Kapitel 5

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LUCÍA

Ich krallte meine Hände in die Oberarme und versuchte, meine Kräfte im Zaum zu halten, aber das war schier unmöglich. Ich hätte wissen müssen, dass Mirabel zu neugierig war, um sie zur Freundin zu haben und wegen Mamás blödem Versprecher hätte sie fast mein Geheimnis herausgefunden. Ich atmete tief ein und aus, aber trotzdem hatte ich das Gefühl, dass die Kälte aus allen Poren kam und den Raum zugefrieren ließ. Eis begann unter meinen Füßen aufzutauchen und knackte unheilvoll, als es mein Gewicht spürte. Nein, das durfte nicht passieren. Wenn das Haus eingefror, würde es jeder sehen können und das wollte ich nicht!
"Hör auf", flehte ich leise, aber natürlich hörte meine Gabe nicht auf mich. Mein ganzer Raum begann unter Eis zu verschwinden und so langsam überkam mich wirklich die Panik. "Hör auf!" Ich schrie und plötzlich schien es, als würde ein Sturm aus mir brechen. Schnee begann um mich herumzuwirbeln und egal, wie sehr ich mich anstrengte, aber ich konnte diesen Sturm nicht kontrollieren. Da wurde meine Tür aufgestoßen.
"Lucía! Was machst du da?!", schrie Mamá mich an, während ich sie kaum durch die dichten Schneeflocken erkennen konnte. Sie kämpfte sich durch den Sturm und kam zu mir, um mich in den Arm zu nehmen. "Scht, mi vida, ganz ruhig. Was ist passiert? Beruhige dich, ja?" Ich nickte, wusste aber nicht, ob ich es konnte. Ich ließ mich gegen die Brust meiner Mutter sinken und als ich ihre Wärme spürte, wurde ich sofort ruhiger. Der Sturm flachte ab, bis er nicht mehr existent war. Nur noch der Schnee und das Eis bedeckten mein ganzes Zimmer, aber das konnte ich später wegzaubern. Mamá lächelte mich an. "Na also, es geht doch. Sag schon, was ist passiert?" Ich setzte mich mit ihr auf mein Bett und löste meine Hände langsam von meinen Armen, um sie in meinen Schoß zu legen.
"Mirabel und ich hatten einen Streit über Geheimnisse. Sie hat mich mit ihrer Neugier so aufgeregt, dass ich mich nicht mehr kontrollieren konnte. Tut mir leid, wirklich. Das war keine Absicht", antwortete ich meiner Mutter niedergeschlagen. "Ich wollte kein Chaos anrichten, glaub mir das bitte. Aber ich konnte meine Kräfte einfach nicht mehr kontrollieren." Mamá lächelte mich an und drückte meine Hände.
"Schon gut, hija. Lass es nur nicht wieder vorkommen, ja?", meinte sie, ich nickte. Sie griff nach den Handschuhen, die ich auf meinen kleinen Nachttisch gelegt hatte. "Hier, zieh die wieder an, das wird am besten sein. Und vergiss Mirabel, eine selbstbewusste Señora braucht keine Freunde." Sie stand auf.
"Mamá, warte mal", wandte ich ein und sah sie an. Meine Mutter blieb stehen und drehte sich um, um mich ebenfalls anzusehen. "Wieso hast du vorhin gesagt, dass wir den Madrigal nicht vertrauen können? Was haben sie dir getan?" Meine Mutter drehte sich zur Tür um.
"Es gibt in zwei Stunden Abendessen, solange hast du frei", sagte sie bloß. "Mach, was du willst, sei aber bitte pünktlich zurück." Damit verließ sie mein Zimmer. Das war wirklich seltsam, wieso war sie so verschlossen? Ich seufzte leise und kämpfte mich von meinem Bett hoch, um den Schnee und das Eis wieder verschwinden zu lassen. Das alles dauerte nicht länger als zwei Sekunden, aber nun wusste ich nicht, was ich tun sollte. Ich wollte meine Mutter aber nicht verärgern, also verließ ich das Haus. Mamá und ich brauchten ein wenig Abstand und dann würde bis heute Abend alles wieder gut sein, da war ich mir sicher. Ich würde am liebsten zu Mirabel gehen und mich für mein Verhalten entschuldigen, aber ich war noch zu aufgewühlt, um es tun zu können. Morgen. Morgen würde ich mich entschuldigen. Also schlug ich wieder einmal den Weg in den Wald ein und schlich unsicher durch das dichte Gestrüpp. Immer wieder ließ ich meine Hände über die weichen Blätter der Büsche streichen, wobei sich kleine Eiszapfen und Schneegirlanden über die Blätter zogen und einige Büsche sogar miteinander verbanden. Ich musste lächeln. Wenn ich meine Kräfte richtig einsetzte, konnte ich wirklich wunderschöne Dinge erschaffen. Unter Umständen könnte ich sogar wunderschöne Sachen im Dorf erschaffen, aber dazu müsste ich meine Kräfte auch im Dorf benutzen dürfen. Und das ging eben einfach nicht. Also verschönerte ich eben den Wald, das würde auch hübsch aussehen. Da hielt ich inne. Wenn ich solche Girlanden für Büsche erschaffen konnte, konnte ich dann auch Accessoires für mich erschaffen? Eine Haarspange in der Form einer Schneeflocke? Oder ein Haarband mit Schneeflocken darauf? Einen Versuch war es wert. Ich sah auf meine Hände. Ich würde eine Haarspange versuchen, so schwer konnte das ja nicht sein! Ich bewegte meine Hand über meinen Kopf und spürte die sanften Schneeflocken, die auf meinen Kopf fielen. Ich dachte an das, was ich erschaffen wollte und nur wenige Sekunden später spürte ich ein leichtes Gewicht an meiner linken Kopfseite. Ich ertastete dort ein kühles Etwas und nahm es mir vorsichtig ab. In meiner Hand lag nun eine Haarspange aus festem Eis, die in der Form einer Haarspange gehalten war. Es hatte funktioniert! Ich konnte tatsächlich auch Schmuck mit meiner Gabe herstellen! Das war unglaublich! Ich grinste und steckte mir die Spange wieder an. So machte meine Gabe Spaß! Lächelnd lief ich weiter und machte weiter damit, den Wald beinahe schon winterlich zu dekorieren. So gefiel er mir wesentlich besser und wenn ich ging, würde ich meine Dekorationen auch wieder entfernen, damit sie keiner sah. Ich wollte ja keine Diskussionen im Dorf auslösen! Ich lief zum Fluss und setzte mich dort ans Ufer. Sanft berührte ich die Wasseroberfläche mit meiner Hand, die daraufhin zu Eis gefror. Es war nur ein kleiner Fleck, der gefroren war, aber sie war sehr belastbar und selbst als ich mich mit meinem vollen Gewicht darauf lehnte, knackte das Eis nicht einmal und gab auch keinen Millimeter nach. Das war unglaublich! Ich könnte damit über Wasser laufen! Ich lächelte den Fluss an und nahm meine Hand wieder weg, worauf das Eis wieder verschwand.
"Siehst du, Papá? Ich habe den Fluss eingefroren! Ich wünschte nur, du wärst hier, um das mit mir zu erleben. Ich vermisse dich. Komm zurück zu mir, ja? Ich will dich endlich kennen lernen! Wir würden uns gut verstehen, da bin ich mir sicher. Ich hab dich lieb."

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Warum hat Maria wohl so seltsam reagiert? Was haben die Madrigal ihr getan? Schreibt gerne Vermutungen und Vorschläge in die Kommentare!🥰

Cassy

Lucía - Suche nach der Wahrheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt