Internat

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Am Nachmittag war ich von meinem Zimmer ins Wohnzimmer umgezogen. Unter einer dicken Decke vergraben und einem großen Eis in der Hand, schaute ich meine Lieblingsserie zum x-ten mal an.
„Ava, kommst du mal?“, erklang die Stimme meiner Mama aus der Küche.
Seufzend schaltete ich die Serie aus und setzte meine Sonnenbrille auf. Zum Film gucken, setze ich sie immer ab, um besser zu sehen. Deswegen hatte mich Ben auch nie ins Kino eingeladen. Mist, schon wieder Ben… Warum dachte ich eigentlich ständig an diesen Idioten, wenn ich doch wusste, wie weh es tat?
In der Küche angekommen, hielt Papa mit stumm eine Packung Taschentücher hin. Ich nahm sie an und setzte die Brille ab, um mir die Tränen abzuwischen und die Nase zu putzen.
Mama setzte sich mir gegenüber an den Küchentisch. So ernst hatten mich die Beiden schon lange nicht mehr angesehen. Ich schluckte hart.
„Was gibt es?“
„Gerade hat Farryn bei mir angerufen“, begann mein Papa.
„Das Ratsmitglied, an dass uns Mrs. Jacobsen vermittelt hat?“, fragte ich.
Mama nickte.
Mrs. Jacobsen war damals der Meinung gewesen, dass sie nicht sonderlich gut erklären konnte, wie man sich verwandelte. Deswegen hatte sie uns die Nummer eines Ratsmitgliedes gegeben, der sich auf Verwandlung spezialisiert hatte.
Farryn war uns ein paar Mal aus Florida besuchen gekommen und hatte dann intensiv mit mir das Verwandeln geübt. Später hatte er sich nur noch auf das Anrufen beschränkt und inzwischen meldete ich mich nur noch gelegentlich, wenn ich einen Rat brauchte.
„Was war nochmal dieser Rat?“, fragte ich meine Eltern vorsichtig.
„Ein Zusammenschluss aus gut integrierten Wandlern, die sich um die Sicherheit von Wood- und Seawalkern kümmern“, erklärte Papa geduldig.
Ich nickte.
„Er hat mir erzählt, dass vor einiger Zeit eine Schule für Seawalker eröffnet wurde“, erzählte mein Papa.
Fasziniert starrte ich ihn an. „Eine ganze Schule nur mit Wandlern?“
Papa nickte. „Er wollte sich wohl ursprünglich schon früher bei uns melden, aber dann kamen einige Sachen dazwischen. Jetzt fragt er, ob du gerne auf diese Schule wechseln möchtest. Er ist dort Lehrer in Verwandlung, Mathe, Physik und Spanisch. Es ist noch eine recht kleine Schule, aber du könntest sofort wechseln.“
Ich starrte meine Eltern an. Ich sollte auf eine Schule nur mit Seawalkern gehen? Wo doch die meisten bestimmt Angst vor mir haben würden?
„Aber… hat Farryn sich das auch gut überlegt. Ich bin ja nicht gerade harmlos“, stotterte ich.
Jetzt mischte sich Mama ein: „Er meinte, sie hätte da bereits andere Raubtiere. Zum Beispiel einen Tigerhai und einen Orca.“
Ich schluckte. „Wollt ihr, dass ich dort hingehen?“
„Nun…“, Papa tauschte einen Blick mit Mama, „Du wärst dort sehr willkommen. Dort würdest du viel über Wandler, ihre Geschichte und deine Tierart lernen. Außerdem tut es dir vielleicht gut, etwas Abstand von Kalifornien zu bekommen…“
„Moment Mal? Von Kalifornien?! Wo ist denn diese Schule?“, unterbrach ich Papa erschrocken.
„In Florida“, erzählte meine Mama, „Aber die Schule soll wirklich schön sein, es kommen Schüler aus ganz Nordamerika und wir könnte sie uns ja erstmal ansehen.“
Ich betrachtete meine Eltern skeptisch. „Ihr habt schon einen Flug gebucht, stimmt´s?“
„Das ist eine einmalige Möglichkeit“, erklärte Papa.
„Wir sehen sie uns nur an. Und wenn sie dir nicht gefällt, dann musst du dort nicht bleiben, okay?“, fragte Mama.
„Okay“, murmelte ich.
„Der Flug geht morgen früh, also…“
„Ich geh schon packen“, versprach ich meinen Eltern.

„Sei mit mir frei", sprach der Seelöwe
 
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