Fünf: Hexenjagd

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LUXFERRA

NEVA

Schweigend half ich Maeve dabei, sich die glatte Turmwand hinab zu seilen. Sie benutzte dafür ein dickes Tau, das an einer Seite mit Widerhaken versehen war. Innerhalb weniger Minuten traf Maeve mit einem dumpfen Poltern auf dem weichen Waldboden auf. Auffordernd winkte sie mir zu.

"Komm, beeil dich!"

Ich schluckte. Mit einem Fuß stand ich bereits auf dem Fenstersims, das Seil hielt ich dabei fest umklammert. Der Erdboden schien zu schwanken, als ich hinuntersah, also richtete ich meinen Blick lieber wieder Richtung Turm. Vorsichtig schwang ich mich über die Fensterbank, dann holte ich tief Luft und machte mich an den Abstieg. Mit rasendem Herzen kam ich kurz darauf unten an. Noch nie in meinem Leben war ich so froh gewesen, festen Boden unter meinen Füßen zu spüren.

Seit wann habe ich denn Höhenangst?

Irritiert von dieser neuen Schwäche schüttelte ich den Kopf. Selbst wenn, spielte es im Moment keine Rolle. Viel wichtiger war es, Violaine zu finden. Auch sie benahm sich nicht so, wie ihre Rolle es vorsah. Fragend drehte ich mich zu Maeve um.

"Hast du eine Idee, wo wir sie finden können?"

"Ich denke Violaine sucht nach Felix, also würde ich das Schloss aufsuchen.", antwortete die junge Hexe.

"Gut, dann zeig mir den Weg."











CHION

Wie befürchtet hatte sich das ganze zu einem Problem kolossalen Ausmaßes entwickelt. In den letzten Stunden hatten die Bewohner des Schlosses beschlossen, die Hexe zu suchen und zur Strecke zu bringen. Chion hatten sie nicht einmal angehört- beinahe wären sie auch auf ihn losgegangen und zwar alleine deshalb, weil auch er ein Hexer war. Nur Violaines Einschreiten hatte ihn vor einem sofortigen Feuertod bewahrt. Nicht, dass er es diesen Leuten dabei leicht gemacht hätte.

Unerkannt hatte er sich dann unter den wütenden Mob gemischt und begleitete diesen nun Richtung Zugbrücke. 

"Halt!"

Aus irgendeinem Grund stoppten sie plötzlich. Verwundert bahnte sich Chion einen Weg nach vorne. Auf der Mitte der Brücke stand eine junge schwarzhaarige Frau, die voller Angst der wütenden, mit Fackeln bewaffneten Menge entgegenblickte. Chion erstarrte. Direkt neben ihr stand Neva.











NEVA

"Lauf!", schrie ich Maeve zu, dann drehte ich mich um und rannte los. Spätestens jetzt war ich sicher, dass mein Körper sterblich geworden war. Oder zumindest schwächer. Bereits am Ende der Brücke spürte ich den Atem in meiner Brust rasseln, keuchend versuchte ich so viel Luft wie möglich in meine Lunge zu pressen. Panisch irrte mein Blick umher, bis er auf den angrenzenden Wald fiel.

"Da lang!" 

Maeve hatte inzwischen aufgeholt und erreichte als Erste die schützenden Bäume. Direkt hinter uns folgte die Menge. Ich wagte es nicht, mich umzusehen, aus Angst vor dem, was ich erblicken würde. Meine immer noch übermenschlich ausgeprägten Sinne, die mir wie durch ein Wunder geblieben waren, nahmen unsere Verfolger jedoch beinahe überdeutlich war. Sie hatten Pferde. Und Waffen. Und sie waren wütend.

Vorhin hatte ich kurz geglaubt, Chion zu sehen, doch ich musste mich getäuscht haben. Was hätte er auch im Schloss zu suchen?

Äste peitschten mir ins Gesicht, als ich mir hinter Maeve einen Weg durch die hüfthohen Büsche schlug. Wir konnten kurz Atem schöpfen; erst in einiger Entfernung brachen die ersten Tiere durch das Geäst.

Was sollen wir nur tun?

"Hier lang!", keuchte Maeve und deutete auf eine hellere Stelle, wo der Wald aufzuhören schien. Eilig folgte ich der Hexe; meinen Blick fest auf den Boden gerichtet, um nicht versehentlich über eine hervorstehende Wurzel zu stolpern.

The Fairytale Of A WitchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt