Kapitel 10

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Harley folgte meiner Aufforderung ohne jegliche Gegenwehr. Mein Blick richtete sich nochmal kurz zurück und ich sah, dass unsere Verfolger ebenfalls zum Sprint angesetzt hatten. Harley, den ich inzwischen losgelassen hatte, versuchte mein Tempo zu halten, während wir uns durch die Menschenmassen drängten. Hier und da mussten wir die Leute beiseite drücken, was mit bösen Blicken oder einer Schimpftriade belohnt wurde. Da wir quasi den Weg für unsere Verfolger freimachten, waren sie uns schon dicht auf den Fersen.

Ich wollte mein Tempo gerade erhöhen, als ein Aufschrei mich davon abhielt. Ich riss meinen Kopf förmlich zu Harley herum. Einer hatte ihn scheinbar zu fassen bekommen. Er versuchte sich mit Tritten und Schlägen aus dem Griff zu winden, doch ohne Erfolg. Ohne darüber nachzudenken, machte ich kehrt, packte meinen Rucksack und schleuderte diesen mit voller Wucht gegen den Angreifer. Dieser traf ihn mitten im Gesicht und er taumelte verwirrt zurück. Mittlerweile war ich zu Harley gelangt und holte den zweiten, der völlig Überrascht seinen Kumpel anstarrte, mit einem gezielten Tritt gegen seine Beine auf den Boden. Anschließend verpasste ich ihm noch einen Faustschlag gegen den Kopf und er blieb reglos am Boden liegen.

Der andere hatte sich Währenddessen wieder gefangen und stampfte wütend auf mich zu. Die Faust schon gefährlich erhoben, wollte er zum Schlag ausholen. Harley hatte sich meinen Rucksack gegriffen und holte mit diesem ebenfalls aus. Er schlug dem Angreifer den Rucksack von hinten über den Schädel. Er schwankte überrascht noch vorn und ich packte im selben Moment seinen Kragen. Seinen Schwung nutzte ich aus um ihn mit einem Schulterwurf, auf den Boden zu befördern.

Harley schmiss mir meinen Rucksack entgegen und schon rannten wir weiter. Durch die kleine Auseinandersetzung, hatten wir zumindest jetzt mehr Platz und etwas Zeit gewonnen, was allerdings nicht lang währte.

Die Straße in die wir als nächstes einbogen, war der Broadway. Um diese Zeit, war hier die Hölle los. Aber einfach in der Masse untertauchen war leider keine Optionen. Die zahlreichen Reklametafeln mit ihren unzähligen Lichtquellen erhellten die gesamte Straße und ließen die angebrochen Nacht nicht mehr ansatzweise erkennen. Und bot uns somit nur wenig Schutz. Zudem würden viele Unschuldige mit reingezogen werden.

„So wird das nichts“, ertönte plötzlich Harley‘s gehetzte Stimme neben mir. „Hier lang!“

Er griff nach meinem Handgelenk und zog mich einfach hinter sich her. Wir rannten zu einem Zugang zur U-Bahn, wo uns schon unzählige Menschen entgegen strömten. Das war definitiv ein gutes Zeichen. Wir sprangen förmlich die Stufen hinab, um noch einen Wagen zu bekommen. Und tatsächlich stand die Subway noch da. Wir erhöhten abermals unser Tempo und schafften es, völlig außer Atem, gerade noch rechtzeitig hinein bevor sich die Türen schlossen. Wir schauten nochmal zurück auf den Bahnsteig und sahen einen unserer Verfolger, der es anscheinend nochmal auf die Beine geschafft hatte. Mit den Armen wild gestikulierend, lies er seiner Wut freien Lauf.

Doch richtig Aufatmen ging leider nicht. Dieser Wagen war völlig überfüllt, was dazu führte, dass Harley dicht vor mir stand. Unsere Oberkörper berührten sich und sein Gesicht war direkt vor meinem. Sein Atem streifte mein Gesicht bei jedem Atemzug. Wir schauten uns direkt in die Augen und mir war die Situation mehr als unangenehm. Denn ich fühlte mich plötzlich in die Situation mit Mr. Stark zurückversetzt. Allein der Gedanke daran ließ mein Herz schneller schlagen und ich schaute verlegen zu Boden.

An der nächsten Haltestelle betraten gefühlt mehr Leute die Bahn, als diese verlassen hatten. Was dazu führte, dass Harley noch näher an mich gepresst wurde. Im letzten Moment hatte er seinen Kopf zur Seite geneigt und befand sich direkt neben meinem. Von der Jagt gezeichnet war seine Atmung noch immer beschleunigt. Jedes Mal wenn er ausatmete, streifte mir ein warmer Lufthauch meinen Hals und ließ mich erzittern.

„Sorry, Peter“, hauchte mir Harley direkt ins Ohr und ich konnte einen leisen Seufzer nicht verhindern.

Meine Hoffnung, dass Harley es nicht mitbekam, wurde schnell begraben, als er mich fragte ob bei mir alles in Ordnung sei. Ich versteifte mich noch mehr und konnte einfach nichts auf seine Frage erwidern. Zu viel Angst hatte ich davor, dass meine Stimme meine jetzige Gefühlslage verraten würde. An der nächsten Haltestelle verließen ein Großteil der Leute die Bahn und Harley rückte von mir ab und ich konnte endlich richtig durchatmen. Langsam hob ich meinen Blick und schaute in sein belustigtes Gesicht.

„War dir das so unangenehm?“, fragte er mich und ein schelmisches Grinsen legte sich auf seine Lippen.

Ich schüttelte so heftig mit dem Kopf, was sein Grinsen nur breiter werden ließ. Als mir dessen bewusst wurde, schoss mir augenblicklich die röte ins Gesicht und Harley lachte nun auf. Diese ganze Situation war mir so unsagbar peinlich und ich schaute zurück nach unten. Da bemerkte ich, dass er mein Handgelenk noch immer umgriffen hatte.

„Könntest du bitte meine Hand loslassen?“

Er schaute ebenfalls nach unten und sein Blick veränderte sich von belustigt zu besorgt. Augenblicklich ließ er mich los. Am nächsten Haltepunkt verließen auch wir die U-Bahn. Wir waren uns sicher, dass uns niemand gefolgt war. Harley legte eine Hand auf meinen Rücken und dirigierte mich in eine ruhige Ecke des Bahnhofs. Wahrscheinlich hatte er Angst, ich würde gleich abhauen wollen. Er nahm wieder meine Hand und schob meinen Ärmel nach oben.

„Das sieht gar nicht gut aus“, stellte er fest. „Das muss doch richtig weh tun. Warum hast du nichts gesagt?“

Das Gelenk leuchtete schon in allen erdenklichen Farben und ließ mich schwer schlucken.

„Muss das Adrenalin sein, hab es gar nicht bemerkt“, gab ich fast wahrheitsgemäß zurück und entzog mich seinem Griff.

„Du solltest damit auf jeden Fall zum Arzt!“ Besorgt musterte er mich, aber ich verneinte.

„Wir können auch zu Stark…“, sprach Harley weiter, doch ich unterbrach ihn sofort mit einem überdeutlichem ‚Nein‘.

Mr. Stark war in diesem Moment die letzte Person die ich sehen wollte. Ich ließ mich auf eine Bank nieder und schaute zu ihm herauf. Die Verwirrung stand Harley deutlich im Gesicht geschrieben.

„Was wolltest du eigentlich in diesem Lokal?“ Wechselte ich schnell das Thema.

„Ich hab dich gesehen, wie du aus dem Tower gerannt bist“, antwortete er und setzte sich neben mich. „Du sahst verwirrt und irgendwie auch panisch aus.“

Seine Gesichtszüge wurden mit einem Mal ernster. Er musterte mich und sein intensiver Blick ließ mich unruhig werden. Um diesem zu entgehen, schaute ich auf den Boden. Harley setzte sich neben mich und sprach im ruhigen Ton weiter: „Ich bin dir dann einfach gefolgt, was nicht so einfach war, da du ein ganz schönes Tempo drauf hattest. Warum bist du gerannt, als wäre der Teufel hinter dir her?“

„Ich war bei Mr. Stark“, brachte ich leise heraus und lehnte mich zurück.

Ich schaute auf meine Hände die auf meinem Schoß lagen und spielte Nervös mit meinen Fingern herum. Der Gedanke, er könnte aus meinem Gesicht lesen was wirklich los war, machte mir Angst.

„Gestern hast du geweint und heute flüchtest du vor ihm, dazu das strikte ablehnen zu ihm zu gehen. Was hat Tony gemacht?“

Bei der Frage tauchte augenblicklich das Gesicht von Mr. Stark vor mit auf und mein eigenes fing an zu glühen. Harley schaute mich erwartungsvoll von der Seite an und als ich mein Gesicht leicht zu ihm drehte, weiteten sich seine Augen: „Sag bloß, Tony hat…“

Doch bevor er es aussprechen konnte, fiel ich ihm empört ins Wort: „Was?! Nein, sowas würde er… niemals …“

Meine Stimme wurde mit jedem Wort leiser und ich hatte das Gefühl, auf meinem Gesicht könnte man Spiegeleier braten.

„War nur ein Scherz“, über Harleys Gesicht legte sich ein schelmisches Grinsen. „Du bist echt süß, wenn du rot wirst.“

Diese Bemerkung ließ mein Herz höher schlagen. Warum konnte ich mir nicht erklären. Doch ich konnte seinem Blick nicht länger standhalten und schaute verlegen auf meine Hände zurück.

„Auch wenn ich unser kleines Abenteuer sehr genossen habe, wird es langsam Zeit für mich.“ Harley stand auf und streckte sich.

Er drehte sich zu mir und hielt mir seine Hand entgegen. Ich ergriff diese und schon wurde ich nach oben gezogen und landete direkt in einer Umarmung.

„Aber jetzt mal ernsthaft, wenn du irgendwelche Probleme hast, dann kannst du jederzeit zu mir kommen“, sagte er und rückte etwas von mir ab. „Oder zu Stark.“

„Danke, aber es ist alles in Ordnung“, versuchte ich ihm zu versichern.

„Das Angebot steht. Du findest mich jeder Zeit im Avengers-Tower“, sagte er zum Abschied und machte sich schon auf dem Weg zum Ausgang.

„Wieso Avengers-Tower?“, rief ich ihm irritiert nach.

Harley blieb kurz stehen und drehte sich zu mir herum: „Ich komme aus Tennessee. Und solange das Praktikum läuft, darf ich bei Tony wohnen.“

Er hob die Hand und lief anschließend weiter und ließ mich völlig verdutzt zurück. Allein der Gedanke, dass Harley mit Mr. Stark, in einer Wohnung lebte, verpasste mir einen stechenden Schmerz in der Brust. Und irgendwie machte mich dieser Gedanke auch wütend. Genauso wie die Tatsache, dass Harley scheinbar das Praktikum bekommen hatte.

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Hallo Leute,

Kapitel 10 ist da und ich hätte es nicht erwartet, dass ich überhaupt so viele Kapitel schreiben würde. Und das verdanke ich nur euch, da ihr diese Geschichte lest.

Deswegen auch nochmal ein großes Dankeschön an alle Leser/-innen.

Bis zum nächsten Kapitel
Eure Bake-Neko

Rise of Spider-ManWo Geschichten leben. Entdecke jetzt