»Pose eins!«
Robin, einen Stock zwischen den Zähnen, verlagerte das Gewicht auf den Ruf seines Vaters hin gleichmäßig auf alle vier Beine.
»Pose zwei!«
Nun nahm Robin den Kopf zu seiner rechten, hob das linke Vorderbein und wich einem Schlag in Zeitlupe aus, den Erren mit seinem Schwert vollführte.
»Pose drei!«
Mit Schwung riss das Fohlen nun den Kopf nach unten, sein Stock stieß von oben mit Errens Schwert zusammen und drückte es zu Boden.
»Pose vier!«
Robin stieg nun auf die Hinterbeine. Seine Vorderhufe sausten durch die Luft, doch kurz bevor er Erren ein paar ordentliche Tritte ins Gesicht verpassen konnte, brach er seinen Angriff ab. Er wollte seinem Vater schließlich nicht weh tun.
»Gut gemacht!«, schnaubte sein Vater zufrieden. Stolz glitzerte in seinen Augen, was Robin eine Welle neuen Selbstbewusstseins durch den Körper jagte.
»Gleich nochmal!«, wieherte der kleine Fuchshengst aufgeregt, schnappte seinen Stock wieder etwas fester und brachte sich zurück in die Startposition.
»Eins, zwei, drei, vier! Eins, zwei, drei, vier!«
Mit jeder Wiederholung wurden die Übergänge zwischen den Positionen schneller und fließender, bis Robin den Dreh raushatte und beim letzten Versuch Erren tatsächlich sein Schwert fallen ließ. Robin vermutete schon, dass sein Vater das absichtlich tat, um ihm einen Erfolg zu bescheren, aber er beschwerte sich nicht darüber.
»Irgendwann werde ich genauso gut mit dem Schwert kämpfen wie du!«
»Daran zweifle ich keine Sekunde«, schnaubte Erren, dann stellte er seine Hufe etwas weiter auseinander. »Kannst du noch? Ich kann dir zeigen, wie du ein Pferd ganz schnell entwaffnest.«
Robin konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Ist das eine ernst gemeinte Frage? Ich bin doch kein faules Ei!«
Erren lachte leise, als er seinen Sohn so motiviert sah. Dann brachte er sich in Position und ließ Robin die einzelnen Schritte nachahmen. Faenja stand in einiger Entfernung und beobachtete interessiert das Training der beiden. Sie waren noch nicht sehr lange unterwegs, aber Ny Beginnelse war jetzt schon kaum mehr, als ein dünnes Streifchen am Horizont.
Da die Crew noch nicht wach war, war es Erren gewesen, der die ersten Segel auf Tukks Kommando gehisst hatte.
Bis dahin hatte die Stute es auch noch nicht merkwürdig gefunden, aber jetzt, wo der Tag langsam weiter Fortschritt und noch immer nichts von den fleißigen Seepferden zu sehen war, da fragte sie sich, ob hier wirklich alles mit rechten Dingen zuging.
Und dann passierte es. Eines der Pferde, ein dicker Schimmel, kam über eine Treppe aus dem Frachtraum an Deck getorkelt. Das Pferd gähnte herzhaft, kratzte sich mit dem Hinterhuf an der Schläfe und blinzelte dann ein paarmal gegen die Sonne, um sich zu orientieren. Der ältere Hengst erstarrte, als er am Horizont das Meer erspähte. Und als er sich wendete und in der entgegengesetzten Richtung auch kein Land sehen konnte, da schrie er vor Schreck so laut, dass es einem durch Mark und Bein fuhr.
Wie von der Tarantel gestochen galoppierte der Hengst an der Reling des Schiffes entlang und suchte einen Ausweg, bis es sich schließlich mit dem Hinterteil an die Wand zur Kapitänskajüte presste und panisch hyperventilierte.
»Entspann dich, Kaalsen! Du bist in Sicherheit!«, schnaubte Tukk vom hohen Deck herab, wo das Steuerrad saß. Kaalsen blickte zu Tukk hinauf, sein Blick wandelte sich von panisch über entsetzt zu stinksauer. Dann bleckte er die Zähne.
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Erren - Schattenspiel
FantasyACHTUNG: Diese Geschichte ist verfasst als eine Art Fabel, in der alle Hauptcharaktere als Pferde dargestellt sind.Ihr Verhalten ist jedoch soweit vermenschlicht, dass die Story jederzeit auf Menschen umgeschrieben werden kann. »Ich habe alles verl...