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„Ich verschwinde dann mal! Bis Später Harry! Majolie, ruf mich an!" Und schon fiel die Tür mit einem lauten Krachen zu und unterbrach damit die geschrienen Verabschiedungen der anderen. Wahrscheinlich hätte ich jetzt gejubelt, weil sich meine „Freundin" so gut mit meinen Freunden verstand, doch die Tatsache, dass sie sich noch vor einer Stunde mit Harry über mich lustig gemacht und sich jetzt nicht einmal von mir verabschiedet hatte, erstickte meine Jubelschreie sofort.

Der Schmerz saß noch immer tief, da sie in den vergangenen Minuten keine Möglichkeit ausgelassen hatte, um mir zu zeigen, was ich für sie war: Dreck. Unsichtbarer, überflüssiger Dreck. Wahrscheinlich hätte mich ihre Art nicht so sehr gestört, wenn sie zu dem Rest genauso gewesen wäre, aber davon konnte ich wohl nur träumen. Harry lachte über ihre Sprüche, las ihr jedes Wort von den Lippen ab, vergötterte sie regelrecht. Caro gefiel es. Jeder Blinde hätte erkannt, wie sie seine Blicke genoss und ihn mit ihrer harschen Art um den kleinen Finger wickelte. Er schien wie Wachs in ihren Händen zu sein.

Genauso wie ich es in dem vergangenen Abend war. Flüssiges Wachs in ihren Klauen. Sie hatte mich mit ihrer spontanen Aktion komplett aus dem Konzept gebracht. Hatte es geschafft mich für sich einzunehmen, mich zu bewegen wie sie es wollte. Ich kann nicht leugnen, dass ich die Küsse ab einem bestimmten Zeitpunkt auch gewollt habe, aber bis dahin kam alles nur von Caroline aus.

Und genau das gab mir so zu denken. Sie hätte es nicht tun müssen. Wir waren auf einer Party unter hunderten Menschen. Sie hatten bestimmt nicht auf eine wilde Knutscherei im Flur gewartet. Ein Kuss hier und da wäre eher im Erwartungsbild gewesen. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass Caroline das nicht wusste. Sie war, was dieses Thema anging, um einiges erfahrener als ich. Sie müsste es doch wissen.

Caroline war der Profi. Nicht ich!

Also wollte sie den Kuss. Nicht nur wegen den anderen. Sondern wegen mir. Wegen uns. Eine andere sinnvolle Erklärung gab es schließlich nicht.

Aber wieso stand sie dann nicht dazu und redete normal mit mir darüber? Wir wussten doch beide, dass es theoretisch nicht erlaubt war. Dass wir gehen die Regeln verstoßen hatten.

Also, irgendwie. Aber es waren ja Menschen um uns herum. Also doch nicht.

„Du kannst jetzt aufhören zu starren. Sie ist weg." Majolies belustigte Stimme drängte sich mit einem Mal zwischen meine wahllos ineinander verknoteten Gedanken und ließ mich wieder schlagartig in das Hier und Jetzt zurückfallen. Verhinderte so, dass ich mich nicht noch mehr verwirrte, indem ich mir Fragen stellte, deren Antworten ich wohl nie kennen würde.

„Was? Ich habe nicht gestarrt.", antwortete ich der Frau, die am anderen Ende des verlassenen Flurs stand und mich mit vor der Brust verschränkten Armen musterte. Ein Grinsen zierte ihr Gesicht.

„Natürlich nicht, wie konnte ich nur so etwas behaupten. Als ob du Caro hinterher gaffen würdest." Ihre Stimme triefte nur so vor Ironie und zusätzlich dazu verdrehte sie noch die Augen, wahrscheinlich um der Aussage noch mehr Spott zu verleihen.

Was sollte das? Ein resigniertes Seufzen stahl sich über meine Lippen und ich setzte mich langsam in Bewegung, ging mit möglichst lässigen, aber auch großen Schritten an ihr vorbei in das Wohnzimmer, wo die anderen bis gerade eben noch alle zusammen gesessen und sich mit Caroline unterhalten hatten. Jetzt war der große, lichtdurchflutete Raum leer. Schließlich gab es nichts mehr zu sehen. Liams coole „Freundin" war ja weg.

Ohne sich von Liam zu verabschieden. Hahaha.

„Ich glaube, jeder hier hat mitbekommen, wie du Caroline anstarrst, Liam. Wieso leugnest du es überhaupt noch?", fing Majolie wieder an zu reden und setzt sich lässig auf die Sofalehne, um von dort aus zu mir zu sehen, während ich etwas verloren im Raum stand und selbst mit mir rang. Ich wollte mich nicht zu ihr setzen. Dann müsste ich mit ihr reden und ehrlich gesagt, war sie die letzte Person mit der ich über meine Gefühle in dieser Situation sprechen wollte. Schon allein, wenn ich daran dachte, wie nah sie Caroline gestern gekommen war.

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