Kapitel 11 - Gestrandet

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Das Rauschen der Wellen war wie ein Rhythmus, zu dem der Meerschaum tanzte, als das salzige Wasser über den Sand der Küste leckte. Sand wirbelte auf und legte sich, umspülte Steine und Seegräser und schwemmte jede Menge Treibholz ans Festland.

Planken, Fässer, Segelfetzen trieben auf der See und blieben schließlich auf dem fremden Sandstrand liegen, wo sie darauf warteten, von einem neugierigen Entdecker gefunden zu werden.

Doch zwischen den Trümmern des Piratenschiffes erhob sich weiß-graues Fell aus den Fluten. Scabor, der Wolfhund zerrte keuchend einen leblosen Körper an Land. Seine Instinkte hatten ihm befohlen zu schwimmen und genau das hatte er getan. Er hatte seinen Jungen sicher ans Festland gebracht. Tagelang hatten Robin und er sich an ein Floß aus Trümmerteilen des Piratenschiffes geklammert. Am dritten Tag hatte das Fohlen schließlich das Bewusstsein verloren. Und nun waren sie hier. Scabor spürte, dass noch Leben in seinem Freund war, also zögerte er nicht, ihn mit letzter Kraft an Land zu zerren. Hier, im weichen Sand würde er sicher bald wieder zu Bewusstsein kommen. Seine feine Nase konnte Wasser riechen. Nicht das salzige Meerwasser, sondern frisches, süßes, trinkbares.

Hastig eilte er davon, als er Robin aus den Wellen gebracht hatte und ließ sich von seiner Nase leiten. Hechelnd erklomm er eine steile Klippe, die ihn auf eine grüne, grasbewachsene Ebene brachte. Dort, plätschernd und gurgelnd, floss ein kleiner Bach aus klarem Wasser, an dem er seinen Durst stillte. Dann sprang er hinein und ließ sich sein Fell mit Wasser vollsaugen. Als er danach die Klippe wieder hinunterkraxelte und Robin das Gesicht leckte, erwachte das Fohlen langsam aus seinem Erschöpfungsschlaf. Wasser tropfte ihm aus dem Fell des Wolfhundes ins Gesicht und als das Fohlen bemerkte, dass es nicht salzig war, begann er eifrig, die Wassertropfen aufzulecken, die aus dem Fell rannen.

In jeder anderen Situation hätte das Fohlen angewidert die Nase gerümpft. Er wusste schließlich, worin sich sein pelziger Freund hin und wieder wälzte. Aber jetzt er hatte solchen Durst, dass er keine Fragen stellte. Er musste überleben.

»Feiner Hund«, keuchte er schwach, als kein Wasser mehr aus Scabors Fell zu holen war. »Wo sind wir hier?«

Als das Fohlen sich mit weiten, salz- und sandverkrusteten Augen umblickte, konnte er nichts erkennen, das ihm bekannt war. Es war wärmer, als in Sjørgren, soviel stand fest. Und die Klippen, die sich vor ihm auftürmten waren viel steiler, als die Fjordberge in Fjellland und das musste etwas heißen.

Auch die Farben des Gesteins waren ganz anders, als zuhause. Schwarzer Schiefer bröselte von den steilen Felswänden ab, an deren oberem Ende saftiges Gras wuchs. Robin lief beim bloßen Anblick das Wasser im Maul zusammen.

Angewidert spuckte er etwas Sand aus, der sich in sein Maul gemogelt hatte und schüttelte seinen Hals.

Sein Magen knurrte schrecklich. Er musste etwas essen und noch mehr Wasser trinken, um zu Kräften zu kommen. Dann würde er versuchen, sich zu orientieren. Wo auch immer er sein mochte.

Aber wo waren seine Eltern?

»Maa?«, rief er verwirrt. »Paa?«

Als er keine Antwort erhielt, überkam ihn die blanke Angst. War er etwa alleine hier? Nein, er hatte zumindest Scabor bei sich. Ohne die Instinkte seines wölfischen Freundes hätte er sicher nicht überlebt. Er würde seine Eltern schon finden. Sie würden nach ihm suchen, da war er sich sicher.

Vorsichtig nahm das Fohlen mit den Lippen etwas Seegras auf und kostete. Es schmeckte salzig, aber gar nicht so schlecht. Es würde ihn auf jeden Fall stärken, sodass er genug Kraft hatte, um den Aufstieg auf die Klippe in Angriff zu nehmen.

Und tatsächlich wagte der junge Hengst es schon wenige Minuten später, seine Hufe auf das bröselige Gestein zu setzen. Einen anderen Weg aus der Bucht hinaus gab es nicht. Zumindest hatte er keinen gesehen.

Erren - SchattenspielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt