Kapitel 12 - Skigg

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Die Sonne näherte sich bereits wieder dem Horizont auf dem Meer. Robin hatte den Tag dafür genutzt, um für ein wenig Verpflegung zu sorgen, doch Skigg schien keine Anstalten zu machen, bald wieder zu erwachen. Jedenfalls schlief er noch immer, die Augen in den Schädel verdreht, wenn man seine Lider anhob.

Robin war ein wenig ratlos. Nachdem er mithilfe seines hündischen Freundes einen Berg frischen Grases und eine am Strand aufgelesene Kupferschale mit Wasser gefüllt hatte, hatte er den jungen Hengst am Strand den Rest des Tages mit Meerwasser kühl gehalten, damit er sich in der Mittagshitze keinen Sonnenstich holte. Er atmete noch. Das bedeutete, dass er noch immer lebte. Robin hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, wusste aber nicht, was er sonst noch tun konnte, um diesem Pferd zu helfen.

Außerdem fragte er sich, ob seine Eltern ebenfalls vom Schiff gefallen waren oder ob sie den Sturm unbeschadet überstanden hatten. Vielleicht würde sie das Meer ja auch hierher spülen?

In seiner Sehnsucht zeichnete das Fohlen mit den Hufen Linien und Striche in den Sand, während er wartete. Doch schon bald wurden aus den Linien und Strichen Figuren und aus den Figuren kleine Strichpferdchen. Erst ein großes, dann noch ein großes und schließlich ein kleines. Es dauerte eine Weile, bis er wirklich realisierte, was er soeben gezeichnet hatte. Doch schon beim Gedanken an seine Eltern spürte Robin, wie seine Nüstern zu kribbeln begannen und er konnte sich ein Schniefen nicht verkneifen.

Er vermisste seine Familie. Wann würde er sie wiedersehen? Was sollte er denn ohne sie tun? Er war doch noch so klein und brauchte jemanden, den er um Rat fragen konnte. Wie sollte er denn wissen, wie man manche Dinge machte, was er als nächstes tun sollte. Als eine kleine Träne vor ihm auf den Sand tropfte, ergänzte Scabor das Bild mit einer großen Wolfspfote, die die Zeichnung der kleinen Pferdefamilie wieder zerstörte. Aber die warme Zunge seines Freundes heiterte Robin wieder ein wenig auf.

Was würde er nur dafür geben, sich jetzt an seine Maa zu kuscheln und den Erzählungen seines Vaters zu lauschen? Er war noch nie so lange von ihnen getrennt gewesen. War es normal, dass er solche Angst hatte, wenn sie nicht da waren? Er war doch kein Angsthase! Aber wie sollte er hier in dieser Bucht alleine überleben? Was war, wenn Skigg nicht mehr aufwachte?

Außerdem wurde es langsam bitterkalt zwischen den Felsen, als strammer Wind von der See her gen Festland wehte und das Meer aufraute.

Hoffentlich wurden die Wellen nicht noch höher, sonst würden sie Skigg erfassen und zurück ins Meer ziehen. Und in seinem Zustand würde er sicher nicht die Kraft haben, gegen die Strömung anzuschwimmen, falls er überhaupt bemerkte, dass die Flut ihn erfasste. Und dann würde er jämmerlich ertrinken.

Als es langsam dunkel wurde, entschloss der kleine Hengst sich dazu, es auf eine andere Art zu versuchen.

Mit furchtbar schlechtem Gewissen trat er näher, setzte sich leicht auf die Hinterhand und stellte seine Vorderhufe auf dem Körper des Rappen ab, ehe er wild an ihm zu rütteln begann.

»Skigg!«, rief er. »He, wach auf!«

Und tatsächlich. Er murrte, kniff die Augen zusammen und schmatzte. Seine vor Durst geschwollene Zunge war voller Sand, der laut hörbar zwischen seinen Zähnen knirschte.

»Lass mich sterben«, schnaubte er schwach. Robin rümpfte verwirrt die Nüstern.

»Nix da! Du bist zu jung zum Sterben!«, wieherte er energisch. »Und du hast lange genug geschlafen! Jetzt steh endlich auf!«

Skigg stöhnte, völlig entkräftet, dann rollte er sich mühsam auf den Bauch. Seinen Kopf anzuheben, dafür reichte seine Kraft noch nicht, also stützte der Rappe sich mit den Nüstern erschöpft im Sand ab, was äußerst unangenehm sein musste, wenn man bedachte, dass der Sand sich zwischen den Zähnen wie Schmirgelpapier anfühlen musste.

Erren - SchattenspielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt