nine

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Die Sonne brannte mir im Nacken als ich von meinem Sicherheitspersonal begleitet den langen, frisch gestrichenen Steg das Hafens in Eastbourne entlangging und mich schon im wahrsten Sinne des Wortes auf meinen Untergang vorbereitete, welcher sich nach nur wenigen Schritten unmittelbar vor mir befand. Die glänzende weiße Yacht wippte in einem schon fast beruhigendem Takt im Wasser vor mir hin und her und schien nur noch auf mich zu warten.

Ich riskierte einen Blick auf das Deck des Bootes und entdeckte sofort den roten Haarschopf, den ich am liebsten die übrigen Monate unseres Vertrages nicht mehr gesehen hätte. Aber ich war ja so blöd gewesen und hatte meine Unterschrift auf dieses dämliche Blatt Papier gesetzt und war somit gezwungen zu ihr auf die Yacht zu steigen, welche ironischerweise den Titel „Destiny" trug.

Wäre ich jetzt nicht Opfer von dutzenden Schweißausbrüchen und Panikattacken bei dem Gedanken daran, dass ich gleich wieder meinem persönlichen Albtraum gegenüberstehen würde, würde ich vielleicht sogar darüber lachen können. Aber auch nur vielleicht.

Das Gespräch mit Majolie ging mir seit Tagen nicht mehr aus dem Kopf. Es waren Tage, an denen ich nichts weiter gemacht hatte, als in der Villa herumzusitzen und mir jedes gesprochene Wort immer und immer wieder ins Gedächtnis zu rufen.

Ich wollte wissen, wieso ich überhaupt mit ihr darüber geredet hatte. Wieso ich ihr gesagt hatte, dass Caro mich auf eine seltsame Art und Weise anzog. Dass ich sie wollte. Irgendwie.

Ich wusste selbst nicht, wieso und ob es so war. Ich wusste im Endeffekt am wenigsten von allen darüber Bescheid. Jeder von meinen Freunden schien zu wissen, was ich fühlte. Jeder erzählte mir alles über meine derzeitige Gefühlslage und mir blieb nichts anderes übrig, als nur zu nicken und mir ihre Worte ins Gedächtnis einzuprägen, während mein Kopf mit jedem Gespräch noch leerer wurde.

Dabei handelte es sich aber um eine komplett andere Leere, als die, die ich bei Sophias Verlassen gespürt hatte. Bei ihr hatte die Trauer und Enttäuschung meinen Körper vollkommen für sich eingenommen. Doch mittlerweile waren es die Anspannung und Angst, die mich zu beherrschen versuchten und es tatsächlich auch schafften.

Ich fühlte mich einfach schwach. Meinen Gefühlen ausgeliefert, wie ein Kaninchen einem Fuchs. Wer dabei die Rolle des Feindes übernahm brauchte ich nicht zu erklären. Schließlich war das Markenzeichen beider die feuerrote Haarpracht.

Ich schüttelte schnell den Kopf um meine Gedanken zu vertreiben und mich so wieder auf das Wesentliche konzentrieren zu können. Ich musste einfach den heutigen Tag ohne irgendwelche Zwischenfälle mit meiner arrangierten Freundin überstehen und mich dabei in möglichst glücklich wirkenden Situationen fotografieren lassen. Klang doch eigentlich machbar.

Machbar für alle... Bis auf dich.

„Da bist du ja, Liam!", rief Caroline unheimlich freundlich über die Köpfe der Crew hinweg und grinste mich dann an, als hätte gerade der wichtigste Mensch der Welt die Yacht betreten. Es war, als würde ihre Stimme alle meine Gedanken mit einem Mal in winzig kleine Stückchen zerreißen und deswegen nach jedem ausgesprochenem Wort ein riesiges Durcheinander verursachen.

Reiß dich zusammen, Liam. Du wolltest schließlich in diesem Theater die Hauptrolle spielen.

Ich seufzte innerlich und bildete mir ein mit der ausgestoßenen Luft auch meine verwirrten Gedanken losgeworden zu sein, um so meine schauspielerische Freiheit besser ausleben zu können. Redete ich mir jedenfalls ein, als ich auf die vertraute, aber doch auf irgendeine Art und Weise unbekannte Frau zuging und ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange drückte. Zusammen mit einer hinterher geworfenen Begrüßung für sie und auch den Rest der Crew.

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