"Sind... wir uns schon einmal begegnet?"
Die Frage, die sich Joseph schon seit längerer Zeit gestellt hatte, hing wie eine schwere Wolke im Raum. Carl schluckte. Wie sollte er diesen Beweis leugnen?
"Wir sind uns nicht unbekannt.", antwortete er schließlich.
"Woher kennen wir uns?"
Carl seufzte, schien aber endlich bereit für Auskunft zu sein.
"Bei den Spielen, die wir schon einmal erwähnt haben. Du bist einer unserer Gegenspieler. Dort sind wir uns ziemlich oft begegnet."
"Wie oft?"
"Oft."
"Dann kennen wir uns gut?"
Carl hielt inne und schien nachzudenken wie viel er verraten sollte. "Während des Spiel's wird nicht viel gesprochen. Du bist nur darauf angesetzt uns..."
Joseph nahm all seinen Mut zusammen um der Wahrheit ins Gesicht zu blicken.
"Um euch zu töten?", fragte er zögerlich. Auch wenn er hoffte das er falsch lag, dieser Gedanke hatte sich zu oft in seinen Kopf geschlichen. Lieber ging er vom schlimmsten aus und erfreute sich dann dem Gegenteil, als anders herum. Doch diese Freude wurde ihm nicht gewährt.
Carl nickte.
Joseph's Beine wurden weich.
"Es ist kein richtiger Tod. Mehr wie ein... Scheintod. So etwas wie eine Simulation." Carl versuchte ihn zu beruhigen. "Wir sterben nicht wirklich. Sonst würden die Spiele irgendwann aufhören."
"Das ganze passiert also immer und immer wieder? Wie lange seid ihr schon hier?!" Joseph war entsetzt. Nichts von dem kam ihm bekannt vor. Er würde sich doch erinnern wenn er jemanden getötet hätte!
Die ganzen Vorsichtsmaßnahmen, die Furcht, die Feindseligkeit - alles machte einen Sinn. Aber wie konnte er das alles vergessen haben?!
Carl beendete seine Denkpause. "Manche länger als andere. Aber wir alle kamen freiwillig. Haben unsere eigenen Gründe. Genau wie du." Er sah Joseph an. Der Augenkontakt fiel ihm sichtlich schwer doch der Fotograf wusste, das Carl es ihm zu liebe tat. Es fühlte sich menschlicher an, beim sprechen angesehen zu werden. Doch diesmal war es Joseph der dem Blick nicht stand halten konnte.
Carl fuhr fort. "Jetzt sind wir hier. Und wir können diesen Ort nicht mehr verlassen."
Joseph stolperte zu dem Bett in seinem Raum und ließ sich wackelig darauf nieder. "Wie?" Er hatte Angst vor der Antwort. "Wie töte ich euch?"
Carl runzelte die Stirn. Er wollte am liebsten nicht weiter reden und Joseph die Details ersparen.
"Genau genommen gar nicht. Zumindest nicht direkt. Wir werden lediglich so stark verletzt, bis wir uns entweder nicht mehr wehren können oder die Raketenstühle uns aus dem Spiel nehmen."
Raketenstühle. Es klang etwas absurd. Allerdings war alles hier absurd. Joseph wollte gar nicht weiter fragen. Doch das war auch gar nicht nötig.
"Das sind die Stühle, mit den Uhren an der Lehne, die du bei der roten Kirche gesehen hast.", erklärte Carl.
In Joseph's Kopf drehte sich alles. Hatte er Stühle gesehen? Er wusste es nicht mehr. Vielleicht hatte er sie in der ganzen Aufregung ausgeblendet.
"Wir werden darauf festgebunden und müssen warten bis uns ein Teamkollege befreit bevor die Zeit der Uhr abgelaufen ist. Ansonsten nimmt uns der Stuhl aus dem Spiel... und wir werden zurück in die Villa gebracht. Die Uhr ist eine Art Lebensanzeige. Ist die Zeit um, gleicht das einem Tod."
Carl machte eine Pause um Joseph Zeit zu geben das Gesagte zu verarbeiten. Dieser starrte auf seine Hände. Sein Kopf pochte.
"Also führen alle Wege immer wieder in dieses Haus? Egal ob ihr... sterbt oder den Ausgang erreicht. Es gibt keine andere Option?"
Carl schüttelte den Kopf.
"Wir haben diesen Bereich in dem wir uns frei bewegen können. Der Rest des Hauses ist verriegelt. Wir haben bereits versucht die Schlösser und Türen zu entfernen aber es ist zwecklos."
Joseph wollte das nicht glauben. Er würde die Villa auf eigene Faust untersuchen müssen um diese Aussage zu akzeptieren. Jedes System hatte einen Fehler. Er sammelte sich und atmete tief ein.
"Du hast andere Gegenspieler erwähnt. Wer sind sie?"
Die Frage schien Carl zu überfordern. Er schüttelte langsam den Kopf, hielt dann inne und schüttelte schließlich weiter.
"Wir nennen sie auch Jäger aber ich kann dir nicht viel sagen... Nur wie sie aussehen und wie sie kämpfen." Er hielt inne und schaute Joseph an, als wäre ihm eine Idee gekommen. "Ich erzähle dir so viel ich weiß. Sollte etwas schief gehen und du wirst zurück geschickt, findest du dich besser zurecht."
Daran wollte Joseph gar nicht erst denken. Er war nicht mehr der alte. Der, den alle kannten. Wer auch immer das gewesen sein mochte. Doch er stimmte Carl zu. Sollte so etwas wie beim Ausgang der roten Kirche noch einmal passieren, war er geliefert. Deshalb war es besser sich vorzubereiten.
Er nickte und Carl stand auf.
"Morgen. Für heute ist es zu spät.", sagte er, wartete jedoch diesmal bis Joseph ihn gehen ließ. Der Fotograf machte keine Anstalten ihn erneut aufzuhalten, was Carl als stille Zustimmung anerkannte.
"Danke." Joseph sah Carl nach, der sich leise aus dem Staub machte - nicht fluchtartig dieses mal - sondern ruhig und langsam. Bevor die graue Figur die Tür schloss, blieben ihre Blicke kurz aneinander hängen. Dann schob sich das dunkle Holz zwischen sie.
Joseph war bewusst das Carl ihm nicht alles über ihre Beziehung erzählen wollte. Wäre er nur ein Jäger gewesen und beide hätten wie gewohnt ihre Spiele gespielt, woher wusste Joseph dann von Carl's Vergangenheit? Doch Carl hatte ihm gerade den kleinen Finger gereicht. Joseph würde sich nicht gleich die ganze Hand schnappen.
Noch nicht.
Wie zu erwarten träumte Joseph auch in dieser Nacht. Er sah das selbe, helle Fenster aus seinem letzten Traum. Doch diesmal war er derjenige, der unvermittelt davor stand. Genau dort, wo letzte Nacht der geheimnisvolle Mann verharrt hatte.
Bei dem Versuch nach draußen zu blicken, wurde er so sehr geblendet das es ihm beinahe die Netzhaut verbrannte.
"Joseph! Schau hier her!" Die sanfte Stimme eines jungen Mannes drang an seine Ohren wie ein vertrautes Lied. Joseph fuhr herum und erblickte eine Kamera. Seine Kamera. Dahinter stand er selbst - nein ein Abbild seiner selbst.
"Komisch... warum blitzt es nicht?", fragte der Mann und umkreiste die Kamera.
"Stop Claude, warte-..." Joseph eilte dem Mann zu Hilfe. Wie selbstverständlich ließ dieser Joseph seinem Handwerk nachgehen. "Jetzt sollte es gehen." Er wich zurück und ließ "Claude" wieder hinter die Camera treten. Dieser schnappte sich den Fernauslöser und stellte sich dann neben Joseph.
"Bitte lächeln Bruderherz!", sagte Claude fröhlich und drückte auf den Auslöser. Daraufhin schoss ein heller Blitz aus der Kamera und verschluckte das Geschwisterpaar.
Fortsetzung folgt...
[[ Hallo liebe*r Leser*innen,
so langsam kommt Joseph der Wahrheit auf die Spur.
Ich habe mich sooo sehr über die Kommentare gefreut. Wir nähern uns den Parts, die ich schon die ganze Zeit schreiben will.
Jemand hat tatsächlich an 2 vs 8 gedacht und ich musste grinsen. XD
Ihr dürft euch auf jeden Fall auf mehr freuen. Wir sind noch lange nicht am Ende!
Ich habe das Cover wegen Copyright vorerst geändert und es durch ein offizielles Artwork von IDV ersetzt bis ich vielleicht selbst mal eins erstelle.
Bitte lasst einen Stern und einen Kommentar da und habt ein schönes Wochenende! ]]
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Soulmates
FanficVom eigenen Schwert aufgespießt. Erinnerungen weg. Joseph Desaulnier hätte es kaum schlimmer treffen können. Obendrein findet er sich plötzlich im Haus seiner Gegenspieler wieder, anstatt bei den Jägern, wo er hingehört. Die fremden Gesichter um ihn...