"Nur ein kleiner Gefallen"

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Mein Mund öffnet sich geschockt. Doch statt auch nur ein Ton rauszubekommen trete ich, wie in einer Trance zur Seite. Sie trete ein.

Ich nehme wahr wie sie beindruckend pfeift, als sie sich in meiner Wohnung umsieht.

"Verstehe, in Cali geht es dir echt gut."

Mein Magen fühlt sich auf einmal so an, als wären zig Tonnen Steine darin und meine Kehle wird Staubstrocken. "Heather" Presse ich wehleidig hervor. "Wieso hast du mir nichts erzählt ? Und wo ist Kai ?"

Mit dem Rücken zu mir, kann ich erkenne  wie sie ausatmet und ihe Schulter sich senken. Dann dreht sie sich um. Ihre blauen Augen, welche normalerweise voller Leben funkeln sind jetzt nur noch träge und hoffnungslos.

Sie funkeln zwar, doch es ist nicht das Funkeln das ich von meiner Lebensfrohen Schwester gewohnt bin.

Bei dessen Anblick verkrampft sich mein Herz. Sie muss die Letzten Monate die Hölle durchlebt haben, während ich in Kalifornien ein schönes Leben hatte.

Sie lächelt, als sie sieht wie meine Augen sich mit Tränen füllen, doch es ist kein glückliches Lächeln. Es ist voller Trauer.

"Ich bin schwach, Lilith." Ihre Stimme ist schwach und gleicht einem Wispern. Das komplette Gegenteil meiner Schwester.

"Sag das nicht." Ich schüttele mein Kopf. "Bitte sag das nicht" hauche ich.

Plötzlich krümmt sie sich und fängt an aus vollem Hals zu husten. Schnelle eile ich zu ihr und führe sie zur Couch. Ihr Husten erschüttert mich bis ins Mark. Es klingt qualvoll und kräfteraubend und sorgt für eine unangenehme Gänsehaut am ganzen Körper.

Als sie sich beruhigt, erkenne ich etwas auf ihrer Hand, das dafür sorgt das ich im Gesicht erblasse.

Blut.

Sie schaut zu mir auf. Auch ihre Augen füllen sich mit Tränen. Wir haben so einiges zu klären....

__

Ich bin sauer. Eigentlich bin ich nicht nur sauer, ich bin auch verdammt wütend, enttäuscht, Traurig, geschockt und noch vieles weiteres.

7 Monate.

Heather weiß schon seit 7 Monaten das sie Krebs hat und wollte es mir nicht einmal sagen. Sie erzählte mir, das sie in Chemotherapie ist und das sie deshalb keine Haare mehr habe. 

Sie erzählte mir auch, das Kai die ganze Zeit an ihrer Seite währenddessen war und beide eine unfassbar schwere Zeit hinter sich haben. Das Sie oft Blut kotzt und sie spürt, das sie trotz der Chemotherapie, nicht mehr lange habe.

Auch, Das sie dachte, das die Chemotherapie helfen würde. Was eines der Hauptgründe war, weshalb sie mir nichts davon erzählt hat.  Da sie mich nicht beunruhigen wollte und mich nicht vom Studium ablenken wollte, das sie aber auch schon versucht habe es mir zu erzählen. 

Jedoch weiß sie, das sie nicht mehr lange hat und das sie deshalb so schnell wie möglich zu mir wollte. Kai hat sie anscheinend hergefahren und wartet im Hotel.

Ich dachte immer, das Verschwinden meiner Mutter hat mich gebrochen, mit gebrochen meine ich ein tiefes Loch in deiner Seele zu haben und egal was du alles tust es will nicht kleiner werden, jedoch fällt mir jetzt auf, das ich keine Ahnung hatte wie es ist, innerlich zu zerbrechen, bis meine eigene Schwester mit kurzgeschorenen Haaren vor meiner Tür auftauchte und mir von den Schlimmsten 7 Monaten ihres Lebens erzählt. Und das Loch wird immer größer, ohne das man was dagegen machen kann.

Ich habe plötzlich das Gefühl nichts wirklich durchgemacht zu haben, denn meine Schwester ist mit kurzgeschorenen Haaren vor meiner Tür aufgetaucht und hat mir erzählt, sie würde bald sterben. Meine Brust fühlt sich tonnenschwer an. "Lilith" setzt Heather an, doch ich breche bereits in Tränen aus.

Eine Welle der Gefühlen übermannt mich und ich schließe augenblicklich meine Arme um sie. Ich höre sie überrascht nach Luft schnappen, jedoch erwidert sie meine Umarmung nach paar Sekunden der Erholung, wenn auch schwach. Ich vergrabe mein Gesicht auf ihrer knochigen Schulter. Sie vergräbt ihr Gesicht auch auf meiner Schulter 

__

"Ich weiß ja nicht, wie weit ich gehen darf, aber du siehst wirklich dürr aus." 

Heather grinst in sich hinein. "ja, und du siehst aus als hätte man dich bei einer abgenutzten Tankstelle aufgegabelt. Und das von einer Krebskranken zu hören muss was heißen" 

Ich lache schnaubend. Ich nehme ein Schluck aus meiner Tasse. "Warum ist Kai nicht mit reingekommen ?" 

"Er wollte uns ein wenig Raum lassen, auch wenn das bei diesem Haus überhaupt nicht nötig ist."

 "ja" 

"Lilith ?" fragt Heather nach paar Sekunden der Stille. "Mmh ?" 

"geht's dir gut ? Wirst du gut behandelt ?" Typisch Heather. Liegt wortwörtlich im Sterben, macht sich aber dennoch sorgen, ob ich gemobbt werde. 

"Mir geht's gut, Heather" 

"Sicher ?" Fragt sie misstrauisch. 

Ich seufze. "Anfangs war es sehr holprig, aber ich habe mein steinlosen Weg gefunden"

"Gut." sagt sie, ehe sie sich vorbeugen will, um ihre Tasse abzustellen, jedoch komme ich ihr zuvor und lege sie auf den Tisch ab. Heather sieht wirklich fertig aus. Neben ihre dürre Gestalt, hat sie auch wirklich schlimme Augenringe. 

"Danke." sagt sie, ehe sie unsicher zum Sprechen ansetzt. "Ich muss dich um ein Gefallen bitten." 

"oh mein Gott, natürlich !" Sie atmet, so gut es geht aus. "Lilith, ich will das du Mom findest. Bevor ich sterbe, will ich sie sehen."

"Oh"

"ja." sagt sie. "Oh"

__

Ich lege mein Handy zur Seite und fahre mir müde übers Gesicht. Heather ist vor ungefähr 2 Stunden gegangen. Seither führe ich ein inneren Kampf, indem ich über tausende Sachen nachdenke. Ich soll meine Mutter finden, um ihr zu sagen das ihre älteste Tochter Krebs hat. Dann ist da noch mein Vater, welcher es auch verdient zu erfahren, jedoch ist meine Schwester streng dagegen. 

Ich lasse mich erschöpft aufs Bett zurück fallen und schließe müde meine Augen. Ich kann es immer noch nicht glauben. Die einzige Person, die mein Leben lang für mich da war liegt im sterben. Die Person, die mich nachts in den Arm nahm, weil ich unsere Mutter so unfassbar vermisstem wird bald weg sein. Die Person, die sich mit jeden angelegt hat, der mich auch nur schief angeguckt hat, verweilt bald nicht mehr unter uns. 

Ich spüre wie meine Augen erneut nass werden und schniefe lautstark. Ich weiß nicht, ob ich bereit bin meine Mutter zu sehen. Ich drehe mich auf die Seite, als plötzlich ein Klopfen an meiner Tür ertönt. "Lilith ?" höre ich Hunters gedämpfte Stimme. 

Meine Augen öffnen sich leicht überrascht und ich schrecke zusammen. "Lilith, können wir reden ?" Kurz will ich meine Augen einfach schließen und so tuen, als würde ich schlafen, jedoch glaube ich, würde das nichts bringen, da mein quietschendes Bett mich eh schon verraten hat.

Mit einem pochendem Kopf erhebe ich mich und öffne die Tür. Ich kneife meine Augen zusammen, als das Flur Licht meine Augen blendet. Hunters Atem stockt. "ist alles okay " fragt er besorgt. 

Ich schüttle kraftlos mein Kopf. "Fuck, Lilith" Hunter öffnet weiter meine Tür und geht ins dunkle Zimmer. Ich öffne währenddessen leicht meine Augen, da sie sich allmählich an die Helligkeit gewöhnen. Ich  will die Tür wieder schließen, als ich Kaden sehe. Er steht am Ende des Flures, direkt vor seinem Zimmer und schaut mir stumm in die Augen. 

Ich erwidere sein Blick kurz, ehe ich die Tür hinter mir schließe. Kaum habe ich die Tür geschlossen, frage ich mich, ob Kaden in meinen Augen ablesen konnte, was ich gerade durchmache, denn wenn ich etwas in seinen Augen sehen konnte, dann war es tiefe Verständnis. 

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