Wachsende Bedrohungen

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„Folgt Ihr!", befahl Tigran Ramón.

Dieser sah ihn entsetzt an.

„Sire, Euer Vater wün-"

„Es ist mir gleich, was mein Vater wünscht", sprach er zornig, „Ihr folgt ihr und erstattet mir Bericht, wo man sie hingebracht hat."

„Tigran", sein Freund nannte ihn selten beim Vornamen, doch es machte deutlich, wie dringlich er angehört werden wollte, „Ihr müsst sie vergessen. Ihr habt den Konflikt auf dem Fest nicht erlebt-"

„Das war ein Befehl!" Der Kronprinz stand ihm nun genau gegenüber Auge in Auge und es war kein Funken Duldsamkeit mehr in ihnen zu sehen.

Ramón senkte widerwillig den Kopf.

„Wie Ihr befehlt, Sire." Gehorsam wandte er sich um und verschwand.

Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, ließ Tigran seinen Zorn am Mobiliar aus. Er zertrümmerte den Waschtisch, zertrat Tisch und Stühle und riss die Vorhänge von den Wänden. Doch es half alles nicht, um den Schmerz in ihm zu stillen.

Verzweifelt ließ er sich auf das Bett sinken und fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. Er war nur eine kurze Zeit abwesend gewesen. Wie hatte sich so schnell ein Konflikt zwischen seinem Vater und Lairgnen Freveyier aufbauen können und was hatten die Nordmannen getan, dass es ihn so tief in seinen Stolz verletzte.

Tigran fluchte.

Er hatte für einen winzigen Moment seine Pflichten vernachlässigt und den Schaden sogleich erhalten und diese starrhälsigen Nordländer hatten sofort wie Hunde die Schwänze eingekniffen und waren fortgelaufen. Sie hielten dem Feuer des Südens nicht stand. Sie waren nicht wie Lanessa.

Verzweifelt sog er die Luft ein, als seine Gedanken abermals bei der Prinzessin landeten. Wenn er noch etwas ausrichten konnte, dann musste es schnell geschehen. Vielleicht war es noch nicht zu spät, die Wunden zu verschließen. Der Kronprinz erhob sich eilig und ging hinaus, um seinen Vater aufzusuchen.

Er fand ihn in seinen Gemächern und er war noch immer wütend.

„Diese Nordmänner – steif wie Eiszapfen und genauso unterkühlt!" Tobte er, nachdem sein Sohn eingetreten war. „Wir reisen zurück. Es wird Zeit, dass wir gen Osten schauen und neue Vereinbarungen aushandeln, bevor uns die Dürre vollkommen handlungsunfähig macht."

Tigran fragte sich kurz, woher sein Vater den Reichtum herholen wollte, um Verhandlungen mit dem Osten zu festigen, doch es interessierte ihm im Augenblick nicht.

„Ich bleibe", sagte erst schlicht.

Tilon wandte sich zu seinem Sohn um und sah ihn mahnend an.

„Die Abreise muss überwacht werden und ich möchte die Festung verstärken", erklärte sein Sohn. „Sie war immer der Schild gegen den Norden, vielleicht werden sie es bald schon wieder brauchen."

Tilon brummte unzufrieden.

„Der Stolz ist das einzige, was bei Lairgnen gekränkt ist. Er hat kein Interesse am Süden, sonst hätte er schon lange aufgerüstet."

„Das Haus Hohenstein ist gut gerüstet", meinte Tigran ernst. „Seit Jahren bildet der Norden dort seine besten Kämpfer aus und Ruppert ist mit Lairgnen abgereist."

Der König hielt einen Moment inne, um zu überlegen. Sie waren immer davon ausgegangen, dass sich ein Streit zwischen Haus Freveyier und Haus Hohenstein anbahnte. Ein Streit, um die Herrschaft des Nordens. Doch nun hatten sie dem Norden einen gemeinsamen Feind gegeben. Kopfschüttelnd ließ sich Tilon auf einen Stuhl sinken.

„Ein Angriff ist das, was wir nun am wenigsten gebrauchen können", sagte er ernst. „Vielleicht habt Ihr Recht. Lasst uns die Festung verstärken. Wenn wir verhindern, dass sie über die Landzunge einmarschieren, können wir Zeit schinden."

Liebe geht ihren eigenen WegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt