I don't wanna lose you

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Schon am Parkplatz beim Flughafen wurden sie von ihrem Manager abgefangen, der Jungkook ganz und gar nicht erfreut begrüßte.

„Anfang des Jahres die Rote Ampel, letzte Woche dieser Clubausflug mit deinen Freunden und jetzt ohne jemandem Bescheid zu geben einen Flug zu buchen und zu Taehyung zu fliegen! Was kommt als nächstes Jungkook? Wollt ihr euch nicht gleich outen und somit die ganze Band in den Ruin stürzen?", schnaufte er wütend, als sie ins Auto eingestiegen waren und Taehyung schrumpfte in seinem Sitz zusammen, während Jungkook den Rücken straffte und sich etwas aufrichtete.

Er hielt dem Blick des Managers durch den Rückspiegel stand, wusste allerdings nicht, was er darauf sagen sollte. Also kniff er die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und wandte ebenfalls den Blick ab. Seine Hand hatte er so fest um Taehyungs geschlossen, dass es dem Älteren beinahe weh tat, aber Taehyung wollte sie nicht wegziehen. Er wusste, das Jungkook innerlich gerade einen Kampf mit sich führte. Einerseits wollte der Maknae immer alles perfekt hinkriegen und es jedem recht machen, doch andererseits war er noch jung und wollte sein Leben in vollen Zügen genießen. Aber als Idol hatte man nun mal kein normales Leben und das musste Jungkook immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden.

Taehyung sah Jungkook mitleidig dabei zu, wie er stur aus dem Fenster starrte, während die beleuchtete Stadt an ihnen vorbeizog. Er konnte verstehen, wie sich der Jüngste fühlte, auch wenn er selbst noch nie mit Freunden feiern war. Aber nicht das machen zu dürfen, worauf man Lust hatte, immer als Vorbild fungieren zu müssen und Angst zu haben, dass man bei etwas erkannt wird, was schädlich für den eigenen Ruf ist, kannte er durchaus. Sie alle kannten das. Es war wie ein goldenes Gefängnis, aus dem sie nicht hinauskonnten. Nicht mal als sie vor kurzem für mehrere Wochen frei hatten, konnten sie eine normale Zeit im Urlaub verbringen. Jimin hatte man in Frankreich beim Shoppen beinah überrannt und auch Jungkook hatte mit seinem Tattoo-Skandal für Aufruhr gesorgt.

Taehyung war es immer schon leichter gewesen, privates von der Arbeit zu trennen, aber für Jungkook war es nicht so. Er legte so viel Wert auf die Meinung anderer, dass er sich bis zuletzt nicht mal getraut, hatte sich ein Tattoo stechen zu lassen, obwohl er schon seit drei Jahren eins wollte. Einfach weil die Fans ihn so beeinflussten.

Taehyung war stolz auf ihn, dass er es trotzdem gemacht hatte. Jungkook stand immer öfter für sich ein und jedes Mal aufs Neue überraschte es Taehyung, wie erwachsen er schon geworden war.

Von dem unsicheren kleinen Kookie, den er mit 13 kennengelernt hatte war kaum noch etwas an ihm zu erkennen. Aber Taehyung liebte auch den neuen Jungkook. Sie hatten sich beide verändert und so hatte sich auch ihre Liebe zueinander stetig verändert. Doch sie war mit jedem Jahr, das sie durchgestanden hatten, jedem Stein, der ihnen in den Weg gelegt wurde, und mit jedem Mal, das sie sich getrennt hatten, nur noch größer geworden. Und Taehyung war sich sicher, dass sie auch das jetzt durchstehen würden.

Kurz bevor die Pandemie ausgebrochen war, hatten sie überlegt sich zu outen und ihre Liebe öffentlich zu machen. Doch mit der jetzigen Situation konnten sie das nicht auch noch raushauen. Jetzt hatte Taehyung das Gefühl es würde nie so weit kommen. Aber vielleicht war das auch besser so. Das was Jungkook und er hatten, sollte lieber privat bleiben. Taehyung wollte nicht, dass irgendjemand einen wertenden Kommentar zu ihrer Beziehung abgab. Auch wenn sie nicht böse gemeint wären, es ging die Menschen schlichtweg nichts an, was zwischen ihnen lief.

Nur wusste er nicht, wie er das mit dem Baby vertuschen sollte. Schluckend sah er wieder auf seinen Bauch. Man konnte wirklich noch fast nichts erkennen, allerdings würde sich das schon bald ändern und wenn sie dann wieder auf Tour gehen konnten, dann würde er nicht mitkommen können. Army würde fragen stellen, die er nicht beantworten konnte. Doch er wollte seine Fans auch nicht enttäuschen. Und auch nicht seine Band. Und vor allem nicht Jungkook...

Taehyung biss sich auf die Lippen, als sich Tränen in seinen Augen sammelten. Er konnte nicht verhindern, dass einige in seinen Schoß tropften, und er drehte schnell seinen Kopf noch weiter weg. Doch Jungkook hatte irgendwie bemerkt, dass etwas nicht stimmte und wandte sofort seinen Blick vom Fenster ab, um zu Taehyung zu sehen. Manchmal verfluchte Taehyung die Verbindung, die sie teilten. Er wollte Jungkook nicht beunruhigen.

Der Jüngere hob Taehyungs Kinn an und zwang ihn in sein Gesicht zu sehen. Stumme Tränen liefen über Taehyungs Wangen, als er in Jungkooks besorgte braune Augen sah und er fühlte sich unendlich schuldig.

Er würde nicht nur Jungkooks Leben ruinieren, sondern auch das der Band. Und in gewisser weise auch sein Eigenes. Er würde nicht mehr auf Konzerte mitkommen können. Er würde nicht mehr trainieren können. Er würde schlichtweg nicht mehr arbeiten können.

Er würde aus der Band austreten müssen. Er würde alles zerstören.

Aber er wollte dieses Kind. Er wollte es so sehr. Es war der ultimative Liebesbeweis an Jungkook.

Sie hatten es die letzten Monate nicht leicht gehabt und waren auch wegen der Frage, ob sie sich outen sollten oder nicht, aneinandergeraten.

Sie hatten in letzter Zeit viele Meinungsverschiedenheiten gehabt und hatten auch überlegt, ob sie wieder eine Pause in ihrer Beziehung einlegen sollten, um sich klar zu werden, wo ihr Leben noch hinführen sollte. Vor allem was den Erfolg mit BTS anging. Jungkook war mehr und mehr auf den Erfolg getrimmt. Ein Outing wäre da kontraproduktiv gewesen. Das sah Taehyung mittlerweile auch ein. Er hatte sich einfach wieder mehr Zuwendung von dem Jüngeren gewünscht. So wie früher. Bevor Jungkook bewusst war, was er alles mit seiner Liebe aufs Spiel setzen würde.

Taehyung hasste es von ihm verleugnet zu werden. Daran hatte er sich nie gewöhnen können, auch wenn es zu ihrem Schutz war.

Aber jetzt, wo er schwanger war und das wirklich nur von seinem Seelenverwandten, zeigte ihm, wie sehr Jungkook ihn liebte.

Der Schwarzhaarige strich sanft über die Tränenbahnen auf Taehyungs weicher Haut und schenkte ihm einen intensiven Blick. Sie mussten keine Worte miteinander wechseln, um sich zu verständigen. Taehyung wusste, was der Jüngere ihm sagen wollte, auch ohne Worte. Das hatte er schon immer gekonnt. Jungkook war wie ein offenes Buch für ihn und andersrum hatte Jungkook ihn auch immer verstanden, ohne dass er etwas sagen musste. Ihre Verbindung ging so viel tiefer, als Worte es je könnten.

Und auch jetzt genügte ein einfacher Blick von seiner großen Liebe, um ihn zu beruhigen und alle Last von seinen Schultern zu fegen. Er schmiegte sich näher an seinen Freund und genoss die Umarmung seiner starken Arme.

Taehyung war sich sicher, mit Jungkook an seiner Seite würde er alles durchstehen. Doch diese kleine Stimme in ihm, die Unsicherheit, nagte immer noch an seinem Gewissen. Er hasste sich dafür, dass er diese Zweifel hatte. Die Zweifel, dass Jungkook ihn verlassen würde. Er wusste, dass Jungkook ihn liebte, aber Jungkook war Karriere eben wichtiger als Familie. Er war schon weggelaufen, als er erfahren hatte, dass Taehyung schwanger war. Wenn das Baby erst mal da war, würde es ihn noch viel stärker treffen...

Vielleicht sollte er doch Jimin fragen, wie er das mit der Abtreibung machen wollte und sich ihm einfach anschließen, um Jungkook und sein Leben nicht zu verlieren. Um einfach alles nicht noch komplizierter zu machen, wie es eh schon war. 

Taehyung seufzte und strich sich fahrig über die Wangen, während er sich näher an Jungkook kuschelte und die Augen schloss. Er würde Jimin einfach fragen, wenn sie wieder im Dorm waren. 

It's okay to be gayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt