Kapitel 13 - Versöhnung

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Leise glitt die Brunhilde in den sanften Wellen voran. Ihre durchlöcherten Segel fassten kaum noch Wind, was bewirkte, dass sie sich nur noch sehr langsam fortbewegte. Die Strömung, die sie trieb brachte beinahe mehr Zug, als der Wind an sich, aber es reichte gerade so, um sie um einige der Felsformationen zu navigieren, welche um die Küste des fremden Festlands herum im Wasser lagen.

Ihre schwarzen, kantigen Köpfe ragten aus den Fluten wie Mahnmale an Zeiten, die kein Pferd je miterlebt hatte. Lange, bevor die Welt von Pferden regiert wurde und lange bevor Schiffe die Meere besegelten. Mystisch saßen Nebelschwaden in dem Labyrinth aus tödlichen Zacken, die einen Schiffsrumpf binnen Sekunden in Treibholz verwandeln konnten. Gefährlich und unberechenbar.

So etwas, zumindest in dieser Art, hatte noch kein Pferd an Bord der Brunhilde je zu Gesicht bekommen. Es war eine völlig andere Welt. Mystisch, wild und unerforscht.

An jedem anderen Tag hätte Errens Herz bei diesem Anblick Purzelbäume geschlagen, aber heute fühlte er sich matt und betrübt. Als ob die Entdeckung des fremden Landes weder für ihn, noch für irgendein anderes Pferd an Bord dieses Schiffes von Bedeutung war. Robin war fort. Und so sehr er sich auch wünschte, sich einbilden zu können, dass es nicht seine Schuld war, umso schlimmer wurden seine Zweifel.

Er war es schließlich gewesen, der Faenja dazu überredet hatte, ihn zu begleiten. Sie hatte ihn gewarnt. Er hatte ihr nicht glauben wollen. Und nun hatten sie den Salat.

Und als ob seine Schuldgefühle ohnehin nicht bereits schlimm genug gewesen wären, hatte Faenja seitdem kein einziges Wort mehr mit ihm gesprochen. Die letzten zwei Tage, die sie an der Küste des neuen Landes entlanggesegelt waren, hatte sie hauptsächlich unter Deck verbracht, ihr Futter verweigert und jedes Pferd mit Zeter und Mordio vom Platz verwiesen, das ihr etwas Gesellschaft hatte leisten wollen.

Erren war am Ende seiner Weisheit. Er wusste überhaupt nicht, was er tun sollte, um sie zu besänftigen. Es war sicher besser gewesen, sich erst einmal fernzuhalten. Bei ihrer Wut auf ihn wäre ein Gespräch mit ihr sicherlich binnen kürzester Zeit in einen ausgewachsenen Kampf ausgeartet. Erren wusste am besten, dass man sich mit Faenja besser nicht anlegte, wenn sie wütend war. Aber irgendwann würde er es versuchen müssen. Sie waren schließlich ein Paar. Sie konnten sich schließlich nicht für den Rest ihres Lebens aus dem Weg gehen. Sie waren doch Gefährten!

»Klüver nach Backbord!«, riss Henks Ruf den goldenen Hengst abrupt aus seinen Gedanken. »Da sitzt'n großer Brocken im Wasser und ich fürchte, wir werden keinen Huf breit Wasser unterm Kiel haben, um da nicht aufzulaufen.«

»Aye!«, Val und Tor zögerten nicht lange und ließen ihre Muskeln spielen. Seit Mats nicht mehr an Bord war, hatten sich zumindest hier an Bord die Wogen geglättet. Tukk mochte den strammen Fuchs für einen wertvollen Bootsmann gehalten haben, aber im Großen und Ganzen hatte Mats mehr Unruhe gestiftet, als seine Arbeit an Bord wirklich wert gewesen war.

Und nun, wo Henk durch Sturm, Wellengang und dem Beschuss der Piraten ohnehin die Orientierung verloren und seine Seekarte als Kartograf nicht hatte vervollständigen können, hatte er stattdessen Mats Job als Kommandant übernommen. Er hielt nun gemeinsam mit Kaalsen nach gefährlichen Formationen im Wasser Ausschau, damit sie nicht auf den letzten Metern, das Ziel schon vor Augen, ihr Schiff versenkten. Das wäre wohl äußerst ärgerlich gewesen.

Jetzt, wo die Wirkung der seltsamen Pilze endlich nachgelassen hatte, und Kaalsen auch keinen Nachschub mehr bei sich trug um sich damit die Birne zuzudröhnen, war aus dem wirren Pferd ein zumindest annähernd aufmerksamer Ausguck geworden. Seine Fähigkeit, Kleinigkeiten schon aus großer Entfernung zu erkennen, zeichnete ihn wahrlich aus und machte ihn zu einer wertvollen Ergänzung der Crew.

Erren - SchattenspielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt