Völlig fassungslos guckte ich Sharpe an, als sie verkündete, dass ich unter ihrem Schutz stand. Sie packte mich an meinem Arm und zog mich aus dem Raum. Sie lief mit mir zurück zu meiner Zelle und schubste mich auf mein Bett.
„Bleib am besten still sitzten.", meinte sie in einem harschen Ton. Ich spürte den Schmerz vom gegen die Wand knallen jetzt schon viel deutlicher und etwas warmes, klebriges lief an meinem Gesicht längs. Sharpen hielt mir ein Tuch hin.
„Mach dich erstmal wieder sauber."
Ich nickte, nahm das Tuch und strich mir damit übers Gesicht. Sofort saugte sich der weiße Stoff mit rotem Blut voll. Ein wimmern entwich mir. Ich wischte weiter bis zum Haaransatz. Ich versuchte vorsichtig zu sein, musste aber trotzdem aufkeuchen, als ich meine Platzwunde berührte. Solche schmerzen hatte ich noch nie verspürt.
„Du bist wohl nicht keine Schmerzen gewöhnt?", fragte Sharpe, der mein Aufkeuchen natürlich nicht entgangen war, ließ es aber eher wie eine Aussage klingen, als wie eine Frage. Ich schüttelte den Kopf, was mich erneut aufkeuchen ließ. Zu den stechenden Schmerzen am Kopf gesellte sich inzwischen auch ein pochender Schmerz am Rücken und an der Schulter. Sharpe verdrehte die Augen.
„Ich hab dir doch gesagt du solltest versuchen, möglichst still sitzen zu bleiben."
Ich verkniff mir ein weiteres Nicken. Sie hörte auf, etwas zu suchen und drehte sich zu mir um. Dann begutachtete sie die Wunde an meinem Kopf.
„Das muss genäht werden", stellte sie fest. „Wir haben hier kein Schmerzmittel also wirst du hiermit vorlieb nehmen müssen."
Sie reichte mir ein Holzstäbchen. Verwirrt guckte ich sie an, während sie schon Nadel und Faden bereit machte. Als sie fertig war und sah, dass ich das Stäbchen immer noch in der Hand hielt, seufzte sie wieder genervt auf und schüttelte den Kopf.
„Du musst es dir zwischen die Zähne klemmen. Wir haben hier nichts, was die Schmerzen lindert, also ist das das einzige was dich am Schreien hindert. Du musst da ganz fest drauf beißen. Außerdem beißt du dir dann nicht in die Zunge", erklärte sie mir und ich hatte den Eindruck, dass sie dies nicht zum ersten Mal erklärte. Als ich dann aber realisierte, was sie vorhatte, war es zu spät um zu reagieren. Sie hatte mir das Stäbchen zwischen die Zähne geklemmt, und zog an meiner Kopfhaut herum. Ängstlich sah ich sie an und hoffte, dass ich diese Schmerzen überleben würde.
Ohne Vorwarnung rammte sie mir die Nadel in die Haut und begann damit, meine Wunde zu nähen. Tränen liefen mir über die Wangen. Ich biss so fest ich konnte meine Zähne zusammen und es half ein bisschen meine Schreie zu dämpfen, aber schon nach kurzer Zeit waren die Schmerzen so übermächtig, dass alles um mich herum schwarz wurde.Ein lautes Aufklatschen ließ mich wieder auffahren. Sharpe stand über mir und guckte mir prüfend in die Augen.
„Schön, dass du wieder wach bist", meinte sie. „Ich habe die Wunde mit selbstgebrautem Alkohol desinfiziert und dann darauf ein bisschen Canabis als Betäubungsmittel angewendet. Dafür musst du weitere 1000 Zigarren Rollen. Könnte sein, dass dir schummerig wird von den Drogen, aber damit solltest du den Tag durchhalten." Erklärte sie mir kurz, während sie die mit Blut getränkten Tücher im Waschbecken einweichte.
Mir wurde übel, als ich das ganze Blut sah. Als ich konzentriert an die Wand guckte, um das Übelkeitsgefühl zu verdrängen, merkte ich, dass Sharpe mich zum ersten Mal nicht angeschnauzt hatte, sondern einen fast neutralen Ton angeschlagen hatte.
"Glaubst du, dass du deine Arbeit schaffst?", fragte Sharpe und lenkte mich damit von meinen Gedanken ab und bestätigte fast schon meine Beobachtung. "Sonst zwinge ich Evan den Mist für dich zu erledigen."
"Ich glaube, es wird schon gehen", antwortete ich, überrascht von ihrem Angebot. "Wie du meinst. Wenn du keine Probleme kriegen willst, solltest du jetzt losgehen. Wer weiß was die Wächter sich sonst noch ausdenken." Ich nickte, stand langsam auf und verließ die Zelle. Vorsichtig, weil mein Gleichgewichtssinn immer noch gestört war, ging ich den Flur entlang. Ich war schon spät dran, weshalb niemand mehr da war. Ich kam bei dem Arbeitssaal an und ging hinein. Alle guckten mich an. Etwas beschämt ging ich auf mein Platz neben Rosita. Sie machte mir Platz und wirkte irgendwie nervös. Als sie jedoch sah, wie schlecht es mir ging, gab sie sich einen Ruck.
"Wie geht es dir?" Ich zuckte nur mit den Schultern. "Du hast mir nicht erzählt, dass du dich so gut mit Sharpe verstehst", sagte sie dann in einem leicht vorwurfsvollen Ton. Inzwischen lagen unsere Arbeitsmaterialien auf dem Tisch und der Wächter gab uns das Zeichen, anzufangen. Mir fiel sofort auf, dass Sharpe noch nicht da war. Sie musste immer noch in der Zelle sein. Alle hatten inzwischen angefangen zu arbeiten und auch ich rollte eine Zigarre nach der anderen. Zwischendurch machte ich Ella darauf aufmerksam, dass Sharpe noch nicht hier war. Der Raum war jetzt schon sehr heiß und alle fingen schnell an zu schwitzen. Es gab keine Fenster, also würde es auch noch stickig. Mir wurde zwischendurch schwindelig, aber ich schaffte es, immer weiter zu machen.
Als ich etwa zu einem Viertel fertig mit der heutigen Ration war, bekam ich einen heftigen Schwindelanfall. Sharpe kam endlich rein. Sie setzte sich auf meine andere Seite und fing sofort an in einem unglaublichen Tempo zu arbeiten. Sie schaffte es zwei gleichzeitig zu machen und schloss deswegen schnell zu uns auf. Es war als wäre sie gar nicht zu spät gekommen. Wir mussten jetzt etwa drei Stunden gearbeitet haben und ich hatte etwa die Hälfte fertig. Mittlerweile konnte ich kaum noch die Augen offen halten und arbeitete immer langsamer. Als mein Kopf dann auf den Tisch fiel, schreckte ich wieder auf. Ich guckte kurz nach rechts und nach links und stellte fest, dass Sharpe schon fertig war und die Zigarren in die dafür vorgesehenen Kiste tat. Dann guckte sie hoch zu mir und sah mir in die Augen. Sofort überkam mich das merkwürdige Gefühl, dass mein Inneres zu Eis gefroren wurde. Ich war nicht in der Lage weg zu gucken, also starrte ich sie weiter an, bis sich etwas in ihrem Gesicht veränderte. Fest entschlossen griff sie rüber auf meinen Tisch, nahm sich einige Blätter und fing an diese zu füllen und aufzurollen. Es dauerte einen Moment, bis ich verstand, was sie machte. In höchster Alarmbereitschaft stellte ich fest: Sharpe half mir gerade. Vielleicht war dieses distanzierte und kalte nur eine Fassade. So übernahm Sharpe einen erheblichen Teil meiner Arbeit, bis wir schließlich fertig waren. Mir war schon wieder total übel und die Wände schienen sich zu bewegen. Als die Zigarren ordentlich in ihrer Kiste verpackt waren, stand ich fest entschlossen auf, um in meine Zelle zu gehen und mich hin zu legen, als meine Beine wegknickten und ich zu Boden fiel.
Grade noch rechtzeitig fingen mich zwei starke, muskulöse Arme auf. Mittlerweile sah ich alles nur noch durch ein schwarzes Raster und mir fehlte die Kraft, Arme und Beine zu bewegen. Ich merkte, wie sich Sharpe mit mir in den Armen auf den Weg machte. Ich schloss meine Augen und versuchte, die jetzt wiederkehrenden Kopfschmerzen zu verdrängen. Schließlich spürte ich, wie ich auf etwas hartes gelegt wurde. Die Kopfschmerzen waren jetzt ins kaum Ertragbare gestiegen und ich fühlte, wie sich mein Gesicht vor Schmerzen verzog. Um mich herum war ein wühlendes Geräusch zu hören bis ich auf einmal ein Stechen am Kopf spürte. Ich schrie auf. Plötzlich verschwand der Schmerz und mit ihm die Kopfschmerzen. Bleierne Müdigkeit lullte mich ein und ich dämmerte weg. Da fiel mir ein, dass mir jemand geholfen hatte. Ich versuchte meine Lippen zu bewegen und Danke zu sagen. Ich weiß nicht ob sie es gehört hatte, aber das war jetzt auch egal, den die Dunkelheit umhüllte mich und ich schlief ein.
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The Last Survivors
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