Zitternd zog ich mich auf meinen Umziehfelsen. Bitte, bitte war Noah nichts passiert! Die Angst schnürte mir die Kehle zu und ich schlang die Arme um meinen Oberkörper. Eine Weile blieb ich einfach so sitzen. Zusammengesunken auf meinem Felsen und weinte die Angst aus meinem Körper heraus.
Erst als keine Tränen mehr übrig waren, begann ich nachzudenken. Hatte ich mich gut genug abgeschirmt oder hatten die Delfine mich erkannt? Würden die Lehrer davon erfahren? Konnte ich dafür von der Schule fliegen? Ich begann wieder zu zittern. Besser ich erzählte Farryn davon, bevor es irgendwelche blutrünstigen Gerüchte über mich gab. Ich nickte. Mit Farryn reden, am besten auch gleich mit Mr. Clearwater. Dann konnten sie mich von der Schule werfen. Weg von all den Wandlern, denen ich eh nur Schaden konnte. Ich atmete tief durch. Also los.
Zuerst zog ich mich wieder an. Ich hatte keine größeren Verletzungen, nur meine Ferse schmerzte, dort wo Shari mich gebissen hatte. Kein Problem. Ich hatte heute früh zum Glück eine lange dünne Hose angezogen. Die Hose tief runterziehen. Fertig. Die Bisswunde war kaum zu sehen. Dann die Sonnenbrille. Fest aufsetzen. Mehrmals probieren, ob sie auch ja nicht rutscht. In dem natürlichen Spiegel des Wassers kontrollieren, ob man meine Augen sieht. Nichts. Gut so, also weiter.
Ich kletterte über die Felsen zurück an Land. Dann lief ich direkt ins Schulgebäude. Da ich schon einmal in Farryns Büro gewesen war, lief ich zuerst dorthin. Farryn kannte mich. Er würde mir glauben, dass es keine Absicht gewesen war.
Ich klopfte an. Von drinnen ertönte ein: „Herein“. Ich atmete noch einmal tief durch und stieß die Tür auf. Im Raum saß Farryn und unterhielt sich mit Mr. Clearwater und unserer Kampflehrerin. Mein erster Impuls war, dass Zimmer direkt wieder zu verlassen. Doch da Farryn mich freundlich nach drinnen winkte, wagte ich nicht, ihm zu widersprechen.
„Was gibt es Ava?“, fragte Farryn freundlich.
Ich zögerte. Eigentlich würde ich lieber mit ihm allein sprechen, aber andererseits konnte ich es so auch gleich bei mehreren Lehrern hinter mich bringen.
„Ich… Noah… die Delfine… verletzt. Es… es tut mir so leid, Farryn. Ich darf einfach nicht auf dieser Schule sein“, schluchzte und stotterte ich verzweifelt.
Die Lehrer blickten mich verwirrt an. Farryn stand auf und legte einen Arm um mich. Dann führte er mich zu einem freien Stuhl. Ich setzte mich hin.
„Komm, erzähl mal ganz in Ruhe, was passiert ist“, bat er mich.
Ich nickte und fing an: „Ich war schwimmen, in Zweiter Gestalt im Meer. Ich habe einen Freund gesucht, dem ich getraut hatte meine Gestalt zu sagen. Dann hab ich einen Seawalker gehört und dachte, ich könnte ihn nach meinem Freund fragen. Ich bin hingeschwommen, doch ich war so schnell und bin mitten in die Gruppe von Delfinen gerauscht. Sie haben sich erschreckt, ich wollte abdrehen und wegschwimmen, doch alle waren so schnell und laut. Da… da hab ich einen getroffen, mit der Schwanzflosse. Er, Noah haben ihn die anderen genannt, war ganz benommen und ist zum Boden runtergefallen, ich wollte noch hinterher, aber der eine Delfin war schneller und hat ihn gestützt und der andere hat mich angegriffen, da hab ich mich erschreckt. Und…als ich sah, dass sie ohne mich besser zurechtkommen, bin ich… ich bin abgehauen.“
Ich senkte den Kopf und wartete auf die Strafpredigt, die jetzt ganz bestimmt kommen würde.
Mr. Clearwater ergriff schließlich das Wort: „Das war sehr unvorsichtig von dir Ava. Du hättest jemanden schwer verletzten können. Mit deiner Kraft und Geschwindigkeit, solltest du lernen, nicht blind drauflos zuschwimmen.“
Ich nickte.
„Ich sehe jetzt erstmal nach den Delfinen“, entschied die Kampflehrerin, „Und in der nächsten Unterrichtsstunde lernst du dann mit den Anderen, wie man erkennt, ob ein Raubtier feindlich gesinnt ist, oder bloß ebenfalls erschrocken.“
Die Kampflehrerin verließ den Raum. Unser Schulleiter legte mir die Hand auf das Bein.
„Du solltest dich ausruhen und von dem Schrecken erholen. Am besten gehst du zu deinen Freunden. Ruh dich aus“
„Auf jeden Fall darfst du auf der Schule bleiben“, sagte Farryn und nahm mir damit meine größte Angst, „Aber überleg nochmal, ob du nicht offener mit deiner Zweitgestalt umgehen willst. Hätten die Delfine gewusst, dass du es bist, hättet ihr Noah gemeinsam helfen können“
„So aber, war wegschwimmen die beste Option, um ihnen keine Angst zu machen“, beruhigte mich Mr. Clearwater.
Ich nickte nur und stand auf.
„Danke“, murmelte ich aus einem Pflichtgefühl heraus.
Dann verließ ich den Raum.
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„Sei mit mir frei", sprach der Seelöwe
FanfictionNachdem Ava von ihrem Freund betrogen wurde, will sie nur eins: von vorne anfangen. Da kommt ihr die Chance auf die Clear Water High zu gehen gerade recht. Doch wie besiegt man die Ängste eines anderen, wenn es schon fast die eigenen geworden sind...