Endzeit

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Einige Tage vergingen. Die Festnahme der beiden Bösewichte war und blieb Stadtgespräch in Éngin-Doloh, zumal die Erde in letzter Zeit ruhig gewesen war und die allgemeine Panik vor den Erdbeben abebbte.

Man hatte sich emsig darangemacht, die Fischverarbeitung mit vereinten Kräften wieder aufzubauen. Alle nicht dringend erforderlichen Arbeiten standen still.

Statt Griffel zu schnitzen, flocht ich jetzt biegsame Körbe für den Betrieb in den neu entstehenden Gebäuden. Álkaran und Médancon halfen beim Holzschlagen und -transport.

Um die hohen Stämme zu transportieren, wurde ein Konstrukt aus mehreren fahrbaren Unterlagen benutzt, dem viele Zugtiere vorgespannt waren. Das Be- und Entladen wurde mit Hilfe eines robusten Gestells, dessen Herzstück ein langer Hebel war, bewerkstelligt.

Während sich alles im Bau befand, wurden keine Fische gefangen. Die Menschen bedienten sich aus den Vorräten und wichen auf andere Speisen aus.

Álkaran, Médancon und ich besuchten Aën-Sangaa jetzt wieder regelmäßig, um die neueste Kunde zum weiteren Umgang mit den Verbrechern zu erhalten.

Grésto verkündete das Urteil anlässlich Aën-Sangaa des kommenden Neumonds. Zuvor erinnerte sie noch daran, dass bis zum nächsten Neumond die zur großen Sonnenwende geforderte Auswahl durch die Meister getroffen werden musste.

Dann kam sie zu dem Punkt, auf den alle gespannt warteten: Die Männer sollten ohne Nahrung, nur mit Trinkwasser versorgt, in einer Höhle eingeschlossen werden, aus der es kein Entrinnen gab. Das bedeutete einen langsamen Hungertod.

Per se war dies eine sehr schlimme Strafe, insbesondere für die friedliebende Gesellschaft in Cóno-Aleea. Jedoch sobald ich an Mániëronté dachte, die nichts anderes getan hatte, als viele Menschen liebevoll zu heilen oder mit ihrem süßen Gesang zu erquicken, flutete solch ein Grimm in mir auf, dass ich die Kerle am liebsten selbst eingemauert hätte.

Ich blickte zu Médancon, der dem Urteil mit steinerner Miene gelauscht hatte, und glaubte, in seinen Augen eine kalte Genugtuung zu erkennen.

Auf dem Heimweg, den wir drei ein Stück gemeinsam gingen, waren wir, wie abends oft, schweigsam. Jeder hing seinen Gedanken nach. Ich konnte nicht umhin, mitzuhören, was die Menschen, die an uns vorbeiliefen, erzählten.

„Waren Bauern, Vater und Sohn ..."

„Der Vater hat damals zwei andere Frauen umgebracht, weißt du noch, als ..."

„Hat es jetzt gestanden ..."

„Aus einem ganz kleinen Dorf ..."

„Dass niemand etwas gemerkt hat ..."

„Waren so fleißig ..."

„Waren sonderbare Leute, sehr zurückgezogen ..."

Ja, dasselbe hatte ich schon vorher gehört. Es war mir nicht neu.

Wir gingen langsam. Allmählich verebbte der Trubel um uns. Es wurde ruhiger.

Kurz bevor wir uns in der Nähe des Grésto-Hauses von Médancon trennten, sagte Álkaran nachdenklich: „Wie sehr man sich manchmal wundern muss, was andere alles tun, denen man eigentlich vertraut."

Mein Blick huschte zu Médancon, der in der gleichen Sekunde zu mir schaute. Seine feinen, schönen Gesichtszüge ließen mir, wie jedes Mal, wenn ich ihn ansah, den Atem stocken.

Wir waren nicht kriminell, aber auch wir, denen Álkaran vertraute wie sonst niemandem auf der Welt, hatten vor ihm ein Geheimnis.

Das Schuldgefühl schnürte mir die Kehle zu.

Kántarellas LichtgestaltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt