XII

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"Okay, und was machen wir jetzt?" fragte ich, als wir wieder im Taxi saßen und nach Hause fuhren.
"Wir warten auf die Ergebnisse, die Gregs Leute im Labor machen. Das dauert ungefähr bis morgen, und bis dahin überlegen wir, was es für ein Motiv gab, den guten Mann zu ermorden." erklärte John, der mir gegenüber saß.
"Wir haben das Motiv schon." widersprach Sherlock, der neben John saß und auf sein Handy starrte.
"Ach so?"
"Ja."
"Und... welches Motiv gab es?"
Jetzt blickte er auf. "Das ist doch offensichtlich. Die Zeichnung, die du gefunden hast, Lili, zeigt zwei Strichmännchen, die sich küssen. Über ihnen eine Pride-Flag und ein Herz. Das Bild ist zerrissen, was darauf schließen lässt, dass der Mörder etwas gegen queere Leute hat. Zu dem trug der Tote ein Kleid, wie ihr vielleicht gesehen habt, was wiederum darauf schließen lässt, dass unser Opfer selber queer war. Verstanden?"
"Soweit schon, aber warum ist das ein Motiv?" fragte John verwirrt.
"Naja, vielleicht...", hob ich an. "Wir hatten ja überlegt, dass der Mörder und das Opfer sich kannten. Vielleicht hat das Opfer sich geoutet und daraufhin hat der Mörder ihn erschossen. Und um es wie einen Suizid aussehen zu lassen, hat er ihn vom Balkon geschmissen, was dann auch das Blut an der Regenrinne erklären würde."
"Guter Gedanke, aber ich denke, der Mord war keine Affekthandlung, sondern geplant.", widersprach Sherlock. "Ich denke, der Mörder hat ein Kind im Kindergartenalter und dieses hat ihm diese Zeichnung gegeben, weswegen der Mörder sauer geworden ist. Vermutlich, hatte er bereits gewusst, dass das Opfer queer war und es versucht zu akzeptieren, ihm allerdings die Schuld dafür gegeben, dass das Kind darüber nachgedacht hat."
"Und dafür, dass das Opfer dem Kind solche "Flausen" in den Kopf gesetzt hat, musste es sterben! Sherlock, das ist genial!" rief ich aufgeregt und Sherlock lächelte vorsichtig.
"Na, ihr zwei scheint euch ja prächtig zu verstehen...", murmelte John. "Und ich bleibe einfach zu blöd um solche Zusammenhänge zu sehen, alles klar."
"Nein, John!", rief ich. "Du bist doch nicht blöd! Du bist Arzt, du kannst gar nicht blöd sein!"
John seufzte. "Danke, Lili. Das ist sehr nett. Aber ich habe mich inzwischen damit abgefunden. Wenn man mit dem da unter einem Dach lebt, dann fühlt man sich zwangsläufig irgendwann, als wäre man einfach zu blöd für diesen Planeten.", er lächelte ebenfalls etwas. "Allerdings ist auch Sherlock nicht perfekt, richtig. Seine Schwäche liegt wohl weniger im Hirn, als im Zwischenmenschlichen, habe ich Recht, Sherlock?"
"Du weißt genau, dass ich dafür nichts kann."
"Selbstverständlich nicht. Aber weißt du was, wir machen Fortschritte. Schau, Lili kennst du seit gestern und sie hasst dich noch nicht, du hasst sie noch nicht und ihr wolltet euch auch noch nicht gegenseitig umbringen. Wie es scheint, versteht ihr euch sogar recht gut - das ist ein neuer Rekord."
Verwirrt blickte ich Sherlock an. "Warum sollten wir uns hassen? Oder umbringen wollen?"
"Er ist ein high-functioning Sociopath, er hat so seine Probleme mit Menschen. Aber das ist völlig in Ordnung." erklärte John und verlegen sah Sherlock weg.
"Ein Soziopath?" fragte ich, um sicher zu gehen, dass ich mich nicht verhört hatte.
"Ja... aber bitte, verurteile mich dafür nicht. Seit John... gebe ich mir wirklich mühe, mit anderen Menschen besser auszukommen." sagte Sherlock kleinlaut und mir wurde warm ums Herz.
"Ich verurteile dich natürlich nicht! Mein Vater war auch Soziopath!" rief ich, ehe ich mir darüber klar wurde, dass mein Vater ja gar nicht mehr mein Vater war. Den beiden fiel es zwar auf, allerdings überspielten sie es ganz gekonnt und gingen gar nicht darauf ein.
"Wirklich?", fragte Sherlock hoffnungsvoll und ich nickte. "D-Dann ist es okay für dich?"
"Natürlich ist das okay für mich. Warum sollte es das nicht sein?"
"Siehst du, Sherlock? Ich habe doch gesagt, sie wird dich akzeptieren, wie du bist." triumphierend sah John Sherlock an und ich lächelte.
"Also Jungs, wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, ihr seid ein Pärchen. Ihr passt so gut zusammen, das ist unglaublich!" grinste ich und wartete gespannt ihre Reaktionen ab. John seufzte.
"Jetzt geht das wieder los. Zum letzten, verdammten Mal: Ich bin nicht gay."
Sherlock allerdings ließ den Kopf sinken und auch wenn er es versuchte zu vertuschen, aber ich konnte das Lächeln sehen, welches seine Lippen umspielte.
"Ah ja... klar." grinste ich und zwinkerte.
"Würdest du es aber akzeptieren, wenn wir ein Pärchen wären?" fragte Sherlock plötzlich und sah mich prüfend an.
"Machst du Witze, Sherlock? Natürlich! Es macht doch gar keinen Unterschied ob jemand gay, bi, trans, hetero oder sonst was ist. Es ist doch völlig egal und so normal wie nur was! Und Mal abgesehen davon bin ich doch selber Pan. Natürlich akzeptiere ich, was auch immer ihr seid.",
John hob an um zu protestieren, doch ich schnitt ihm das Wort ab.
"Du bist nicht gay, schon klar. Ja, ja. Warte nur ab. Was nicht ist, kann noch werden."  

New Identity - Der Regenbogen fällt mit (Sherlock FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt