»Komm schon, es ist nicht mehr weit!«, wieherte Robin über die steile Klippe zu dem jungen, schwarzen Hengst herab, der nach einer guten Nachtruhe nun endlich den Aufstieg auf die Ebene wagte. »Du hast es fast geschafft!«
Skiggs Schnaufen war bis über die steile Klippe zu hören. Robin war sich nicht sicher, ob der Rappe wirklich eine so schlechte Kondition hatte oder ob es noch die Schwäche war, die in seinen Knochen saß. Er jedenfalls fühlte sich wieder quicklebendig. Aber dieses Pferd stellte sich beinahe an, als ob es noch nie auf Stein gelaufen war.
»Du musst auf die rauen Stellen treten, sonst rutschen deine Hufe ab!«
»Ja-ha! Das mache ich doch schon!«, kam prompt Skiggs pampiges Gemotze zurückgeschossen. »Ich bin nicht blöd! Außerdem erinnere ich mich nicht, dich um Hilfe gefragt zu haben, du Nervensäge!«
»Selber Nervensäge!«, Robin streckte dem Teenager frech die Zunge heraus. Sollte er doch selbst zusehen, wie er hier rauf kam. Er hatte doch nur helfen wollen. Scabor, der mit unter den Körper geklappten Pfoten dicht am Rand des Abgrunds lag, zuckte beim Gezeter des Rappen nur amüsiert mit den Ohren, gähnte und rollte sich schließlich zu einem Knäuel zusammen.
Das konnte länger dauern.
Als Skigg sich nach gefühlten Stunden sich endlich Huf für Huf über den Rand der Klippe schleppte, war er völlig nassgeschwitzt und außer Atem. Glücklicherweise brauchte es nur eine kurze Verschnaufpause, bis der Rappe wieder auf den Beinen war, um den Weg vorzugeben.
»Ich würde sagen, wir laufen erst mal an der Küste entlang«, schnaubte er entschlossen. »Zu Essen finden wir hier ja schließlich mehr als genug.«
»Aber sollten wir vielleicht nicht lieber dem Bachlauf folgen?«, entgegnete Robin mit verunsichert zurückgelegten Ohren, als er mit wenigen Galoppsprüngen zu dem älteren Pferd aufholte. »Wenn meine Eltern hier gestrandet sind, werden sie erst mal frisches Wasser brauchen. Und das Meerwasser ist ganz salzig.«
Skigg blieb stehen, stampfte mit einem Huf auf und stieß dabei einen äußerst genervten Seufzer aus.
»Ja, aber wir sehen ihr Schiff früher, wenn wir das Meer im Blick behalten.«
»Ja, aber was ist, wenn sie gar kein Schiff mehr haben? Weißt du, mein Vater sagt immer, dass Essen und Trinken in der Wildnis an erster Stelle kommen, auch, wenn man auf ein bestimmtes Ziel zugeht. Es kann sein, dass man Umwege machen muss, aber manchmal findet man sogar-«
»Möchtest du vielleicht vorgeben, wo wir hinsollen, Herr Eulefax?«, unterbrach Skigg Robin mitten im Satz. Genervt knirschte er mit den Zähnen, als Robin eifrig nickte, auch, wenn dem Fohlen nicht ganz klar war, was ein Eulefax war. Vermutlich nichts Nettes oder zumindest etwas, das mit einem Neunmalklug zu vergleichen war.
Seit Skigg aufgewacht war, war er wie ein genervter Wolf mit angelegten Ohren umhergewandert und hatte ständig nur herumgemeckert. Robin blieb bei seiner Meinung. Teenager waren einfach blöde.
»Lass uns bitte dem Wasserlauf folgen. So sind wir auf jeden Fall versorgt. Vielleicht finden wir auch andere Pferde, die den Bach zum Trinken benutzen und die können wir dann fragen, ob sie meine Eltern gesehen haben.«
Skigg rümpfte erst skeptisch die Nüstern, aber nach einer Weile des nachdenklichen Guckens, rollte er gespielt gleichgültig mit den Augen und schmatzte beiläufig.
»Mh, joa, das klingt einigermaßen plausibel. So hätte ich es auch gemacht.«
»Hättest du gar nicht!«, Robin schnaubte so trotzig, dass Wassertropfen aus seinen Nüstern flogen, denen Skigg angewidert auswich.
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Erren - Schattenspiel
FantasyACHTUNG: Diese Geschichte ist verfasst als eine Art Fabel, in der alle Hauptcharaktere als Pferde dargestellt sind.Ihr Verhalten ist jedoch soweit vermenschlicht, dass die Story jederzeit auf Menschen umgeschrieben werden kann. »Ich habe alles verl...