Wenn Albträume wahr werden

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~ Jemand nutzte die Gunst der Stunde, während Mister Silva und Miss Dowling, die alten Kisten durchsahen...~

"Uns wird schon eine Möglichkeit einfallen Rosalind zu den tatsächlichen Ereignissen damals vor 16 Jahren zu befragen, ohne sie direkt freizulassen", sagt Farah zu den beiden Männern und öffnet die Tür zu ihrem Büro. "Oh mein Gott", sie stürzt hinein und beugt sich über Dane, einen jungen Spezialisten, der mit bläulichen Lippen vor dem Eingang zu Rosalinds Gruft am Boden liegt. "Jemand verwendet seine Mitmenschen um die magische Falle auszulösen ohne selbst von dieser getroffen zu werden. Ich bringe ihn ins Glashaus und kümmere mich um ihn. Ihr zwei versucht aufzuhalten wer auch immer da drinnen ist!", entscheidet Ben und hebt den Jungen hoch. Farah greift bereits nach einer Taschenlampe und betritt, dicht gefolgt von Saul, den Geheimgang. Kein Geräusch ist zu hören, keine Spur von dem Eindringling. Wer auch immer es war, hatte die Zeit, die sie mit dem Wühlen in Erinnerungen verbracht haben, gut genutzt. Konnte es sein, dass sie jemand dabei beobachtet hatte? Raschen Schrittes dringen sie immer tiefer im Tunnel vor. Hatte wirklich jemand vor Rosalind zu befreien? Wenn ja warum nun, nach all den Jahren? Diese und ähnliche Gedanken gehen den beiden durch den Kopf, als sie abrupt vor Rosalinds Gefängnis zum Stehen kommen. Besser gesagt, ehemaligen Gefängnis, den weit und breit ist nichts zu sehen: Weder von Rosalind noch vom Gefängnis. Als hätten sich die Gitterstäbe, die Magie, in Luft aufgelöst. Wohin waren Helfer und Gefangene verschwunden?

Runa nützt das schöne Wetter an diesem Nachmittag für eine Meditation im Steinkreis. Die Konzentration auf ihren Atem hilft ihr, ihre neugefundene Magie immer besser zu spüren. Sie spürt wie ihr warm ums Herz wird, wie die Hitze in ihr aufsteigt und Wärme und Licht von ihrem Körper ausstrahlen. Sie spürt die Magie in ihrer Umgebung, ihre Gefühle, hört das Rauschen des Windes und das zwitschern der Vögel. Sie spürt die Gegenwart einer Frau, die langsam näher kommt. Eine Kälte geht von ihr aus und sie spürt wie sich ihre Wärme, ihr Licht sich der Gestalt entgegenstreckt und versucht sich um die Frau zu legen. Runa öffnet die Augen und springt vor Schreck hoch. Ein Angstschrei dringt aus ihrer Kehle. Einige Schritte rückwärts stolpernd, schaut sie sich verzweifelt nach Hilfe um. War sie eingeschlafen? Hatte sie wieder einen Albtraum? Warum zur Hölle nochmal wacht sie dann nicht endlich auf? Bitte, bitte lass es nicht wahr sein! Zitternd beschwört sie ein Feuer. Doch die Angst lähmt sie, positive Gefühle scheinen in weiter Ferne zu sein und das kleine Flämmchen das ausflodert kostet ihrem Gegenüber nur ein müdes Lächeln. "Du glaubst dein kleines Feuer der Liebe macht mir Angst? Weißt du überhaupt mit wem du es..." "Rosalind!", Farah, Saul, Ben und einige andere kommen angelaufen. Farahs Augen funkeln, sie ist bereit zu kämpfen, genauso wie ihre Begleiter. "Farah, mein Liebes, und Saul ist auch da, fast wie in alten Zeiten. Schade, dass Andreas uns nicht mehr beehren kann. Immerhin die Familie ist vereint, Vater, Mutter, Tochter, süß!", Rosalind lacht: "Alfea scheint sich ohne mich ja nicht unbedingt zum Besseren gewandelt zu haben, gemessen an der Leistung eurer kleinen Schülerin hier... Aber auch kein Wunder, habe ich selbst doch damals gleich erkannt, dass sie niemals zu etwas taugen wird! Von einer Fee mit Makel, hat die Welt nicht ohne Grund noch nie gehört - Feen sind perfekte Wesen! Es überrascht mich allerdings, nicht nur, dass ihr euch erinnern konntet, sondern dass ihr euch die Mühe gemacht habt eure Tochter zu suchen und sie auch gefunden habt. Was man nicht alles der Familie zuliebe auf sich nimmt. Du hast es sogar geschafft deiner Tochter dieses jämmerliche Flämmchen beizubringen. Aber das Feuer der Liebe bewirkt eben nicht dasselbe wie echte Magie...Wir sehen uns bestimmt wieder, aber jetzt habe ich erstmal dringenderes zu tun!", mit einem weiteren grässlichen Lachen verschwindet Rosalind.

"Ist das wahr, was sie gesagt hat?", Runas Stimme zittert. Ihre Angst hatte sich während Rosalinds Rede zu Verwirrung und Wut gewandelt. Erschrocken sehen Saul und Farah das Mädchen an. "Warum habt ihr mir nichts gesagt? Stattdessen hast du", sie zeigt wütend auf Farah:"dich unter vagen Ausflüchten in mein Leben geschlichen und behauptet nichts über meine wirklichen Eltern zu wissen! Hast getan als wüsstest du nicht über mich Bescheid! Wolltest du erst sicher gehen ob Rosalind nicht vielleicht doch Recht hat?! Ob du dich vielleicht geirrt hast und deine Tochter in Wahrheit doch keine Magie wirken kann?! Hättest du mich dann zurückgeschickt ohne mir die Wahrheit zu sagen? Wäre wohl ein harter Schlag für eine mächtige Fee wie dich gewesen und dabei tust du immer ach so gütig und nett!", zornig dreht sie sich um und rennt davon. Sie will nicht, dass irgendjemand ihre Tränen sieht. Eigentlich möchte sie gerade nur heim zu ihren Eltern. Ihren echten Eltern aus der ersten Welt! Die Rufe ihrer Freundinnen und der Erwachsenen ignorierend überquert sie die Barriere.

Der Spaziergang im Wald wirkt beruhigend. Sie genießt den Duft nach Erde, Blumen, Bäumen, nach Natur. Die Vögel zwitschern nach wie vor fröhlich ihr Lied und werden dabei vom Wind der durch die Blätter rauscht begleitet. Hin und wieder sieht Runa in der Ferne ein Tier vorbeihuschen. Einen Igel, ein Eichhörnchen oder eine Maus. Der Wind streicht ihr tröstend durchs Haar. Schon immer hat sie die Zeit in der Natur genossen. Allein und doch nicht allein, sondern umgeben von der ganzen Schöpfung. Sie spürt wie sich jetzt wo die Wut verraucht ist, die Liebe wieder in den Vordergrund drängt. Spürt die bereits bekannte Wärme, aber auch die Traurigkeit in ihrem Herzen und gibt sich ihm ganz hin. An einem Baumstamm gelehnt, die Sonne im Rücken lässt sie den Tränen freien Lauf.
Sie weiß nicht wieviel Zeit vergeht ehe sie Schritte näher kommen hört. Mit den Händen wischt sie sich die Tränen aus dem Gesicht. "Können wir reden?", die Stimme der Direktorin klingt unsicher, leise:"Bitte, Runa?" Runa nickt stumm. Zögernd setzt sich Farah neben Runa nieder. "Rosalind hat unsere Erinnerungen beeinflusst. Wir wissen es auch erst seit eben mit Sicherheit, dass du unsere Tochter bist. Zugegeben, wir haben es bereits vermutet. Doch erst seit kurzem. Damals als ich dich gefunden habe, hatte ich keine Ahnung. Ich wusste nicht mal das Saul und ich mal ein Liebespaar waren, geschweige denn, dass wir ein Kind zusammen hatten. Nach der Attacke durch den Verbrannten wurde Saul dann plötzlich von Träumen aus der Vergangenheit heimgesucht, die sich von unsere Erinnerungen unterschieden. Diese und deine Erzählungen zu deinen Albträumen von Rosalind haben in mir etwas ausgelöst, Zweifel geweckt und ebenfalls Träume, fremde Erinnerungen hervorgerufen. Saul und ich sind deshalb heute Rosalinds alte Sachen durchgegangen. Zum ersten Mal, seit wir sie gefangen genommen haben. Es hat sich zwar unser Verdacht, dass zumindest Teile unserer Träume wahr sind bestätigt: Wir waren tatsächlich ein Paar vor den Geschehnissen in Aster Dell und haben ein Kind erwartet - aus irgendeinem Grund dachte Rosalind ein Kind zwischen Saul und mir müsste besonders mächtig sein und wenn sie es selbst erzieht könnte sie es nach ihren Vorstellungen formen - aber wir fanden keinen Beweis ob wirklich du dieses Kind bist. Wir wollten versuchen Rosalind in ihrem Gefängnis zu befragen, aber jemand war uns zuvor gekommen und hatte sie befreit." " Warte, von Aster Dell und Rosalind hast du mir damals erzählt, als ich die Frau aus meinen Albträumen erkannt habe, stimmt das? Und Rosalind hat zuvor eure Erinnerung manipuliert um mich allein großzuziehen, aber als sie sah, dass ich eine körperliche Fehlbildung hatte dachte sie ihr Projekt sei gescheitert und ich hätte keinen Funken Magie in mir, da sie bisher noch keiner Fee mit Behinderung begegnet ist. Deswegen hat sie mich dann in die erste Welt gebracht, richtig?", Runa greift nach Farahs Hand.
"Vermutlich, aber damit lag sie falsch. Deine Ausstrahlung ist mächtig, ich konnte sie eben bereits lange Zeit bevor ich dich gesehen habe spüren; anders hätte ich dich vermutlich auch hier außerhalb der Barriere gar nicht so schnell gefunden. Aber selbst wenn nicht, wärst du immer noch unsere Tochter und wir beide stolz auf dich! Es könnte allerdings gefährlich werden, wenn Rosalind von ihrem Irrtum erfährt...Generell ist es außerhalb der Barriere gefährlich, vor allem jetzt wo die Verbrannten wieder aufgetaucht sind und es war leichtsinnig von dir einfach davon zu laufen!" Jetzt sprach eindeutig wieder die Direktorin in ihr, oder doch eine besorgte Mutter? Irgendwie konnte sich Runa sich nicht vorstellen Miss Dowling und Mister Silva jemals "Mutter"und "Vater zu nennen.

Alfea - Reale Magie (ARM)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt