Alles oder nichts

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„Bis nächste Woche", sagte seine Chefin während sie ein paar Unterlagen sortierte. Bakugou nickte ihr knapp zu und verließ ihr Büro. Einen Monat hatte er es jetzt schon hier ausgehalten. Vier ganze Wochen die ihn jede Menge Nerven aus Stahl gekostet hatten.

Eijiro war ziemlich oft im Akihabara gewesen. Die erste Woche hatte er sich zu jeder freien Zeit mit diesem Ray hier getroffen gehabt. Der Blonde konnte sich nicht erklären warum, doch es störte ihn jedes mal ungemein als er die beiden zusammen gesehen hatte. Zwei mal hatte er sie sogar nach Feierabend auf dem Parkplatz an einem Auto lehnen sehen. Es war immer wieder wie ein kleiner Stich der ihm versetzt wurde. Dieses Gefühl von Neid, das in ihm aufkam jedes mal wenn er sie zusammen sah. Selbst als eines Tages dieser geleckter Pisser nicht mehr auftauchte und Eijiro alleine oder mit der Blitzbirne hier auftauchte fühlte es sich komisch für ihn an.

Es war ihm nicht immer gelungen Eijiro zu meiden, oftmals ging es auch gar nicht anders. Aber irgendwann stellte er fest, dass er das auch gar nicht länger wollte. Er wollte Eijiro nicht länger meiden. Er wollte den kleineren nicht länger ignorieren. Weil er einfach nicht zu ignorieren war. Er war wie die verfluchte Sonne. Man konnte ihn nicht übersehen, denn seine positive Ausstrahlung fegte den kleinsten Schatten über ihn hinweg. Aus diesem Grund hatte er irgendwann einfach begonnen das ganze zu akzeptieren. Er tolerierte ihn wieder und blieb sogar öfter mal an seinem Tisch stehen und ein paar Sätze mit ihm zu wechseln. Er ging sogar wieder ins Freibad. Er hatte von Eijiro erfahren, dass Ray jemanden in Jakuh City kannte der eventuell einen Job für ihn hätte, mit Firmenwagen. Eijiro war ganz begeistert gewesen als er ihm davon berichtet hatte. Und der Blonde hätte sich auch wirklich für ihn gefreut, wenn es nicht Jakuh gewesen wäre. Wenn es nicht eine Stadt so weit abseits von allem wäre. Das war der einzige Haken an der Sache. Eijiro hatte dem Blonden nicht erzählt ob er das Angebot wirklich in Betracht ziehen würde. Doch innerlich hoffte er, er würde es nicht tun.

Es wusste dass es egoistisch war so zu denken. Wie konnte er von Eijiro erwarten das dieser für immer hier bleiben würde, wenn er selber nicht mal wusste ob er hier bleiben würde.

Immer wieder mal, erwischte er sich dabei wie er hinter dem Tresen gelehnt stand und Eijiro auf seinem Platz beobachtete. Er sah ihn sich einfach nur an. Egal an welchem Tag der kleinere hier rein schlenderte, er war stets gut gekleidet, hatte immer diesen freundlichen Blick drauf und strahlte einfach eine Positivität aus. Nicht selten stieß Mina oder jemand anderes ihn an, um ihn aus seiner Träumerei zu reißen.

Und je mehr Zeit verging, desto schwieriger fiel es ihm, sich von dem Roten fernzuhalten.
Er hatte sogar wieder damit begonnen Shitty Hair auf seine Nachrichten zu antworten. Zwar mied er es weiterhin sich privat mit Eijiro zu treffen, doch das bisschen Zeit das sie gemeinsam hier auf der Arbeit verbrachten, war ihm heilig.

Er hatte keine Ahnung wie der kleinere es wieder geschafft hatte binnen weniger Wochen sich ihm wieder so zu nähern. Seine reine Anwesenheit hatte dafür gesorgt das Bakugou all seine Prinzipien über den Haufen geworfen hatte.

Der Blonde war gerade dabei Feierabend zu machen und das Akihabara zu verlassen als er draußen zwei bekannte Stimmen hörte. Mina und Eijiro. Er blieb vor der Tür stehen und hielt inne. Lauschte den beiden die sich seitlich vor dem Gebäude befanden wo Eijiro sein Fahrrad stehen hatte. Er konnte sie zwar nicht sehen, aber dafür umso deutlicher hören.

„...Ist das nicht ein bisschen kurzfristig?", hörte er Mina fragen.

„Ach das wird schon. Ray meinte für's erste könnte ich bei ihm übernachten"

„Du und Ray habt euch ja ziemlich gut verstanden, huh?", kicherte sie dann.

„Ja, hehe. Kann man so sagen"

„Naaw. Wirst du etwa Rot?"

„Hah? Nein! Das muss die Sonne sein..."

Der Blonde lehnte sich mit verschränkten Armen an die Wand neben der Tür.
Unbewusst fing er wieder damit an, an seinem Lippenpiercing herum zu beißen.

„Aaah! Mir machst du nichts vor, hihi. Ich hab sofort gesehen das er ein Auge auf dich geworfen hat!"

„Ich glaube was das angeht... bin ich einfach noch nicht bereit dazu... verstehst du was ich meine? Ich denke das Thema hat sich erst mal für mich erledigt"

Die Brauen des Blonden zogen sich bei Eijiros Aussage zusammen. Automatisch fragte er sich ob er daran Schuld war.

„Aber dennoch. Ich bin absolut nicht begeistert das du jetzt dahin willst. Weißt du denn schon wann du wieder zurück kommst? Wie viel Uhr kommt denn dein Zug?"

Jetzt wurde der Blonde wieder hellhörig. Eijiro hatte also wirklich vor heute noch weg zufahren. In seinem Magen zog sich alles zusammen. Hatte er das Jobangebot doch angenommen? Würde er jetzt nach Jakuh City ziehen? Würde er mit diesem Penner zusammen leben? Bakugou biss die Zähne aufeinander als er den beiden zuhörte. Würde Eijiro es ihm noch erzählen bevor er abreisen würde? Würde er sich von ihm verabschieden können?

Morgen Abend würde schon der Beatdown sein. Bakugou hatte lange mit sich gerungen, er wusste immerhin das Eijiro gerne dabei gewesen wäre. Zu oft hatte der kleinere ihn damals damit in den Ohren gelegen. Und gestern erst hatte er beschlossen das er Eijiro fragen würde ob er ihn begleitet.
Doch hatte sich dieses Angebot gerade eben in Luft aufgelöst, denn Eijiro würde morgen Abend bereits nicht mehr hier sein.

„ Mina, ich bin doch nicht aus der Welt. Du tust ja so als würde ich dich für immer verlassen", er lachte leicht als er es sagte.
„Der Zug fährt um 20 Uhr am Hauptbahnhof ab. Und dann mal sehen .."

Bakugou senkte den Blick und schaute zu Boden als er ihm zuhörte. Sollte er vielleicht jetzt die Gelegenheit nutzen um nochmal mit ihm zu reden? Aber was wollte er ihm dann sagen? Sollte er ihn aufhalten? Ihm sagen wie bescheuert das war?

Verdammter Mist...

„Dann melde dich aber wenn du angekommen bist, ja?", hörte er Pinky jammern.

Er drehte seinen Kopf leicht zur Seite als er bemerkte das eine Gruppe Jugendlicher aus der Tür traten. Schnell trat er zur Seite und ließ die Gruppe passieren. Das war die beste Gelegenheit für ihn direkt mit zu verschwinden. Die Eingangstür quietschte jedes mal leicht wenn sie geöffnet wurde, und er wusste das Mina gleich wieder hinein gehen würde. Er hatte keinen Bock sich auch noch rechtfertigen zu müssen warum er gelauscht hatte. Also setzte er seine Füße in Bewegung und ging los.

„Hey Katsuki! Schönen Feierabend!", hörte er Pinky rufen als er über den Parkplatz lief. Er blieb kurz stehen und blickte über die Schulter zu ihnen hin. Eijiro saß bereits auf seinem Fahrrad und stützte sich mit einem Fuß noch am Boden ab. Er hob zum Gruß die Hand. Kurz verweilte er in der Hoffnung das Eijiro zu ihm kommen würde um es ihm mitzuteilen.

Doch das tat er nicht.

„Hey", rief Eijiro ihm nur lächelnd zu.

„Wenn du noch öfter hier bist müssen wir Miete verlangen", rief er dem Roten zu, welcher daraufhin nur lachte und sich verlegen am Hinterkopf kratze.

„Bin auch schon weg! So bis dann ihr beiden", er knuffte Mina nochmal kurz in die Seite ehe er sich vom Boden abstieß und los fuhr. Kurz blickte er ihm noch hinterher ehe er zu Pinky blickte die ihn nur anstarrte.

„Was?", fauchte er sie genervt an.

„Nichts nichts. Ich muss dann auch wieder weiter machen. Bis nächste Woche dann", sagte sie argwöhnisch ehe sie wieder rein verschwand. Genervt setzte er seinen weg fort.

Warum hatte Eijiro es ihm gerade nicht erzählt gehabt? Der Rote war doch sonst immer so geschwätzig. Oder hatten sich die Dinge doch geändert zwischen ihnen? Vertraute Eijiro ihm vielleicht nicht mehr? Der Gedanke gefiel ihm gar nicht.

Den ganzen Heimweg über dachte er angestrengt darüber nach. Doch egal wie er es dreht und wendete, er kam immer wieder zum selben Entschluss. Er wollte nicht das Eijiro ging. Er selber wollte ja nicht einmal gehen. Würde er morgen wirklich das Geld gewinnen, wovon er stark ausging, dann zog ihn nichts nach Mutsufatsu zurück. Er hatte sich langsam an seine alte Heimat hier gewöhnt. Hier war er geboren worden. Hier hatte er seine Kindheit verbracht. Hier hatte er Eijiro kennengelernt.

Ohne das der Blonde es bewusst gemerkt hatte, steuerte er nicht sein Zuhause an. Seine Füße trugen ihn über die Straßen und Siedlungen hinweg zu einem ganz bestimmten Ort. Einen Ort den er zuletzt mit Eijiro besucht hatte.

Den Schrottplatz.

Kurz blickte er sich um, ehe er zielstrebig den alten Pick up ansteuerte und auf die Ladefläche stieg.
Er dachte an den Tag zurück als sie hier gesessen hatten. Als Eijiro völlig betrunken seine alten Klassenkameraden nachgeäfft hatte. Er blickte auf den Golfschläger, der noch immer dort lag wo er ihn zuletzt zurück gelassen hatte. Er beugte sich nach unten und hob ihn auf. Völlig Gedankenverloren blickte er auf den Schläger in seiner Hand.

Die Beerdigung seines Vaters lag nun auch schon einige Wochen zurück. Und trotzdem kam es ihm vor wie gestern als sie beiden hier gelegen hatten. Mit einer Pulle Whisky in der Hand. Eijiro hatte gar nicht viel tun müssen. Er hatte gar nicht versucht den Blonden mit irgendwelchen miserablen Sätzen aufzumuntern. Er hatte ihn an diesem Abend bloß zugehört. Er war einfach nur für ihn da gewesen. Eijiro wusste genau wie er ihn zu nehmen hatte. Er verstand ihn von A bis Z, er war so etwas wie seine Brandung im Meer. Egal wie oft der Blonde an die Decke ging, egal wie oft er förmlich explodierte. Eijiro fing ihn immer auf. Es prallte einfach an ihm ab, wie an einem Stein. Eijiro mochte oft wie ein Softie wirken, doch in Bakugous Augen war er knallhart. Er hatte die Prügel der Mistkerle einfach so weggesteckt gehabt. Egal wie oft der Blonde ihn beleidigte, es machte ihn einfach nichts aus. Jeden anderen hätte er damit schon von sich gestoßen.

Bakugou hatte in Musutafu keine Freunde. Die einzigen Ausnahmen waren seine Fickfreundin Camie und seine Mitbewohner. Doch als richtige Freunde würde er sie nicht bezeichnen.
Ein richtiger Freund, war bis her nur Eijiro für ihn.

Sein einziger Freund. Und auch der einzige der ihm persönlich wichtig war. Eijiro kannte jede Macke des Blonden. Er war der einzige Kerl der die Eier besaß ihm eine reinzuhauen. Und ebenso der einzige bei dem der Blonde es geduldet hatte. Jedem anderen, hätte er eine zurück verpasst.

Seufzend ließ er sich auf den Boden der Ladefläche hinunter. Legte den Schläger neben sich und zog sein Handy heraus. Er öffnete den Chat mit Kirishima und las sich nochmal die letzten Zeilen durch die sie letzte Woche geschrieben hatten.

Shitty Hair (09:11 Uhr):
Guten Morgen Bakubro,
Lust nach der Arbeit was zu unternehmen?


Me (09:34 Uhr):
Keine Zeit, der Beatdown steht bald an.

Shitty Hair (09:36 Uhr):
:(
Shitty Hair (09:37 Uhr):
Wie sieht es mit morgen aus?


Shitty Hair (09:38 Uhr):
Baku?

Shitty Hair (09:38 Uhr):
Ignorierst du mich schon wieder?

Me (09:43 Uhr):
Wtf!? Ich bin gerade Arbeiten du Nuss! Hör auf zu spammen!

Shitty Hair (09:43 Uhr)
Ok. Sry

Me (09:46 Uhr):
Und nein morgen habe ich auch keine Zeit.

Seufzend scollte der Blonde den Chat rauf und runter. Immer wieder hatte er den Roten vertröstet oder abgesagt. Aber nicht einmal hatte er die Eier dazu sich mit ihm zu treffen.

Vielleicht hatte Eijiro auch mittlerweile die Schnauze voll von ihm. Er erinnerte sich noch gut an seine Worte, als dieser sagte das er niemanden hinterher rennt der ihn nicht bei sich haben möchte.
War er vielleicht mittlerweile an genau diesem Punkt angelangt? Sein Herz pumpte bei diesem Gedanken automatisch schneller.

„Fuck...", flüsterte er leise zu sich selbst, als ihn die Erkenntnis traf.

Eijiro durfte nicht gehen. Er wollte diesen Roten Bastard nicht verlieren. Und genau jetzt wurde ihm schmerzlichst bewusst was es war das er empfand. Es war die Angst ihn zu verlieren.

Fucking Verlustängste um Eijiro. Angst ihn nie wieder zu sehen ohne die Gelegenheit gehabt zu haben sich zu verabschieden. Er wusste selber wie banal das ganze war. Wie absurd seine Bedenken klingen mussten. War er es doch erst gewesen der Eijiro damals ohne jegliche Erklärung hatte ignoriert.
Doch wenn er nichts unternehmen würde, würde er ihn womöglich wirklich nie wiedersehen.
Eijiro. Seinen Eijiro.

Mein fucking Seelenverwandter

Und auch wenn es nur seine Gedanken waren, die diesen Satz dachten. So fiel es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen. Wie konnte er nur so dumm sein? So verdammt blind sein?

Wütend auf sich selbst erhob er sich vom Boden der Ladefläche. Er schnappte sich den Golfschläger und fing an auf das Auto einzuschlagen.

„FUCK!", brüllte er voller Inbrunst.

So sehr er es auch leugnen und von sich weg schieben wollte. So sehr die Tatsache ihn auch beängstigte. Er konnte es nicht länger leugnen. Alles was er sah war Rot.
Diese großen unendlich sanften Roten Iriden. Und seine Haare, die förmlich danach schreien die Hände darin zu vergraben.

Sein letzter Gedanke vor dem einschlafen und sein erster Gedanke nach dem aufwachen galten ihm. Er hatte es tunlichst vermieden es sich einzugestehen. Fast schon gewaltsam wollte er sich einbläuen dass das niemals echt sein konnte. Das der Alkohol damals Schuld war. Das er niemals in der Lage wäre Gefühle für einen Mann zu haben. Doch es war ja nicht irgendein Mann. Nein, es war sein bester Freund.

Schnaufend ließ er den Golfschläfer fallen, welcher schon völlig verbogen war. Die Sonne fing bereits an sich zu senken, weshalb er schnell sein Handy heraus holte. Es war 19:41 Uhr. In weniger als zwanzig Minuten würde Eijiro mit dem Zug weg fahren. Er musste ihn noch einholen.
Er musste mit ihm reden bevor es zu spät war.

Er rannte so schnell er konnte in Richtung Hauptbahnhof. Völlig abgehetzt huschte er in letzter Sekunde an vorbei fahrende Autos her ehe er wieder den Bordstein erreichte. Er kannte keine Abkürzungen also musste er durch die komplette Innenstadt. Er ignorierte zig Rote Ampeln und rannte einfach schnurstracks über die Straßen.
Während er rannte blickte er immer mal wieder auf sein Handy um die Uhrzeit zu wissen.

Fuck..ich schaff es nicht pünktlich...

Seine Lungen brannten so sehr, als würden sie von innen heraus verbrennen, doch er lief immer weiter. Während des Rennens wählte er Kirishimas Kontakt, und rief ihn an. Die Mailbox sprang sofort an. Anscheinend war sein Handy aus oder er hatte keinen Empfang. Immer wieder drückte er auf Anruf wiederholen, doch der Anruf wurde nicht durchgestellt.

Als er irgendwann endlich den Hauptbahnhof erreicht hatte, fiel ihm das nächste Problem ein. Er hatte absolut keine Ahnung auf welches Gleis er musste. Schnell rannte er auf eine der Anzeigetafeln zu. Suchend glitt sein Blick umher, ehe er den Namen der Stadt wiederfand.

„Gleis 3", murmelte er völlig außer Atem zu sich selber und lief wieder los. Wie ein irrer nahm er immer zwei bis drei Stufen auf einmal um die Treppe schneller zu erklimmen. Oben angekommen sah er den Zug am Ende des Gleises schon. Die letzten Leute stiegen gerade ein.
Mit letzter Kraft setzte er sich noch einmal in Bewegung und stürmte auf den Zug zu.

An jedem Fenster das ihm entgegen kam, machte er halt und blickte hinein in der Hoffnung Eijiro dort sitzen zu sehen.

Er lief zum nächsten Fenster.

Nein...

Wieder weiter.

Auch nicht...

Noch ein Fenster weiter.

Verdammt wo steckt er!?

Verzweifelt rannte er weiter und weiter. Bis er ihn fand, und zeitgleich das Pfeifen des Schaffners ertönte. Wie wahnsinnig schlug er auf das Fenster ein.

„EIJIRO!!! EIJIRO!!!"Brüllte er und hämmerte immer wieder dagegen damit der Rote in seine Richtung blickte.

Alle Türen des Zuges schlossen sich, und ein lautes Zischen war zu hören.
Ganz langsam bewegte Eijiro seinen Kopf in seine Richtung. Bis er ihn entdeckte.
Völlig perplex und mit gerunzelter Stirn blickte er durch das Fenster zu ihm.

Der Zug setzte sich in Bewegung.

„Eijiro!!! Ich muss mit dir reden!! Hey!! Hörst du mich?!" Er versuchte mit dem Zug mitzugehen. Eijiro der auf den Gegenüberliegenden Platz saß, stand auf und kam zu seinem Fenster hinüber. Eine ältere Frau saß direkt an dem Fenster gegen welches Bakugou hämmerte. Verwirrt blickte sie zu Eijiro als dieser ans Fenster trat.
Eijiro schien etwas zu sagen, doch die Scheiben des Zuges waren so dick, das er es nicht verstand. Zudem quietschen die rollenden Räder sehr laut auf den Gleißen.
Langsam wurde der Zug schneller und Bakugou musste nebenher joggen.

„Geh an dein verdammtes Handy!!", brüllte er ihn zu und hielt sein Handy hoch.

Eijiro blickte ihn indes fragend an und legte eine Hand an die Glasscheibe. Der Blonde war sich nicht sicher ob er es sich nur einbildete, oder ob er ein „Lebe Wohl" von Eijiros Lippen lesen konnte. Ein kurzer Blick nach vorne verriet ihm das der Bahnsteig gleich endete. Dort würde er nicht mehr weiter rennen können, zumal der Zug immer schneller wurde. Verzweifelt rannte er die letzten Meter noch mit, ehe er abrupt stehen blieb.

„Fuck!!!", spie der dem fahrenden Zug hinterher.

Verdammter Mist! Fuck! Gott ich bin so ein Idiot!

Während er vor sich hin fluchend den Rückweg antrat, vibrierte plötzlich sein Handy.

Schnell zog er es aus der Tasche. Es war Eijiro.

„Eijiro?", sagte er als er dran ging.

„Katsuki? Mein Akku ist leer das Handy kann jeden Moment wieder aus gehen", ratterte er ganz schnell runter.

„Eijiro ich muss dir etwas sagen..."

„Kats'...? Bis...noch 'ran? Hallo?" Eijiros Stimme war teilweise abgebrochen. Die Verbindung war verdammt schlecht.

„Ja bin ich. Hörst du mich? Eijiro?"

„Ich hör dich ganz schlecht. Was ist denn los?"

„Fuck... Eijiro es tut mir leid wie das alles gelaufen ist. Ich war...nein ich bin ein abgefuckter Idiot gewesen! Ich.. Ich muss mit dir reden. Aber nicht am Telefon. Es ist wichtig.."

„Kat- ...hör dich ..'tal schlech... Was... gesagt?" Im nächsten Moment verschwand das Rauschen und das Signal für einen beendeten Anruf ertönte. Stirnrunzelnd blickte er auf sein Display. Sein Handy schien wohl ausgegangen zu sein.

Knurrend steckte er sein Handy wieder ein. Würde er an so etwas wie Schicksal glauben, dann könnte man annehmen jemand würde ihn absichtlich Steine in den Weg legen. Frustriert stieg er die Treppen zum Bahnhofsgelände herunter. Er war zu spät gewesen. Seine Chance auf ein persönliches Gespräch wäre damit vertan.
Doch wieso hatte sich Eijiro nicht von ihm verabschiedet gehabt? Wieso hatte der Rote generell ihm davon nichts erzählt gehabt. Er wusste genau wen er Montag ausquetschen würde um an Antworten zu gelangen. Denn wenn es jemand wusste, dann sie.

Als Bakugou spät am Abend heim kehrte, hätte er eigentlich völlig müde sein müssen. Er hatte einen langen Arbeitstag hinter sich und hatte zudem noch einen halben Marathon hinter sich gebracht. Sein Körper schien diese Ruhe nur zu begrüßen und hieß sein Bett wohlwollend willkommen. Doch sein Kopf hatte andere Pläne mit ihm vor. Nicht mal hunger hatte er, obwohl er den ganzen Tag ziemlich wenig gegessen hatte. Hin und wieder wenn der Koch sich mal aus der Küche stahl, mopsten sich Pinky und er ein paar Brownies aus der Küche. Doch mehr als das, hatte er heute nicht zwischen die Zähne bekommen.

Unruhig wälzte er sich von Links nach Rechts. Sein Handy hatte er auf die Kommode gelegt. Doch er hatte nicht den Eindruck als würde dies heute ein zweites mal klingeln. Generell hatte er kein gutes Gefühl. Er war sich dem sogar ziemlich sicher. Wenn Eijiro wirklich den Job angenommen haben sollte, dann würde er ihn nie wieder sehen. Es konnte zwar gut sein, das Eijiro irgendwann mal nach Hosu zurück kommen würde, immerhin würde er seine Freunde und Familie hier ja auch besuchen kommen, aber dennoch wäre er erst mal für einige Zeit weg.

Frustriert schloss er seine Augen. Alles was er wollte, war nur noch einzuschlafen. Den Tag zu vergessen und sich auf wesentliche Dinge zu konzentrieren. Morgen stand der Beatdown an. Er musste diesen Kampf gewinnen. Er durfte sich nicht von solch niederen Gefühlen beeinflussen lassen. Wenn er morgen so unkonzentriert dort auftauchen würde, dann hätte er schlechte Chancen. Damit könnte er sich alles verbauen. Er musste fokussiert bleiben und mit klaren Gedanken an die Sache heran gehen. Eijiro hatte spätestens morgen Abend nichts mehr in seinen Gedanken verloren. Er musste diesen Frust abwerfen. Und mit ihm diese leere die sich immer mehr in ihm ausbreitete. Als hätte der Rote einen Teil von ihm mitgenommen. Als wäre er unvollständig.

Wieder wälzte er sich hin und her.

Es hatte lange gedauert bis Bakugou in dieser Nacht zur Ruhe gefunden und eingeschlafen war.
Doch selbst im Schlaf verfolgten ihn seine Gedanken. In dieser Nacht träumte er davon wie Eijiro bei einem Autounfall von einem Cabriolet ums Leben kam.

Schweißgebadet wachte er am nächsten Morgen auf. Sein Handy verriet ihm das es erst kurz nach Sechs war. Zudem hatte er keine neuen Nachrichten. Seufzend erhob sich aus seinem Bett und beschloss erst einmal eine Runde joggen zu gehen. So früh morgens war die Luft noch recht kühl draußen, was relativ angenehm auf seiner leicht verschwitzen Haut war. Während er durch die Straßen joggte dachte er darüber nach ob er Eijiro nochmal anrufen sollte. Doch an genau dieser Stelle, machte sich wieder sein Ego bemerkbar. Er hatte bereits versucht einen Schritt auf ihn zuzugehen. Er war gestern zu diesem verfickten Bahnhof gerannt als ginge es um sein Leben. Er hatte ihn angerufen und versucht aufzuhalten. So etwas war für seine Verhältnisse schon selten. Wo er doch sonst immer auf alles einen Scheiß gab.

Als er nach dem Joggen wieder Zuhause ankam, hörte er von oben schon Schritte. Die Dielen über ihn knarrten leicht. Die Alte war also auch schon aufgewacht. Völlig verschwitz stieg er die Treppen hoch in sein Zimmer und schnappte sich neue Kleidung aus seinem Schrank, ehe er ins Bad verschwand und sich schnell abduschte.


Unbreakable [KIRI X BAKU]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt