Kapitel 10 - Meuterei!

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Ein lauter Knall erschütterte die Brunhilde, gefolgt von einem berstenden Schlag. Die Pferde an Bord wieherten in Schock, als ein dunkles Geschoss ein tiefes Loch in die Reling des Steuerdecks riss und schließlich den Hauptmast nur um ein Pferdehaar verfehlte.

»Was war das?!«, brüllte Erren durch die immer stärker werdende Wand aus Regen hindurch. Das Prasseln der Tropfen und das Aufschäumen der Gischt am Bug der Brunhilde war inzwischen so laut geworden, dass seine Stimme nicht viel lauter als das Quieken einer Maus bei absoluter Stille zu hören war. Und auch das Fauchen und Pfeifen des Windes machte diesen Zustand nicht unbedingt besser

Käpt'n Tukk versuchte ruhig zu bleiben. Beine stramm, Kopf erhoben und den Blick nach vorne gerichtet. Jedes Mal, wenn er seit dem Überfall der Crew etwas zugerufen hatte, konnte man das Zittern in seiner Stimme deutlich hören.

Er wurde schwächer.

Der Schimmelhengst verlor viel Blut, weigerte sich aber, sich von Faenja verarzten zu lassen. Es war keine Zeit dafür. Nicht jetzt, wo ihnen die Piraten direkt auf der Hinterhand saßen.

»Sie haben ihre Kanonen auf uns gerichtet«, schnaubte Tukk. Sein Fell war völlig vom Regen durchnässt, aber der Schaum auf seinen Schultern zeugte davon, dass Schweiß der Angst ihm von den Flanken rann.

»Was zur Hölle sind Kanonen?«, wieherte Erren perplex zurück, als ein weiteres Geschoss durch die Luft pfiff und knapp über seinen Ohren vorbei sauste und ein großes Loch in eines ihrer Segel riss.

»Die praktischste Erfindung zur Selbstverteidigung, die Seepferde je gemacht haben«, entgegnete Tukk. »Aber dummerweise ist das falsche Schiff damit ausgerüstet. Damit kann die Brunhilde nicht dienen.«

»Glück steh uns bei!«, hörte Erren Faenja neben sich hauchen, als sie erkannte, dass die Piraten ihrem Schiff bereits so nahegekommen waren, dass sie das Wiehern ihrer Verfolger hören konnten.

»Glück wird uns hier nicht weiterhelfen!«, knurrte Tukk entschlossen. »Alle Hengste an die Seile! Vorwärts ihr lahmen Hunde! Holt die kleinen Segel ein!«

»Du holst die Segel ein? So werden wir langsamer! Du bringst uns alle um!«, brüllte Mats, der noch immer am Boden lag, die Vorderbeine und Hinterbeine jeweils zusammengefesselt, damit er sich zumindest noch ein wenig an Bord bewegen konnte. Als Faenja und Erren ihm aufhalfen, spuckte er neben Tukk auf den Boden und bleckte voller Hass die Zähne vor dem Kapitän.

Tukk ignorierte ihn. Ihm schien die Kraft zu fehlen, sich mit den Drohgebärden des wildgewordenen Hengstes zu beschäftigen.

»Schmeißt ihn in die Zelle unter Deck!«, schnaubte er, als er das Steuerrad neu justierte, um gegen die Strömung zu arbeiten. »Da kann er erst mal keinen weiteren Schaden anrichten.«

Ein weiteres Bersten von Holz ließ die Pferde kurz erstarren. Alle, bis auf Tukk, dessen Augen fest auf den Sturm vor ihnen gerichtet war. Als sich eine Pferdehohe Welle vor ihnen auftat, neigte sich der Boden unter ihnen. Tukk stemmte sich mit aller Kraft gegen den Druck des Steuerrads, der das Hauptsegel hielt und steuerte sie direkt mit der Spitze voran auf den Berg aus Wasser zu. Die Brunhilde hob und senkte sich steil. Wasser schwemmte vorn über den Bug, als sie, ebenfalls mit der Spitze voran, ins Tal der Wellen raste und dort hart wieder auftraf. Glücklicherweise waren die Pferde darauf vorbereitet gewesen. Doch nun näherte sich bereits die nächste Welle.

»Macht hinne!«, Tukks Brüllen ließ Erren und Faenja keine Zeit zum Überlegen. Sie wussten, dass jetzt jedes Pferd an Bord gebraucht wurde, um ihr Schicksal noch zum Guten zu wenden.

»Ihr Narren!«, wieherte Mats schrill, als die beiden Pferde ihn vorwärts drängten. »Ihr werdet doch sowieso sterben! Warum verteidigt ihr diesen Verbrecher?!«

Erren - SchattenspielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt