An der Furt

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„Deine Mutter wird bald ankommen", Lairgnen Freveyier deutete auf einen der Sessel am Kamin, nachdem er seine Tochter empfangen hatte.

Lanessa nahm wortlos Platz und wartete, bis ihr Vater sich zu ihr gesellt hatte. Seit ihrem letzten Flehen hatte sie kein Wort mehr mit ihm gewechselt, was zweifellos der Grund für seine Einladung sein musste.

Er sah seine Tochter, die beharrlich in die Flammen blickte, mit traurigen Augen an. Er wusste wie schwer ihr Los war, doch er wusste auch, dass er sie nicht davor bewahren konnte, ohne sein Gesicht zu verlieren. Der Norden vergaß nicht und seine Vasallen hielten ihn ohnehin schon für einen zu milden Vater. Es waren seiner Rechtschaffenheit, der aufrichtigen Regentschaft und nicht zuletzt seiner Blutlinie zu verdanken, dass das Haus Freveyier noch immer Herrschaft über den Norden besaß.

Doch unter den Häusern gärte es, wie ein Hefeteig am Ofen. Die vergangenen Kriege waren bereits zu lange her, als das man sich an ihre Opfer erinnerte. Die Gier und das Streben nach Macht entwuchs dem Wohlstand, in dem sie sich befanden und wurde zu einer drohend gespannten Sehne.

Dabei hatte Lairgnen Freveyier immer nur eines angestrebt: den Frieden unter den Menschen.

„Es tut mir leid, dass ich dir diese Bürde auferlegen muss", sprach er nach einiger Zeit und sah nun auch ins Feuer. „Ich weiß, wie schwer es dir fällt, die Umstände zu akzeptierten, und das ist meine Schuld. Ich habe es immer nur gut mit dir gemeint, Lanessa – mein kleiner Engel ..." Er sah zu ihr hinüber.

„Das weiß ich, Vater", antwortete sie ernst, jedoch ohne ihn anzusehen, „und ich weiß auch, dass es dir viel Spott und Hohn eingebracht hat."

Er lächelte traurig.

„Dies sind die Regeln unserer Welt. Regeln, die uns Jahrtausende geschützt und erhalten haben. In meiner Utopie habe ich geglaubt, ich könnte den Lauf der Geschichte ändern. Die Welt ein bisschen besser und einfacher machen. Das war ein Fehler ..." Er machte eine kurze Pause und sah wieder ins Feuer. „Ich hätte dich diesen Dämonen nicht versprechen dürfen ... Mein kleiner Engel, in dieser Hölle aus Hitze, Sonne und Kargheit."

„Der Kronprinz hat ein aufrichtiges Herz", hielt Lanessa dagegen, „ich habe es sehen können, für ein paar Tage."

Lairgnen sah seine Tochter wieder für einen kurzen Moment an, dann schüttelte er geistesabwesend den Kopf. Lanessa wandte sich ihm hilfesuchend zu und gestand leise: „Mein Herz sehnt sich nach ihm, Vater ... Wenn du wirklich mein Bestes willst, dann lass mich zurückkehren ... Ich lie-"

„Liebe entwickelt sich nicht in so kurzer Zeit", unterbrach er seine Tochter ehern. „Liebe entsteht nur aus Dauerhaftigkeit, aus Zusammenhalt und gemeinsamen Erfahrungen."

Lanessa wandte den Blick wieder dem Feuer zu und schluckte den Kummer und den Schmerz herunter.

„Ruppert wird gut zu dir sein", schloss ihr Vater ab. „Er wird unser Haus festigen und die Herrschaft für Lamont sichern. Und nicht zuletzt, wird er die entscheidende Mauer sein, zwischen dem Süden und uns ..."

❖ ❖ ❖

„Lady Lanessa!"

Ylvie hatte sie bereits in ihrem Gemach erwartet. Ihr aufgeregtes Gebaren, fiel ihr sofort auf.

„Ist etwas geschehen?", fragte Lanessa sogleich.

Die Zofe kaute nervös auf der Unterlippe und antwortete: „Lady Lanessa ... ich weiß, Euer Vater wollte nicht, dass ich Euch dies gebe ... aber Ihr seid so traurig und er versicherte mir, dass Ihr schmerzlich vermisst werdet ..."

„Wer? Mit wem hast du gesprochen?"

Ylvie zog eine kleine Rolle Pergament unter ihrem Unterrock hervor. „Diesen südländischen Mann, der immer beim Kronprinzen war."

Liebe geht ihren eigenen WegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt