Am nächsten Morgen weckte mich lautes Geschrei. Ich öffnete verschlafen die Augen und blickte mich im Zimmer um.
„Was ist denn hier los?“, fragte ich verwirrt.
Izzy stand in der Mitte unseres Zimmers und blickte vorwurfsvoll zu mir hoch.
„Das müsste ich eigentlich dich fragen. Was ist denn gestern passiert?“
Da ich immer noch nicht verstand, was Izzy meinte, kletterte ich erstmal vom Hochbett herunter.
Izzy zeigte auf den Boden. „Was ist das?!“
Ich blickte nach unten und musste lachen. „Das sind meine Haare“
„Und was machen die hier?“
Ich musste gähnen, wie früh war es eigentlich?
„Die haben Chris und ich wohl gestern nicht mehr weggeräumt, tut mir leid, wenn es dich erschreckt hat“, murmelte ich dann schuldbewusst.
In unserem Zimmer sah es schlimm aus. Überall lagen meine langen Haarsträhnen herum, als hätte jemand versucht ein sehr haariges Tier zu fangen.
Izzy nickte nur, dann ruckte plötzlich ihr Kopf zu mir. Mit großen Augen sah sie mich an.
Ich lächelte zurück. Anscheinend hatte Izzy eben erst meine Aussage verstanden.
„Die sind so kurz“, meinte Izzy auch schon ungläubig.
Ich zuckte nur mit den Schultern. „Aber ich mag sie so lieber“
Izzy musste grinsen. „Und etwas schief. War das wirklich Chris?“
Ich nickte und grinste zurück. „Ja“, dann streckte ich mich ausgiebig, bevor ich hinzufügte, „So, jetzt räume ich hier erstmal auf. Gehen wir danach frühstücken?“
Izzy schüttelte den Kopf. „Es ist halb acht an einem Samstag Ava. Da gehe ich doch nicht frühstücken. Ich gehe jetzt ins Bad und dann zurück ins Bett.“
Und schwupps, schon war sie nach draußen verschwunden.
Ich verdrehte die Augen. Mich aufwecken und dann selbst nochmal hinlegen. Naja, jetzt war ich zu wach zum Schlafen.
Also holte ich mir aus einer der Abstellkammern einen Besen, ein Kehrblech und einen Eimer und fing an meine Haare zusammenzukehren.
Izzy warf mir nur einen kurzen Blick zu, als sie vom Bad zurückkam, und kroch wieder unter die Decke.
Ich bemühte mich leise zu machen. Schließlich hatte ich alle Haare im Eimer. Ich trug die Sachen nach draußen und betrat die Schule.
Zuerst brachte ich Besen und Kehrblech weg, dann wollte ich die Haare im Abfalleimer entsorgen. Um von der Abstellkammer dorthin zu gelangen, musste man durch die Cafeteria und den Vordereingang nach draußen. Ich schob meine Brille kurz zurecht dann betrat ich den Essensraum.Es war inzwischen kurz nach acht und die warmen Sonnenstrahlen fluteten die Cafeteria mit ihrem Licht. Ich watete durch das lauwarme Wasser in Richtung Vordereingang und achtete dabei nicht auf meine Umgebung.
„AVA?!“, der geschockte und zugleich so vertraute Ausruf ließ mich erstarren.
Ich hob den Kopf und blickte zu dem Jungen hinüber.
„Ben“, flüsterte ich erschrocken.
Ben lächelte mich auf seine ganz eigene süße Art und Weise an.
„Ich wusste gar nicht, dass du auch hier zur Schule gehst, Ava“, meinte er dann.
Ich konnte mich nicht zu einem Lächeln durchringen.
„Erst seit unserer Trennung. Was machst du hier?“
„Ich sehe mir die Schule an. Ob ich hier eventuell auch hingehen will.“
Ich nickte und versuchte um meinen ehemaligen Freund herumzugehen.
Er schob sich mir eilig in den Weg.
„Hey, ähm… Ava, es tut mir leid. Also, dass mit Lisa. Wenn du willst, können wir wieder zusammen sein“, er stotterte beim Reden etwas.
Ich blickte diesen Jungen vor mir an. Klein, rothaarig und braune Sommersprossen. Es stand Angst in seinen Augen.
„Mein Aussehen…“
„Dein Aussehen lässt sich ja ändern“, fiel mir Ben ins Wort, „Und Haare wachsen wieder nach.“
„gefällt mir jetzt so“, beendete ich meinen Satz.
Bens Augen wurden größer.
Ich bemerkte, dass ich keine Angst mehr vor seiner Reaktion hatte. Es war ein ungewohntes Gefühl, so… befreiend.
„Ich mag mich so, Ben“, sagte ich und trat auf ihn zu.
Ben wich nicht vor mir zurück, aber sein Blick sprach Bände. Er mochte mich nicht, fand mich, so wie ich war, hässlich, beängstigend.
Ich atmete tief durch. „Ich habe dir vergeben Ben“, sagte ich und spürte im selben Moment, dass es wirklich so war, „Aber mit uns kann das nichts werden.“
„Aber“
„Ich verstelle mich nicht mehr für dich“, ich sah auf den Eimer in meiner Hand, „Hier, meine Haare fandest du doch immer so schön, du kannst sie behalten.“
Damit drückte ich Ben den Eimer in die Hand und ging weg.
An einem Tisch nahm ich meine Brille ab, und legte sie auf den Tisch.
Die brauchte ich nicht mehr.Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.
~Epheser 4, 32
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„Sei mit mir frei", sprach der Seelöwe
FanfictionNachdem Ava von ihrem Freund betrogen wurde, will sie nur eins: von vorne anfangen. Da kommt ihr die Chance auf die Clear Water High zu gehen gerade recht. Doch wie besiegt man die Ängste eines anderen, wenn es schon fast die eigenen geworden sind...