Kapitel 9 - Die Lage spitzt sich zu

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Die Sonne schien und der Himmel war wolkenlos, als Erren, gefolgt von Robin, nach verdienter Ruhe wieder das Deck betrat.

Noch trieb das Schiff ruhig im Rückenwind, doch hin und wieder erschütterte eine höhere Welle den hölzernen Untergrund unter den Hufen der Pferde.

Robin trat zur Seite, als Tukk sich neben ihn drängte.

»Wat ne Wucht, so ne Wonne hatte ich schon lang nich mehr auf ner Reise«, das Schnauben des Kapitäns ließ Erren aufhorchen. Tukk hatte ein Auge leicht zusammengekniffen, als er in die Ferne blickte, um besser erkennen zu können, wie weit die Piraten entfernt waren, die ihnen offensichtlich immer noch folgten.

»Mordecai?«, fragte der goldene Hengst. Tukk nickte. Robin blickte neugierig zum Schiff mit der dunklen Flagge. Wollte der Kapitän wirklich in den Osten weitersegeln? Wie aufregend! Das war fast wie eines der Abenteuer, von dem seine Mutter ihm immer erzählt hatte! Von Robinson Criollo, der nach einem Schiffsunglück auf einer einsamen Insel gestrandet war und dort achtundzwanzig Jahre, gejagt von gefährlichen Kannibalen gelebt hatte!

Hoffentlich geschah ihnen so etwas nicht. Robin glaubte nicht, dass er es alleine mit Bären und Wölfen und Kannibalen aufnehmen können würde. Herausfinden wollte er es auch nicht unbedingt. Alleine der Gedanke jagte ihm einen Schauer über den Widerrist. Er war schließlich noch ein Fohlen.

Ein Bellen holte ihn aus seinen Gedanken zurück. Scabor hatte sich fest an ihn geschmiegt und Robin kicherte, als der große, Wolfhund ihm das Kinn leckte, um ihn zu beruhigen. Er hatte vermutlich gespürt, dass das junge Fohlen sich fürchtete.

»Nix, wofür die Brunhilde nicht gerüstet wär. Wir haben das beste Schiff der nördlichen Meere unter unseren Hufen. Was soll schon schiefgehen?«, schnaubte der Käpt'n nur. Er schien relativ gefasst zu sein.

Auch Erren wendete nun den Blick, um nach den Piraten Ausschau zu halten. Mordecai saß ihnen immer noch dicht auf der Hinterhand. Er war sogar noch näher, als vor einigen Stunden.

Das war gar nicht gut. Die Piraten näherten sich zwar langsam, aber immer noch schnell genug, um sie in wenigen Tagen eingeholt zu haben. Wie Wölfe trieben sie ihre Beute vor sich her in diesen unbekannten Gewässern.

Waren sie nur hier, um sich an Tukk zu rächen, oder waren sie immer noch auf der Jagd nach ihm? Wie viel Geld hatte ihr Auftraggeber ihnen geboten, um ihn unter solch riskanten Umständen einzufangen? Was es auch war, es musste sich lohnen, wenn sie so hartnäckig blieben.

Auch Räuber wussten, wann das Risiko den Lohn überstieg und wann es sinnvoll war, eine Jagd aufzugeben. Der Bande wegen. Es ging schließlich oftmals um Leben und Tod. Und kein Toter hatte jemals etwas mit einem Goldschatz anfangen können.

Und wenn ein Pferd zu lange alleine blieb, dann starb seine Seele. Darum gab es kaum ein Pferd auf der Welt, das sein eigenes Glück vor das Schicksal seiner Herde stellte.

»Und nun?«, fragte Erren. Tukk wendete den Blick vom Himmel, dann legte er ein Ohr zur Seite und schmunzelte.

»Willste noch ins Unbekannte?«

Erren zögerte, nickte dann aber ebenfalls.

»Dann mal ran an die Segel! Es wird 'ne anstrengende Reise werden, aber du schaust mir wie'n strammer Hengst aus, min Jung. Mit der Aussicht von Achtern, können wir jeden Hengst gebrauchen.«

Mit diesen Worten verschwand das Pony in Richtung Steuerdeck. Erren öffnete den Mund, um ihm etwas nachzurufen, doch da grollte auch schon ein Donner in der Ferne.

Die unfreiwillige Crew wirkte beunruhigt. Mats war nur noch mit angelegten Ohren anzutreffen und Val und Tor versuchten sich inzwischen mit ihrem Zwillingstrick vor der Bordarbeit zu drücken. Dass Tukk Val mit einem Stück Kreide einen weißen Strick ans Hinterbein gemalt hatte, war allerdings noch keinem von ihnen aufgefallen. Und so hatten sie schlechte Karten, wenn es ums Drücken ging.

Erren - SchattenspielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt