Entdeckungen

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Das Meer zeigte sich rauer als bei unserer ersten Ausfahrt, und in Kürze waren wir durchnässt. Es war nicht kalt, und wir lachten gemeinsam über die Gischt, die uns entgegenflog.

Meine Stimmung war deutlich gestiegen. Álkarans wohltuende Gegenwart ließ mich meine Gefühle für seinen Bruder zeitweise völlig vergessen.

Wir segelten nach Nordosten. Die Küstenlinie wurde schroffer. Mit geübter Hand umsteuerte Álkaran die nahen Felsen, an denen sich die Brandung auf ungestüme Weise brach, fast als splitterte dort das Wasser.

Ein wilder Lebenswille packte mich, nicht aus Furcht, aber aus einem spontanen Hochgefühl heraus. Ein Prickeln von meinem Oberbauch bis hinauf zur Kehle stieg in mir auf, und ich fühlte mich sehr wach und klar.

„Ich liebe das!", rief ich begeistert von meiner Bleibe am Mast und streckte die Arme hoch in die Luft.

Álkaran vernahm meinen Ruf über das Tosen des Wassers hinweg. Er hielt das Ruder fest in der Hand und grinste mich an. Dabei schaute mir geradewegs ins Gesicht.

„Das hoffe ich!", gab er fröhlich zurück. 

„Das hoffe ich!", gab er fröhlich zurück.

In einer kleinen Bucht legten wir an. Álkaran zog das Boot aufs Land und sicherte es.

Während wir uns die trockenen Sachen überzogen, standen wir, jeder kurzzeitig entblößt, Rücken an Rücken.

Verstohlen schielte ich hinter mich und erhaschte einen Blick auf Álkarans ausgeprägte Muskeln, bevor er das Gewand darüber zog. Die Situation war für mich unwirklich und aufregend.

Wir waren allein, Frau und Mann.

Wir fühlten uns einander zugeneigt und wurden heute in den nächsten Stunden nirgendwo erwartet.

Das völlige Chaos meiner Gefühle verwirrte mich.

Wie war das möglich?

Zum einen war ich todunglücklich, dass Médancon niemals näher zu mir stehen würde als mit seiner bloßen Freundschaft. Zum anderen musste ich mir eingestehen, dass ich Álkaran sehr gern in meinem Umfeld wusste. Gerade jetzt merkte ich, wie seine Nähe mich erregte.

Konnte ich zwei Menschen gleichzeitig dermaßen lieben und begehren?

Álkarans Frage riss mich aus meinen Gedanken: „Bist du bereit? Darf ich mich wieder umdrehen?"

Jetzt merkte ich erst, dass ich wie eingefroren stand und das Gewand noch gar nicht fertig angelegt hatte. Dafür beeilte ich mich nun und murmelte etwas von „Knoten" als Entschuldigung, hoffend, dass er es glaubte.

Derweil hängte er unsere nassen Kleider zum Trocknen auf niedrige Äste und band ein paar Vorräte in ein Tuch ein. Er schlang sich das Bündel über die Schulter.

Wir zurrten die Sandalen nochmals fest, dann brachen wir auf.

Álkaran hatte mir lediglich verraten, dass es ein überaus bemerkenswertes Relikt der Vorfahren gab, welches, der herrschenden Meinung zufolge, viele tausend Sonnenwenden erlebt hatte und noch aus der Zeit vor der großen Flut stammte. Dieses wollte er mir heute zeigen.

Auf einem kleinen Trampelpfad, der versteckt zwischen den gedrängt stehenden Schachtelhalmgewächsen begann und mir eher wie ein Wildwechsel als ein regelmäßig von Menschen benutzter Weg erschien, marschierten wir landeinwärts.

Der Dschungel umgab uns schnell mit seiner grünen Dichte. Es duftete nach feuchter Erde, Moos und Blattwerk. Im Gebüsch raschelten kleine Tiere.

Ich sah zum ersten Mal Exemplare der heimischen Vögel, die ohne Scheu quer über den Pfad liefen. Sie hatten lange Schnäbel, und ihr braunes Gefieder sah fast wie zottiges Fell aus. Bei ihrem Anblick dachte ich an meinen jüngsten Albtraum. Da sie völlig anders geartet waren, fühlte ich mich irgendwie erleichtert.

Kántarellas LichtgestaltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt