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Der nächste Morgen war dem Vorherigen sehr ähnlich. In meinem Kopf spukten noch immer tausende Gedanken, die sich auch nach der beinahe schlaflosen Nacht nicht ordnen ließen. Nachdem die anderen gegangen waren und ich erst einmal ausgiebig geduscht hatte, in der Hoffnung so abschalten zu können, hatte ich beschlossen gleich schlafen zu gehen.

Leichter gesagt, als getan.

Noch stundenlang hatte ich wach im Bett gelegen und nachgedacht. Über den Vertrag. Über Caroline. Über das nächste Treffen. Ich hatte mich mehrmals ermahnt, mir nicht so den Kopf zu zerbrechen, jedoch erfolglos. Für andere Menschen schien meine Reaktion auf die erste Begegnung mit meiner Fakefreundin wohl total übertrieben. Das hatte mir auch das Verhalten meiner Freunde gezeigt. Vielleicht war es ja übertrieben. Aber für mich nicht.

Ich hasste es, wenn ich nicht wusste, woran ich war. Ich hasste diese Ungewissheit. Ich hasste es, wenn ich einfach keinen blassen Schimmer hatte, was hier überhaupt vor sich ging. Ich hasste es, planlos zu sein.

Und genau das hat Sophia an dir gehasst.

Genau das hatte zu den unzähligen Auseinandersetzungen zwischen uns und schließlich auch zur Trennung geführt. Wir hatten uns fast jeden Tag gegenseitig zur Weißglut getrieben, bis einer von uns die gemeinsame Wohnung verlassen hatte und fast immer erst am nächsten Morgen wiederkam. Meistens war es Sophia gewesen, die dann bei Freunden übernachtet hatte, während ich allein in der großen, leeren Wohnung gesessen und mir Vorwürfe gemacht hatte. Ich liebte sie. Sehr. Ich hatte schon oft über unsere gemeinsame Zukunft nachgedacht. Mir schon oft ausgemalt, wo wir in 10 Jahren wären. Ich hatte nie gesehen, dass wir scheinbar doch zu verschieden waren. Dass wir einfach nicht zusammengehörten.

Ich seufzte lautlos, spuckte schnell die Zahnpasta in das Waschbecken und spülte mir den Mund aus, ehe ich durch den schwach beleuchteten Spiegel in meine müden Augen blickte. Sie schienen mich zu mustern, ehe sich meine Augenbrauen nach oben zogen und sich mein trauriger Gesichtsausdruck in einen fragenden verwandelte. Es war, als würde ich mich selbst fragen, was aus mir geworden war. Wieso es denn so weit kommen musste, dass ich nicht nur meine Fans, sondern die ganze Welt, sogar meine Familie anlog. Ich wollte es ihnen nicht erzählen. Ich wollte nicht, dass sie enttäuscht wären oder sich sogar nach der Trennung von Sophia Sorgen um mich machten... Sie hatten Soph geliebt.

Reiß dich zusammen.

Schnell wendete ich mich von meinem Spiegelbild ab und fuhr mir durch die Haare, bevor ich mit schnellen Schritten das Badezimmer verließ und mich auf den Weg in die Küche machte. Ich wollte nicht mehr so viel denken. Nicht an Sophia. Nicht an Caroline und erst recht nicht an mich selbst.

Ich konnte an dem, was passiert ist nichts ändern. Das musste ich akzeptieren.

Gerade als ich die Power-Taste meiner Kaffeemaschine drücken wollte, ertönte das vertraute Geräusch meiner Klingel und stoppte mich so in meiner Bewegung. Caroline. War es denn schon so spät? Mein Blick glitt schnell zu meiner Küchenuhr. Halb 11.

Noch bevor ich den nächsten Gedanken fassen konnte, klingelte es zum zweiten Mal. War sie etwa so ungeduldig? Meine Mundwinkel zogen sich zu einem schwachen Lächeln nach oben, als ich in den Flur, Richtung Haustür schritt.

Mit überraschend positiven Gedanken und einer reichlichen Menge an Optimismus, öffnete ich, wie auch gestern die Tür und lächelte die Roothaarige an. „Hey, wie geht’s?“

Doch sie erwiderte meine Begrüßung nur mit einem knappen „Hallo“ und drängte sich wieder an mir vorbei ins Apartment, auf direktem Weg in die Küche, wodurch mir nichts anderes übrig blieb, als meine Tür zu schließen und ihr zu folgen.

ToxicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt