Der Damm brach.

212 12 3
                                    

Früher in der Grundschule, da hatten wir mal so in Religion ein Zettel bekommen, auf dem stand dass wir uns selbst lieben sollten, und das jeder Mensch besonders ist und so n Scheiß. Ich war nicht selbstverliebt, aber ich mochte mich so wie ich war, wäre ja auch schlimm wenn nicht. Und da, auf dem Hotelflur vor meinem Zimmer, da gab es keine Person die ich mehr hasste als mich selbst. Ich war das Gegenteil von 'Vorbild'. Es fiel mir schwer JJ wegzudrücken, da es ihm anscheinend gefiel, aber ich tat es.
"Es tut mir Leid", er machte einen empörten Ausdruck, und bewegte sich langsam von mir weg.
"Joseph..", flüsterte ich zittrig.
"Nein ich meins ernst, es tut mir leid, das war dumm von mir. Ich bin leichtsinnig und naiv, es tut mir leid. Ich fahr jetzt nach Hause, angenehme Nacht", und ich sah ihn den Flur runterlaufen, bis er schließlich weg war. Meine Augen füllten sich mit Tränen, die zum Ausbrechen drohten. Ich sah auf meine Hände. Ich hatte heute keinen Kaffee getrunken, es war meine Angst die meine Hände so zittern ließ. Die Angst ihn zu verlieren, wenn er es rausfinden würde. Kian, meine ich. Aber er würde es nicht rausfinden, ich würde es ihm sagen. Schnell lief ich in die Lobby zurück, und strich die Nacht in meinem Zimmer. Erst wollt' ich auch die von JJ streichen, aber die Angestellte sagte mir, er habe sie bereits gestrichen. Während ich mir ein Taxi rief und einstieg machte ich mir um einiges Gedanken. Wie es mit mir und Kian weitergehen würde, nachdem ich es ihm gesagt hatte. Ob JJ mich für immer hassen würde. Ob Kian mich verstehen würde. Ob ich noch weitere Momente meines Lebens mit ihm teilen würde. Ob meine Wimperntusche verlaufen war, weil ich so weinte. Ob der Taxifahrer mich weiterhin durch seinen Spiegel beobachten würde. Ob ich des Lebens wert war. Ob ich es Kian wert war.
Ich bezahlte den Taxifahrer und bedankte mich. Er hatte mich vor meinem Haus rausgelassen, aber ich ging zu Kian. Da ich keinen Schlüssel oder sonstiges hatte, kletterte ich in meinem Kleid, auf einem Baum der direkt an Kians Fenster stand. Mein Kleid riss ein wenig, aber es war mir egal. Ich schob sein Fenster auf, und stieg ins Zimmer. Und dann sah ich, wie friedlich er dort lag. So friedlich und schön. Und ich würde ihn diesen Schlaf rauben. Würde seine Träume zerreißen. Würde er weinen? Ich wusste es nicht. Für paar Minuten stand ich dort, und beobachtete ihn still und ruhig, alleine. Ich weinte weiterhin, aber ohne Geräusche zu machen. Dann überlegte ich wieder, ob ich es ihm wirklich sagen sollte. Jetzt. Mitten in der Nacht. Jetzt, wo er so schön träumte. Ich würde alles zerstören. Andererseits, wenn JJ so scheiße war und es ihm erzählen würde, wäre er super sauer, weil ich es ihm nicht gesagt hätte. Die Qual der Wahl. Etwas riss mich aus meinem Gedanken, es war das Licht. Nicht das Licht das man anscheinend sieht wenn man stirbt oder so, sondern das Licht, auf seinem Schreibtisch.
"Sophie? Was machst du hier, bae? Und warum weinst du?", sein Blick war geschockt und wanderte von meinen weinenden Augen, runter zu meinem rissigen Kleid.
'Sag ich es ihm jetzt, oder nicht?'
Mein einziger Gedanke, zu dem Zeitpunkt.
"Kian.."
"Was ist denn los, hm?", oberkörperfrei stieg er aus seinem Bett und schloss mich in seine Arme.
"Ich hab etwas schlimmes getan."
Der Damm in meinen Augen brach völlig, und die ganzen Tränen suchten Zuflucht auf meinen Wangen.
"Honey, es ist alles okay", sagte er beruhigend.
Ich drückte ihn weg, und wollte es ihm gerade sagen, als er plötzlich weiter redete.
"JJ war kurz bevor du rein geklettert kamst, hier. Er erzählte mir alles, wie du ihn versucht hast zu trösten und so. Und auch warum er getröstet werden musste. Und dass ihr dann einen Trinken wart, und alles so schnell kam und so. Zum Schluss sagte er es sei nicht deine Schuld."
"Bist du sauer?", ich näherte mich wieder seiner Brust.
"Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich kein Stück sauer bin. Ein wenig vielleicht. Aber das Gute an der Sache ist, dass ich weiß, dass du mich nie anlügen würdest. Wie lang ist es her dass es passiert ist? Vielleicht ne halbe Stunde? Und du stehst schon jetzt in meinem Zimmer und wolltest es mir erzählen. Ich hab Vertrauen zu dir, Soph."
Ich war beruhigt, aber noch stehts hasste ich mich. Er legte seine Arme und mich und legte sich stumpf mit mir hin. Ich, vollgeheult, hässlich, zerissenes Kleid, des Sterbens würdig, etc. Er schlief gleich ein, und bei mir dauerte es etwas da ich noch alles von heute verarbeiteten musste.
Ich hörte sein Herz regelmäßig schlagen, seine Lungen regelmäßig atmen. Ich bin eigentlich froh dass er so locker reagiert hat, obwohl mir etwas mulmig dabei war, weil es fast schon komisch war. Aber irgendwann fielen auch meine Augen zu.

Meet Kian & JcWo Geschichten leben. Entdecke jetzt