Talks.

V

"Wann & warum hast du das letzte mal geweint?"

Ich drehte meinen Kopf so, dass ich ihn ansah. Seine Haare waren wie immer zerzaust, seine im Mondlicht schimmernden Augen waren auf des Meer aus Sternen über uns gerichtet.

"Ich weiß es nicht, vielleicht so vor einem Monat."

"Warum?"

"Der Grund ist total lächerlich."

"Egal, ich lach dich schon nicht aus."

"Sicher?"

"Sicher."

"Kennst du das Lied 24 Floors von The Maine?"

Er schüttelte den Kopf.

"Schade, es ist echt gut. Also, es ist nicht so, dass ich total emotional bin oder so, ich meine ich habe Titanic & Das Schicksal ist ein mieser Verräter ohne Tränen überstanden, aber irgendwie war ich an diesem Tag schon die ganze Zeit richtig traurig & hatte auch keinen Ahnung warum & dann spielte mein Handy auf einmal 24 Floors & der Text ist so scheiße traurig & ich liebe dieses Lied einfach nur & ich weiß auch nicht. Das ist einfach nur richtig lächerlich, weil das ist nichteinmal ein richtiger Grund zum Heulen, soviele Leute auf der Erde haben viel mehr & härtere Grunde zu weinen, als ich, & tun es trotzdem nicht. Ich hätte nicht weinen dürfen."

Er sah mich aus den Augenwinkeln an.

"Jeder hatt das Recht darauf zu weinen & traurig zu sein, egal über was, genauso wie jeder das Recht darauf hat glücklich zu sein. Du musst dir nicht das Weinen verbieten, oder so. Tränen erinnern dich darran, dass du lebst."

Stille.

"Wann hast du das letzte mal geweint?"

"Heute."

"Warum?"

Seine Kiefermuskeln spannten sich kurz an.

"Können wir bitte über etwas anderes reden?"

Ich nickte, auch wenn ich gerne mehr wissen hätte wollen.

Stille.

Er redete so leise, dass ich es fast nicht verstanden hätte.

"Schon komisch: Das Universum ist so riesieg, dagegen ist unser Sonnensystem nur wie ein einziger Tropfen im Pazifik & die Erde so winzig wie ein Sandkorn in der Wüste, & wir, wir Menschen, sind fast gar nichts, nahezu unbedeutend, trotzdem ist jeder von uns für irgendjemanden bedeutend."

Er sagte es eher zu sich selbst als zu mir.