Ich schwamm also nur in meinem schwarzen Badeanzug im Wasser und versuchte mich auf die Teilverwandlung zu konzentrieren. Wahrscheinlich hätte das auch geklappt, wenn nicht ständig ein Seelöwe Anfeuerungsrufe in meinen Kopf gerufen hätte.
Komm schon, du schaffst das!, jubelte Chris, nur um mich gleich darauf anzustupsen und zu fragen: Und spürst du schon was?
Ich war kurz davor wieder aus dem Wasser zu gehen.
Entnervt fuhr ich Chris an: „Wenn du weiter so nervst, kann ich mich gar nicht konzentrieren“
Chris schwamm beleidigt davon und ich atmete noch einmal tief durch, bevor ich mich wieder an der Teilverwandlung versuchte. Endlich, endlich schien es zu funktionieren. Ich tastete meine Wangen ab, dann tauchte ich unter und nahm zögerlich einen ersten Atemzug. Zufrieden spürte ich, wie Wasser durch meine Kiemen strömte.
Wir können los, teilte ich Chris mit.
Der Seelöwe kam angesaust und tauchte noch tiefer ab.
Komm, hier gehts lang.Die nächste halbe Stunde war sowohl spannend als auch nervenaufreibend. Ich musste schließlich einem superschnellen Seelöwen folgen, die Verwandlung aufrechterhalten und versuchen mein Tattoo vor Chris zu verstecken.
Wo bleibst du denn?, quengelte Chris mal wieder und machte kehrt, um zu mir zurück zu schwimmen.
Ich bin nun mal ein Mensch und kein Seeöwe, verteidigte ich mich.
Als W…, ein wütender Blick von mir reichte aus um Chris abrechen zu lassen, In deiner Tiergestalt könntest du besser mithalten.
Ich verdrehte die Augen und schüttelte nur den Kopf.
Wo lang?, fragte ich und zeigte mit dem rechten Arm ins Meer hinein.
Da lang, verkündete Chris und schwamm vorneweg.
Endlich kam auch das Wrack in Sicht. Fasziniert schwamm ich näher heran und untersuchte es von allen Seiten.
Es war wohl nur ein kleines Schiff gewesen, und teilweise war es auch schon überwachsen und mit Muscheln bedeckt. Ich fand es toll. Lächelnd strich ich über eine der Brüstungen an Deck und betrachtete die Muscheln etwas näher. Aus dem Schiffsdeck ragte außerdem ein Schlauch nach oben. Wozu der wohl gut war?
Hier ist der Eingang, riss mich Chris aus meiner Betrachtung.
Er lugte um eine Ecke des Schiffbodens. Etwas verwirrt schwamm ich zu ihm und sah, dass in der Unterseite des Schiffes ein großes Loch prangte.
Wir schwammen nach drinnen, bis zu einem Raum, wo man tatsächlich auftauchen konnte. Chris verwandelte sich zurück und schnappte sich eine der herumliegenden Badehosen. Ich kletterte aus dem Wasser und machte vorsichtig die Teilverwandlung rückgängig.
„Ich mach hier mal frische Luft“, verkündete Chris und betätigte eine Pumpe, wodurch ein Schlauchende, frische Meeresluft in die Kammer schickte. Ich musste wieder an den Schlauch an dem Schiffsdeck denken. Der ging anscheinend bis zur Oberfläche.
„Es ist schön hier“, meinte ich, einfach um die Stille zu durchbrechen und setzte mich auf den Boden.
Chris grinste. „Wir treffen uns nicht umsonst hier, aber gerade bin ich auch ganz gern mit dir allein“
Ich nickte. Mir war es auch Recht, dass noch niemand mitgekriegt hatte, dass wir uns anfreundeten, oder befreundet waren?
Chris setzte sich neben mich und wir schwiegen zuerst beide. Es gab keine drängenden Fragen zu klären. Das wichtigste hatten wir direkt am Strand besprochen. Doch wie sollten wir nun ein Gespräch beginnen?
„Ich freu mich, dass du bei uns bist“, meinte Chris und es klang etwas lahm.
„Ich mich auch“, stimmte ich zu, „Und dass wir uns jetzt wieder öfter sehen werden“
Chris grinste mich frech an: „Wenn du unter deiner Brille denn was sehen kannst“
Reflexartig zuckte meine Hand zu meinem Ohr. Ich berührte keine Brille. Ach ja, die hatte ich ja am Strand gelassen.
Chris blickte mich unsicher an, als wüsste er nicht, ob er damit zu weit gegangen war.
Ich entschied für mich, dass er sowas durfte. Chris war schon immer so gewesen und sollte sich nicht verstellen. Also grinste ich ihn an.
„Ich kann dadurch sehr wohl etwas sehen und sie steht mir jedenfalls besser als dir“, ging ich auf seinen Witz ein.
Erleichtert lachte Chris. „Blödsinn, außerdem siehst du ohne viel schöner aus“
Ich blickte ihn kritisch an. „Ne, meine Augen sind schlimm“
Chris stieß mich an. „Gar nicht wahr, sie passen gut zu dir“
„Hey!“, beschwerte ich mich.
Nicht wegen den Augen, sondern weil ich durch Chris Schubser doch tatsächlich zur Seite gekippt war und mich nun wieder aufsetzen musste.
„Hilf mal“, befahl ich und streckte Chris meine Hand hin.
Meine linke Hand, wie mir zu spät aufging. Eilig zog ich sie weg, doch Chris blickte mich bereits neugierig an.
„Du hast ein Tattoo?“, fragte er unnötiger Weise.
Ich nickte. „Als Erinnerung“
Ich zeigte es ihm nun also doch. Eigentlich hatte ich damit warten wollen, bis unsere Beziehung zueinander wieder enger war, aber er hatte es ja eh bemerkt. Den Seelöwen der unter dem weißen Hai hindurch tauchte.
Chris strahlte mich an. „Ich wusste, dass du unsere gemeinsamen Schwimmnachmittage auch vermisst hast!“
„Was? Ja. Ich meine Nein! Tu ich gar nicht“
Bockig verschränkte ich die Arme und drehte mich weg.
„Aber Ava…“
„Ich möchte zurück zur Blue Reef“, entschied ich und tauchte ins Wasser ab.
Als ich mich dann zu Chris umdrehte, blickte er mich mit einer Mischung aus Unglaube und Traurigkeit an.
„Jetzt Chris“, bat ich.
Dann begann ich mir Kiemen wachsen zu lassen. Chris tauchte als Seelöwe ins Meer. Zuverlässig brachte er mich zurück. Während ich mich auf dem Stein abtrocknete, schwamm ein Seelöwe ins Meer davon.
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„Sei mit mir frei", sprach der Seelöwe
FanfictionNachdem Ava von ihrem Freund betrogen wurde, will sie nur eins: von vorne anfangen. Da kommt ihr die Chance auf die Clear Water High zu gehen gerade recht. Doch wie besiegt man die Ängste eines anderen, wenn es schon fast die eigenen geworden sind...