2 - Meet you again

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Diesmal dauerte es Monate.

Joseph bestritt ein Match nach dem anderen, sah ihn jedoch nicht. Eines Nachts begann er sogar an sich zu zweifeln, ob, das was er gesehen hatte, real war. Doch als er zu dem Schluss kam, das ihm so etwas noch nicht mal im Traum einfallen würde, beruhigte er sich schnell wieder.

Ein neuer Tag brachte eine neue Gelegenheit. Es motivierte Joseph morgens aufzustehen. Die Vorfreude und die Hoffnung ließen ihn zu Hochtouren auflaufen. Fast jedes Match war ein herausragender Gewinn. Jedes Mal hatte er Angst ihn zu verpassen. Jedes Mal, wenn die anderen von ihm sprachen fühlte er den Neid der in ihm hoch kochte.

Heute war der Tag! Er spürte es in seinen Knochen.

Joseph band seine reinen, weißen Haare mit der Schleife zusammen und schaute ein letztes Mal in den Spiegel. Irgendwann musste er Glück haben.

Die Tore öffneten sich und gaben den Blick frei auf die brüchige Railing eines Schiffes, über die man das dunkle Meer und den Strand erkennen konnte. Ein kühler Wind wehte ihm entgegen und der Geruch von Salzwasser kroch in seine Nase. Joseph trat auf eine knarzende Holzdiele und das Tor schloss sich hinter ihm als wäre es nie da gewesen.

Er kannte dieses Areal und er hasste es. Der Fotograf rümpfte die Nase, haderte aber nicht lange und begab sich auf die Seite des Backboards.

Von hier aus hatte er einen großzügigen Überblick über die eingegrenzte Karte. Er sah still stehende Schreibmaschinen, umgekippte Rettungsboote, halb zerfallene Fischershütten und Raben, die es sich auf morschen Zäunen bequem machten.

Auf den ersten Blick konnte er niemanden erkennen. Zu lange durfte er hier allerdings nicht verweilen. Wenn er andere von hier oben sehen konnte, konnten die Überlebenden auch ihn sehen.

Joseph runzelte die Stirn und kniff die Augen zusammen. Ein Paar Raben erhoben sich in die Lüfte. Sein Kopf zuckte in die Richtung eines der Häuser.

Nichts.

Doch das musste nichts heißen. Irgendjemand oder etwas hatte die Vögel aufgeschreckt und das war der einzige Anhaltspunkt den er für's Erste hatte.

Ohne zu zögern griff er nach der Railing und schwang sich mühelos auf die andere Seite. Es ging einige Meter abwärts doch sein Körper hielt dem Aufprall stand als er auf beiden Füßen landete. Um Balance zu bewahren rammte er zusätzlich sein Schwert in den Boden. Die Klinge sank tief in den weichen Sand. So leicht wie sie eindrang, ließ sie sich auch wieder heraus ziehen.

Joseph machte sich schnellen Schrittes auf den Weg zu der kleinen Hütte. Er musste sich beeilen um noch einen Hauch einer Spur zu finden.

Mit einer Hand am Griff des Schwertes betrat er das Gebäude. Es war leer. Nicht mal eine Schreibmaschine stand darin.

Mit einem gereizen Seufzer lies er von seinem Schwert ab und wandte sich zum gehen, als plötzlich eine der Paletten, die in der Tür lehnte, mit einem Krachen nach unten fiel und ihm den Weg versperrte.

Joseph blieb überrascht stehen. Da hatte sich wohl jemand erfolgreich versteckt. Aber warum seine Aufmerksamkeit erregen anstatt sich einfach davon zu schleichen? War dies ein weiterer Überlebender, der mit ihm spielen wollte und sich überschätzte?

Mit der Absicht die Palette zu zerstören um dem Überlebenden keinen Fluchtweg zu bieten, zog der Fotograf sein Schwert und trat näher an das robuste Stück Holz heran.

Doch als er die Waffe zum ausholen schon in die Luft gehoben hatte, bemerkte er einen Schatten, der sich blitzschnell neben ihm durch eines der Fenster zog.

Dann passierte, womit Joseph nie gerechnet hätte.

Der Überlebende griff ihn an. Anstatt zu flüchten, rammte die kleinere Gestalt ihn von der Seite. Die Wucht des Aufpralls traf ihn unvorbereitet. Er stolperte an der Palette vorbei. Das Schwert verfehlte sein Ziel, durchbohrte stattdessen die hölzerne Wand des Häuschens und blieb dort stecken.

Joseph versuchte sich daran zu stützen um das Gleichgewicht wieder zu erlangen, versagte aber kläglich bei dem Versuch den Angreifer abzuschütteln. Dieser drängte ihn immer weiter nach hinten, bis sich seine Finger vom Griff des Schwertes lösten und sein Rücken Bekanntschaft mit der Wand machte. Es war eine sehr unangenehme Bekanntschaft, die Joseph für einen Moment den Atem raubte.

Hier war definitiv etwas wie es nicht sein sollte. Noch nie zuvor war ein Jäger von einem Überlebenden angegriffen und dabei auch noch überwältigt worden. Es war nicht leicht Joseph zu überwältigen. Es war lediglich der Moment der Überraschung, der den Fotograf komplett aus dem Konzept gebracht hatte.

Aber was konnte ihm schon passieren? Was könnte ein Überlebender im schlimmsten Fall tun? Sie besaßen keine richtigen Waffen. In Sachen Schnelligkeit und Kraft waren die Jäger ebenfalls weit überlegen.

Nachdem er seine Gedanken sortiert und sich etwas beruhigt hatte, lenkte er seinen Blick nach unten um ein Auge auf seinen Peiniger zu werfen. Die graue Gestalt hatte ihn zwischen Wand und sich selbst gefangen.

Joseph's Herz blieb Augenblicklich stehen.

Es war er.

Er, den er die ganze Zeit hatte finden wollen.

Er, wegen dem er schlaflose Nächte durchlebte und keinen Hunger verspürte.

Er, dessen Foto er sich nie zu schießen erlaubte.

Sein Gesicht musste zu geschockt ausgesehen haben, denn der kleine Einbalsamierer schaute auf einmal auch ein wenig verwirrt drein. Seine Knopfaugen blinzelten.

"Du...", stieß er noch im selben Atemzug aus. "Warum lässt du mich entkommen?", fragte er und starrte Joseph direkt an. Sein Blick war schon fast vorwurfsvoll.

Joseph wusste nicht wie ihm geschah. Warum fühlte er sich plötzlich wie derjenige, der hier versuchte zu überleben? Hatte der andere ihn vorsätzlich hier her gelockt?

Etwas begann in Joseph zu brodeln. Seine Finger zuckten unmerklich als ein leichtes Pochen ihm in den Kopf stieg. Das Pochen wurde schnell stärker bis es sich anfühlte als würde ein Presslufthammer in seinem Kopf umher springen.

"Wie kannst du es wagen...!", quetschte er zwischen zusammen gebissenen Zähnen heraus und schob den Fremden mit einer energischen Bewegung seines Armes auf Abstand. Dieser konnte mit der Kraft die Joseph aufbrachte nicht mithalten und wurde zu Boden geworfen.

So hatte das alles nicht laufen sollen. Joseph hatte mit ihm sprechen wollen. Es war sein Ziel gewesen, mehr zu erfahren, nicht ihn umzubringen.

Doch der Fotograf unterlag den Kopfschmerzen, die seinen Schädel zu spalten versuchten und ihn zu dem Zweck trieben, zu welchem er hier war.

Wie konnte er es wagen? Dieses schwache, wertlose Individuum, das Wort an ihn, einen Jäger zu richten? Ihm seines Schwertes zu entledigen?

Joseph griff nach seinem Schwert und zog es mit einer schwungvollen Drehung aus der Wand. Die Geschwindigkeit seines Atems hatte ein ungesundes Ausmaß angenommen und sein Körper bewegte sich wie von selbst als er sich blitzschnell auf den Mann am Boden zubewegte.

"Lauf!", rief er wütend und schwung seine Waffe wie im Wahn in Richtung des Überlebenden, sodass die Klinge ihr Ziel nur knapp verfehlte. "Beweg dich! Na los!"

Wie sehr er es auch wollte, die Wut und der Schmerz ließen sich nicht bezwingen. Und es würde erst aufhören bis er dieses Spiel beendete. Er hätte es wissen müssen. Er war ein Jäger. Es lag ihm im Blut zu tun wofür er hier war. Er war wie programmiert darauf sein Ziel zu erreichen. Genauso wie die Überlebenden danach strebten das Spiel für sich zu gewinnen.

Doch er junge Mann am Boden bewegte sich nicht. Er lief nicht weg. Er verharrte genau dort, wo er vorher gefallen war und schaute wortlos zu ihm auf.

Es war als hätte er keine Angst. Als gehe er davon aus, Joseph würde ihm nichts tun. Als hätte er eine Art unerklärliches Vertrauen in ihn.

Fortsetzung folgt...

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