Wild Thing Party

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Als ich am Abend das Bootshaus betrat, war die Party bereits im vollen Gange. Die Band spielte, Juna verteilte ihre Muffins und die meisten Schüler tanzten.
Ich summte leise das Lied mit, welches Chris gerade sang, und suchte mir einen Platz am Rand des Schuppens. 
Lächelnd sah ich zu ihm nach oben. Chris stand immer als Sänger auf der Bühne, wenn die Schulband Auftritte hatte. Ich lehnte mich bequem an die Wand und sang mit: „I must confess that I feel like a monster!“
Dieser Song von Skillet würde wohl immer mein Lieblingssong bleiben. Seid wann spielte die Band das überhaupt? Ich blickte wieder auf die Bühne und sah, wie Chris mir zuzwinkerte. Ich musste schmunzeln. Hatte Chris das etwa extra vorgeschlagen? Wie lieb von ihm…
Die Schulband spielte noch eine ganze Weile weiter. In der Zwischenzeit aß ich mich durch den Buffettisch. Es war echt unglaublich, wie Juna und Olivia backen konnten! Natürlich ganz von unserem Koch Joshua abgesehen.
Ungefähr eine Stunde später war ich sehr satt. Als ich gerade überlegte, ob ich nicht doch lieber ins Bett gehen sollte, beendete die Schulband ihren Auftritt und Chris sprang die Bühne hinunter.
Jetzt legte Ralph Musik auf, sodass die meisten Leute gar nicht erst von der Tanzfläche kamen. Irgendwo in dem ganzen Trubel sah ich Izzy herumwirbeln und kurz glaubte ich auch Finnys blaue Haare zu sehen. 
Chris dagegen sah man an der Bühne leicht und ich entschied mich, zu ihm zu gehen.
Vorsichtig bewegte ich mich in die Menge aus tanzenden Leuten hinein und versuchte zu Chris zu gelangen. Leider war das nicht gerade leicht und ich schaffte es gerade so die ungefähre Richtung zu behalten. Chris stieß sich plötzlich vom Rand der Bühne ab, wo er während seines Gespräches mit Tiago gestanden hatte, und bewegte sich auf mich zu. Beinahe wäre ich verunsichert stehen geblieben, aber die tanzende Menge zwang einen, immer selbst in Bewegung zu bleiben. 
Chris und ich kamen beieinander an, beide in Bewegung beim Tanzen. Er lächelte mich an und griff nach meinen Händen, dann begann er sich wie wild im Takt zu bewegen. Ich musste lachen. Diese Art zu Tanzen passte zu Chris. Es war wild, schnell und irgendwie kurvenreich. Und ich ließ mich einfach mitziehen. Von einem Ende des Bootshauses zum anderen. Während wir so tanzten, schien die Welt still zu stehen. Ich war einfach glücklich, die Zeit mit meinem Freund verbringen zu können. Mich bewegen zu können. 
Nach einer Weile zog Chris mich aus dem Trubel der Tanzfläche heraus. Völlig außer Atem blickten wir uns an. Und dann hatte ich eine Idee. Eine wahnwitzige, verrückte, völlig untypische Idee. Aber ich wollte es tun. 
Ich grinste Chris an und zog ihm aus dem Haus in die abgekühlte Nachtluft. 
„Wo willst du hin?“, fragte Chris neugierig. 
Ich drehte mich im Laufen halb zu ihm um und blickte in sein verschmitztes Grinsen. 
„Zu meiner Hütte. Ich möchte etwas ausprobieren. Hilfst du mir?“
Chris sah mich erst skeptisch an, nickte dann aber.
Also liefen wir zusammen zu meiner Hütte. 

In der Hütte angekommen, herrschte mal wieder Chaos. Ich seufzte und deutete mit einer Hand auf den einzigen leeren Stuhl in meinem Zimmer. Chris setzte sich. 
„Warst du schon mal verliebt?“, fragte ich direkt. 
Chris sah mich überrascht an. „Ja“, erwiderte er dann ehrlich, „in Shari“
„Bist du immernoch…“
„Nein. Sie ist glücklich mit Tiago und ich werde mich nicht zwischen sie drängen“
Ich nickte. 
„Und du?“, fragte Chris nach einigen Minuten des Schweigens.
„Ich weiß es nicht.“, gab ich zu, „Es ist nicht dasselbe Gefühl wie bei Ben.“
„Ist es besser?“
Ich nickte und wurde gleichzeitig rot.
Chris grinste und sagte: „Dann ist es vielleicht auch besser als mit Ben, wenn du es versuchst.“
Ich blickte ihn an. 
„Würdest du mir helfen, mir die Haare zu schneiden?“
Chris Blick zeugte von purer Überraschung. Trotzdem nickte er. 
„Wenn du dich so wohler fühlst, natürlich“, antwortete er.
Es klang so selbstverständlich, wie er das sagte. 
Ich griff nach meiner Schere und setzte die Brille ab. Chris kam zu mir. Er nahm mir die Schere aus der Hand.
„Und wenn es nicht gerade wird?“, fragte er.
„Ist egal. Nur kurz soll es werden“
„Okay“
Ich hielt meine Hand an mein Kinn. „Bis hierher“
Chris griff nach meinen Haaren und setzte die Schere an. 
„Sicher?“, fragte er. 
„Ich hab sie mir wegen Ben wachsen lassen“
Chris lachte auf. „Also ja“
„Ja“, bestätigte ich. 
Und Chris schnitt. Strähne für Strähne meines langen schwarzen Haares fiel herunter. Ich lächelte glücklich. So frei hatte sich mein Kopf schon lange nicht mehr angefühlt. 
Ich wusste nicht wie lange Chris geschnitten hatte, bis er die Schere schließlich auf dem Tisch ablegte. Er drehte mich zu sich herum.
„Wunderschön“, meinte er. 
Und es klang nicht scherzhaft, sondern ganz ernst gemeint.
Ich schloss die Augen. Als ich sie wieder öffnete sahen Chris und ich uns an. Im Stillen einvernehmen traten wir auseinander. 
„Ich bin nicht verliebt“, sagte ich.
„Aber befreundet“, meinte Chris.
„Wir sind befreundet“, bekräftigte ich. 
Chris lächelte. „Ich bin auch nicht verliebt, aber befreundet sein, klingt viel besser“

„Sei mit mir frei", sprach der Seelöwe
 
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