Kapitel 1

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„Komm schon Püppchen, streck deinen Hintern mehr in meine Richtung - ich kann ja gar nichts sehen", maulte ein fetter, sturzbesoffener Stammgast.
Ach, halt doch die Schnauze.
In seiner rechten hielt er ein Martini-Glas und in seiner Linken, die auf seinem Schenkel ruhte, ein Bündel fünfziger.
Wie gern ich ihm das Geld aus der Hand stehlen und damit davonlaufen würde.
Seine Augen fixierten das nackte Fleisch ihres halbnackten Körpers, als wäre er ein hungriger Wolf und sie ein unschuldiges Schaf. Wüsste sie es nicht besser, hätte sie darauf wetten können, von ihm jeden Moment die Bühne runtergeschliffen  zu werden. Was dabei passiert wäre, brauchte sie sich nicht einmal vorstellen.
Er wartete förmlich auf genau diesen Moment - wie all die anderen Notgeilen Geldsäcke - aber soweit würde sie es nicht noch einmal kommen lassen.
Für weitere vermeintliche Übergriffe hatte sich ihr Chef nämlich zusätzliches Sicherheitspersonal angeschafft. Sie hatte nur Glück, dass dieses Club hier die Identität ihrer Stripper- und Stripperinnen durch Masken schützte - und damit meinte sie die schönen Masken, die man auf einem Maskenball normal trägt. Ihre war grünlich und mit kleinen kringeln und Glitzersteinchen verziert.
Rotes und violettes Neonlicht blitzte auf und ein klingelnder Ton riss sie aus ihren Gedanken.
Ein Zeichen dafür, dass ihre Schicht dem Ende zuneigte.
„Sugar Bun, hier rüber! Ich steck dir noch etwas in den Slip bevor du gehst."
Nicht der schon wieder, dachte sie sich ohne sich anmerken zu lassen, wie unangenehm ihr die ganze Situation war.
Er roch penetrant nach Zigaretten und Zwiebeln, schluckte erregt und biss sich auf die Unterlippe.
Ekelhafter Bastard.
Sie tat was er von ihr verlangte und er gab ihr was sie wollte.
Hätte man ihr eher gesagt, wie hart es wirklich werden würde zu Leben, ein Dach über dem Kopf und Essen auf dem Tisch zu haben, hätte sie vieles bereits vergangene liebend gern rückgängig gemacht und sich einen besseren Job gesucht. All die Fehler hätten sich vermeiden lassen.
Mit aufgesetztem Lächeln ging sie von der Bühne. Ihren Bh nahm sie dabei direkt mit. Den hatte sie zu Beginn ihres Auftritts direkt zu Boden gehen lassen.
„Wird ja auch Zeit, dass du auftauchst, Astrid. Ich dachte wir hätte über das Thema ‚Babys im Nachtlokal für Erwachsene' bereits gesprochen."
Geht das Gestänker wieder los? Und ich dachte, wir hätten über das Thema ‚Ich kann mir keine Nanny für sie leisten und es gab niemanden der  heute Zeit gehabt hat' diskutiert.
Hinter der Bühne erwartete sie ihr Chef mit einem Baby in den Armen. Ihrem Baby um genau zu sein. Er sah wütend aus und sie war es innerhalb weniger Sekunden ebenso. Ein vierzig-jähriger aufgeblähter Mann mit braunem Toupet und einem Fabel für junge hübsche Mädchen.
Das war ihr Chef.

Ihre Tochter war einundhalb Jahre alt und statt sie Zuhause im Bett schlafen zu lassen, hing sie leider oft Nachts mit ihr hier fest. Nicht, dass es ihr gefiel - ganz im Gegenteil - Astrid wollte nichts mehr als ihrem Kind geben, was es verdiente. Liebe, ein sicheres Umfeld, jedes Spielzeug, dass sie haben möchte - eine gute Mutter. Eines dieser Dinge gab sie ihr mit jedem Atemzug den sie machte, denn sie liebte dieses Kind mehr als ihr eigenes verkorkstes Leben.

Sich mit 18 bei einem one -night- stand von einem Fremden schwängern lassen und dann von den eigenen Eltern wie Müll entsorgt zu werden, ist für keinen Teenager einfach. Ihren Baby- Daddy kannte sie nur vom Aussehen und sie war ihm bis jetzt nicht nochmal über den Weg gelaufen. Er wusste nichts von seinem Glück und Astrid bezweifelte, dass er etwas von ihr und seiner Tochter wissen wollte.
Falls er je wieder in ihr Leben treten sollte, kann er sich auf was gefasst machen, trachtete sie ihm gedanklich nach.

„Tut mir leid, Lorenz. Es konnte keiner einspringen, da hatte ich keine Wahl als sie mitzunehmen", antwortete sie und nahm ihm das quengelnde Kind ab. Ihre Augen waren gerötet - als hätte sie die fünf Stunden in denen Astrid nicht nach ihr gesehen hatte nur geschrien. Sie hätte längst schlafen sollen.
Astrid hatte sie ihren Kolleginnen in der Garderobe anvertraut und die wussten schon, dass sie auf dem Sofa ein sicheres Örtchen zum Schlafen hatte. Die Garderobe der Frauen war nämlich am Weitesten von all dem Chaos weg.

„Mäuschen, hey. Autumn, schau mal wer da ist", sagte sie mit zarter Stimme und streichelte ihr über die rotbraunen Haare, während sie die kleine im Arm schaukelte. Sie hatte gerade genug für ein kleines Zöpfchen und diese Gelegenheit nutzte Astrid.
Das kleine Kind beruhigte sich und legte ihren Kopf schniefend auf die Schulter ihrer Mutter.
Mina, Ruby und Sandra standen zwischen Astrid und dem schlecht gelaunten Chef. Ihre Kolleginnen.
Das Duo Mina und Sandra machte sich bereit, denn ihr Auftritt hat bereits begonnen. Astrid begann Richtung Garderobe zu gehen, ohne zu merken, dass sie obenrum noch nichts trug. In dieser Branche recht irrelevant.
Autumn verdeckte mit ihrem kleinen Körper einen Teil.

„Ich sage es auch gern nochmal. Babys haben hier nichts verloren. Mein Lokal kann ich dicht machen, wenn die hier jemand erwischt."
Die Anspannung stieg. Er beäugte sie von der Seite, als er neben ihr herlief. Sie war schlank und hübsch. Ihr langes blondes Haar trug sie meist offen, aber ihre ozeanblauen Augen hatten ihren Glanz lange verloren.
Normal war er ihrer Situation gegenüber sehr verständnisvoll, aber heute schien er nicht sonderlich gut gelaunt zu sein.
War er bekifft, oder gar zugetrunken? Hat der Inspektor einen Kontrollbesuch angekündigt?

„Was auch immer dich heute so Mies stimmt - lass es nicht an einem einundhalb Jahre alten Kind aus. Ich weiß ja, dass ich Autumn nicht mitnehmen kann - und ich würde jeden Vorschlag der das verhindern kann annehmen, aber du weißt, dass es nicht immer geht. Geistesblitze erreichen mich nicht so schnell."
Lorenz seufzte entnervt, strich ihr dabei über die Hüfte und runter zum Po - als würde ihn diese Geste beruhigen.
Sexuelle Belästigung im Strippclub.... kann man das zur Anzeige bringen? 
Er hatte definitiv etwas eingeworfen.
„Nich fair-", murmelte er.
Astrid ging einen Schritt von ihm weg. Sie wollte ihren Job und ihr Kind nicht gefährden, deshalb hielt sie ihn stumm auf Abstand.

Bin ich nur von Zuhältern, notgeilen Hunden und perversen alten Säcken umgeben?

„Wir können dieses Gespräch gern ein andermal fortsetzen, aber Autumn und ich müssen jetzt nach Hause", wechselte Astrid hastig das Thema.
Er hielt sie am Arm fest. Ihr Herz blieb stehen.
Lass los.

,,So ein reicher Flegel kommt diese Woche vorbei. Er will das ganze Gebäude kaufen, dicht machen und daraus eine Hotel machen. Ich bin hoch verschuldet, was soll ich tun? Ich könnte einige von euch mitnehmen. Ich könnte Zuhälter werden. Du bist dabei oder? Auf dich ist verlass. Vierundfünfzig Prozent deines Verdienstes bleiben ganz für dich und Autumn. Monique und Ruby sind schon dabei und Harlynn hab ich auch fast soweit", sprudelte es aus ihm heraus. Seine Augen funkelten. Astrid blieb still.
Die Beiden waren auch seine allzeit-bereit Schlampen, aber mit mir nicht.
Es gab nichts, was sie dazu zu sagen hatte und ehrlich gesagt wäre ihr darauf nicht viel eingefallen.
Sie befreite sich aus seinem Griff und verschwand in der Garderobe. Das Schloss fiel in die Tür und in genau dem Moment drehte sie den Schlüssel.
Ihn mit ihr in der Garderobe zu haben wäre vermutlich ihr nächstes Alptraum geworden.
Die blonde junge Frau setzte sich mit ihrem Kind auf das Sofa und während Astrid sich ihren Bh anzog, den sie die ganze Zeit über in der Hand trug, krabbelte Autumn von ihrem Schoß und ließ sich auf ihr Kissen fallen.
Von links und Rechts zog die junge Frau die Scheine aus ihrem Slip.
Knapp siebenhundert für fünf Stunden halb nackt vor Publikum tanzen.
Es muss reichen.

Innerhalb der nächsten zehn Minuten hatte sie sich und ihre kleine Maus angezogen und war unterwegs nach Hause.
Sie wohnte nur fünf bis zehn Minuten vom Club entfernt, was ihr allerdings nicht die Realität nahm, dass sie sich hier um Mitternacht durch einen der gefährlichsten Bezirke Berks bewegte. Als 20-jähriges Mädchen nie gut.
Autumn schmiegte sich dicht an das Dekolleté ihrer Mutter. Ihre müden Augen schienen immer wieder auf und wieder zuzufallen. Astrid lächelte. Sie war ihr Sonnenschein - der einzige Lichtblick in ihrem trostlosen Leben.
„Der Tag wird kommen Autumn. Irgendwann werden wir das Leben leben von dem wir jetzt nur träumen können. Ich versprech es dir", flüsterte Astrid, um ihre halb schlafendes Kind nicht wieder aufzuwecken.

Endlich in ihrer zwei Zimmer Wohnung angekommen, schloss sie die Tür hinter sich zu.
Ihre Schuhe landeten in irgendeinem Eck.
Das Ziel war ihr Bett und dort landete sie wenige Momente später auch schon.
Autumn hatte die 20-jährige behutsam in ihr Kinderbett, welches neben ihrem Bett stand, gelegt.
Ein kurzer Blick auf ihr Handy.
Eine Sms von ihrem Ex.
Und gelöscht.

Gute Nacht.

The really normal shit - Hiccstrid:*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt