Kapitel 6 : Ally Ruth Fitzpatrick

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Nach dem gestrigen Vorfall und der unruhigen Nacht hatte ich beschlossen mir eine Auszeit zu gönnen und hatte mir für ein paar Tage frei genommen.

Außerdem konnte ich mich dort nicht mehr blicken lassen, nicht nach dem was passiert ist.

Ich brauchte Abstand. Ruhe.

„Nach neunhundert Metern biegen Sie links ab."

Ich war mittlerweile seit ungefähr acht Stunden unterwegs.

Hier und da hatte ich mal angehalten um meinen Land Rover aufzutanken und die Toilette aufzusuchen.

Der Wagen war mein ganzer Stolz. Zwar war er schon etwas älter, aber ich liebte ihn. Meine Großeltern hatten ihn mir geschenkt als ich noch in die Highschool ging.

Je näher ich meinem Ziel kam, desto menschenleerer wurde es. Kein einziges Auto war mehr auf dem großen Highway. Keine Tank- oder Raststelle.

Draußen fing es bereits zu dämmern an. Demnach zu urteilen war es schon  gegen sechs oder sieben Uhr abends. Ein Blick auf die Uhr bestätigte meine Schätzung. Viertel vor sieben.

„Sie haben Ihr Ziel erreicht."

Ich lenkte den Wagen auf einen Schotterweg am Rande des Waldes, wo ich ihn nun zurücklassen musste. Ich schaltete den Motor aus und lehnte mich müde in den Sitz.

Schließlich stieg ich aus und ging zum Kofferraum meines Autos und öffnete ihn.

Zuhause hatte ich zuvor noch einen dieser großen Camper Rucksäcke vollgepackt mit Lebensmitteln und anderem Zeug was ich noch so gebrauchen konnte, da es hier draußen weit und breit keine Läden gibt fernab von jeglicher Zivilisation.

Ich hievte mir den gigantischen Rucksack auf den Rücken und strauchelte zunächst unkontrolliert unter dessen Gewicht. 

„So ein Mist", murmelte ich nach links und rechts wankend, während ich krampfhaft versuchte nicht umzukippen.

Nachdem ich nun mein Gleichgewicht gefunden und den Wagen verriegelt hatte machte ich mich auf den Weg.

Ich wollte ja schließlich nicht im stockdunkeln durch den Wald irren.

Begierig sog ich den frischen, vertrauten Duft der Natur auf und versuchte meinen Kopf freizukriegen. Der feine Geruch der feuchten Erde und der unzähligen Pflanzen stieg mir in die Nase. Erinnerungen kamen hoch.

Unterwegs begegnete ich noch einem Strauch Heidelbeeren, von denen ich mir einige pflückte, ehe ich meinen Weg durch die Untiefen des großen Waldes fortsetzte.

Als ich aus der Ferne zwischen den hohen, dichten Bäumen die Umrisse der kleinen Hütte vernahm, steuerte ich aufgeregt auf diese zu. Eine Freude überkam mich. Sie stand tatsächlich noch!

Die Terrasse aus Stein, die mein Grandpa damals gebaut hatte, war überwuchert mit Moos und anderem Unkraut, ebenso die Hütte und die Steintreppe, die zu ihr führte.

Dennoch sah es wunderschön aus, wie in einem dieser Märchen.

Fast schon zögerlich stieg ich die Treppen zur höhergelegenen Hütte hinauf und stoppte vor der Tür.

Aus meiner Jackentasche zog ich meinen Schlüsselbund hervor und nahm mir den passenden Schlüssel.

Ich erkannte ihn an den schwungvoll eingravierten Buchstaben: A.R.F.

Die Tür gab ein klackendes Geräusch von sich als ich sie entriegelte.

In meinem Bauch kribbelte es wie verrückt.

Was würde mich erwarten?

Ich öffnete die Tür und der Duft von getrocknetem Jasmin schlug mir entgegen.

The Last SurvivorsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt