Na 'kapiert' sagst du immer!", sie hielt inne, „Naja, zumindest immer, wenn du ein wenig unter Druck gerätst oder wenn du versuchst zu lügen. Darin bist du wirklich mies - im Lügen, meine ich."

Bockig blies ich die Backen auf, während ich den Obi meines Kimonos zuschnürte. Er war weiß mit hellvioletten Details, passend zu meinen Augen. Der Meister hatte mir erlaubt, diesen Kimono zu tragen, vorausgesetzt irgendwo auf ihm stand „Dämonenjäger" oder so was in der Art. Jener Schriftzug war auf dem Rücken zu finden und wurde leider von meinem Haori, der ebenfalls weiß mit hellvioletten Details war, verdeckt. Die Details erinnerten an Schneeflocken und Eisblumen. Beide Kleidungsstücke hatten davor meiner Mutter gehört. Sie hatte einige von ihnen besessen und ich trug sie, um nicht zu vergessen, dass diese Frau - meine Mutter - tatsächlich existiert hatte. Anders als sie trug ich allerdings Shorts darunter. Der Gedanke, dass mir jemand unter den Rock linsen könnte, machte mich wahnsinnig. Außerdem trug ich schwarze, feine Sandalen und Kniehohe, schwarze Strümpfe mit weißen und violetten Details sowie fingerlose Handschuhe mit kleinen platten aus Nichirin Stahl am Handrücken. Außerdem steckte ich die obere Hälfte meiner Haare mit Hilfe einer silbernen Spange nach oben und ließ den Rest frei hängen. Auf diese Weise blieb mir mein Haar zuverlässig aus dem Gesicht, von den Stirnfransen mal abgesehen. So gesehen war meine Kleidung ziemlich stark aufeinander abgestimmt. Einzig die Maske fiel aus dem Bild; die Hellblauen Details auf der weißen Fuchsmaske passten nicht so wirklich zum Rest. An den meisten Tagen ignorierte ich diesen Fakt, aber nicht heute. Lange hielt ich die filigrane Maske in den Händen, bevor ich sie endlich aufsetzte.

„Meistens will ich vergessen, wieso ich diese Maske eigentlich habe. Aber ich weiß, dass ich das nicht darf. Sie ist wichtig, du bist wichtig. Es tut mir Leid, dass ich mich jedes Mal dazu zwingen muss das anzuerkennen, Katsumi."

„Na komm schon, Yukihime! Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!", unterbrach Kurai meine Gedanken. Ich stieß einen melancholischen Seufzer aus, bevor ich die Halteschnüre meiner Maske ein letztes Mal überprüfte und meiner ungeduldigen Verbindungskrähe folgte.



Sie hatte Recht behalten. Mit einem sauberen Schnitt trennte ich dem Dämon seinen Kopf ab. Mit einer verzweifelten Stimme sprach er viele Worte, die schwer zuzuordnen waren. Ich nahm meine Maske ab und hielt sie mir an die Brust. „Ich weiß nicht, wie es ist ein Dämon zu sein. Vielleicht hast du Dinge getan, die du nicht wolltest und auch wenn deine Taten unentschuldbar sind, hoffe ich, dass deine Seele zumindest im Tod Frieden finden kann." Ich wusste nicht, wer mir das beigebracht hatte, aber aus irgendeinem Grund war es mir ein Anliegen, ein paar letzte Worte an die Dämonen zu richten, die während ihres Zerfalls voller Reue zu sein schienen. An manchen Tagen fragte ich mich, ob ich wohl dazu in der Lage wäre, lange genug meinen Verstand zu behalten, um mir selbst den Kopf abzutrennen, falls ich in einen Dämon verwandelt werden würde. Doch die Antwort darauf konnte man nicht wissen.

Ich seufzte tief, während ich meine Maske wieder aufsetzte. Die meisten Säulen waren wütend auf Dämonen. Das konnte ich verstehen, auch wenn ich diese Wut selbst eher selten fühlte. Wenn ich an Dämonen dachte, überkam mich lediglich eine tiefe Trauer. Ich hatte alles an sie verloren und der Gedanke daran höhlte mich so sehr aus, dass da nichts mehr da war, das in zügelloser Wut niederbrennen könnte. Ich wollte keine Rache, ich wollte viel lieber beschützen, damit nicht noch mehr Leid geboren werden würde. Ein getöteter Dämon verlieh mir nur ein kurzes Glücksgefühl. Das Gefühl, eine Gefahr abgewendet zu haben und noch zu leben, sowie das Gefühl einen Gefahrenherd gelöscht zu haben. Leben retten war etwas ganz anderes.

Manchmal sah ich sie auf der Straße - die Menschen, die ich schon einmal vor dem Tod bewahrt hatte. Ich sprach sie nicht an und sie erkannten mich vermutlich nicht. Aber das interessierte mich auch nicht, denn mit Leuten zu sprechen, die einem nichts außer „Danke." zu sagen hatten, war irgendwie peinlich. Aber es gefiel mir sie lachen zu sehen. Der Gedanke daran ließ mich fühlen, als wäre meine Existenz doch nicht ganz so unsinnig und wertlos. Ein erfüllendes Gefühl.

„Wie viele tausend Jahre willst du diese Wand eigentlich noch anstarren?", ich fuhr hoch, Kurai wurde scheinbar wieder ungeduldig, „Der Ort hier ist unheimlich. Ich will keine Sekunde länger bleiben, als unbedingt nötig.", fügte sie schaudernd hinzu.

Ich lachte leise auf „Ich verstehe dein Problem nicht so ganz. Du musst doch gar nicht hier bleiben, wenn du nicht willst. Es ist nicht so, als könntest du das Haus nicht ohne mich verlassen.", erinnerte ich sie mit einer hochgezogenen Augenbraue.

„Ich soll also herausgehen und dich hier einfach alleine lassen? Kommt nicht in die Tüte, verstanden? Wenn dir etwas passiert, weil ich dich allein gelassen habe, dann sterbe ich vor Schuldgefühlen!"

ich legte eine Hand auf meine Brust „Heißt das etwa, dass es dir doch nicht ganz egal ist, ob ich sterbe oder nicht?", fragte ich gerührt.

„Was soll diese Frage? Natürlich ist mir das nicht egal! Wir sind schließlich Freunde!", ich grinste, während sie sich wegdrehte.

„Du hast das F-Wort gesagt!", platzte ich heraus, „Nach all den Jahren hast du endlich das F-Wort gesagt!", begeistert klatschte ich in die Hände

„Können wir jetzt einfach gehen? Ich will einfach nur zurück nach Hause...", entgegnete sie entnervt. „Sonst verpasst du noch dein Date mit Giyu.", setzte sie hastig hinzu

„Und du streitest es noch nicht einmal ab!", ich lächelte wie ein Schneekönig, während ich ihr aus dem Gebäude heraus folgte. Die Anmerkung zu Giyu ignorierte ich gekonnt, während ich weitersprach, „Es wäre mir aber eigentlich lieber, wenn du verschwinden würdest, wenn wir in irgendeine brenzlige Lage kämen, weißt du? Immerhin muss irgendwer den anderen Säulen ja Bescheid geben, wenn ich-."

„Halt den Mund, Yukihime!", unterbrach sie mich, „Du bist die Eissäule, also verhalte dich gefälligst auch so! Du und sterben? Unmöglich! Den Dämon soll mir einer zeigen, der es schafft eine Kakerlake wie dich zu zertreten."

„Wow, du hast mir gerade gesagt, dass ich stark bin und mich gleichzeitig auf's Übelste beleidigt.", erwiderte ich perplex, „Ich gebe zu, ich bin beeindruckt. Das ist sogar für dich eine starke Leistung."

Melting Snow - Giyu Tomioka x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt