Ich will hier nicht rein. Die Tür zu meinem Klassenzimmer sollte am besten für immer für mich verschlossen bleiben, dann wäre ich zufrieden. Aber ich muss hier rein. Es besteht keine andere Möglichkeit, außer den Unterricht zu schwänzen.
Widerwillig drücke ich die Klinge und betrete den Raum. Während ich zu meinem Platz in der vorletzten Reihe gehe, streift mein Blick durch den Raum. Die meisten sind schon da. Janin und Lee sitzen am Fenster und reden. Ich winke ihnen zu, sie winken zurück. Jay ist noch nicht da, Lila sitzt vorne und scheint mich noch nicht bemerkt zu haben. Normal. Sonst bemerken mich die wenigsten. Es ist schon neu, dass Janin und Lee mich bemerkt haben.
Als ich mich auf meinen Platz setze, fällt mein Blick auf Alya. Direkt werde ich traurig. Doch ich kann meinen Blick nicht abwenden. Schlagartig bin ich in Gedanken versunken. Gedanken über meine Angst, über den Abend, als ich mein Geheimnis verraten habe. Und darüber, wie seltsam es ist, dass mich bisher noch niemand als eine dumme Spinnerin oder weltferner Freak bezeichnet hat.
Während ich denke und starre, wendet Alya das Gesicht zu mir. Als sich unsere Blicke treffen, strahlt sie eine Ruhe aus, aber ebenso Trauer, wie ich. Aber ich kann nicht reden. Sie kennt mein Geheimnis. Vielleicht bilde ich mir die Trauer auch nur ein. Wahrscheinlich denkt sie sowieso, dass ich komplett durchgeknallt bin und zeigt es nur nicht. Es ist für mich eine logische Schlussfolgerung, nichts weiter.
Nach dem Unterricht will ich gerade das Zimmer verlassen. In der Pause habe ich wieder bei der Gruppe gesessen und wenig gesagt. Aber Alya hat auch wenig gesagt. Jetzt steht sie auf dem Flur.
Gerade will ich an ihr vorbeigehen, da packt sie mich am Arm. Alarmiert wirbele ich herum und schaue finster drein. Ich bin im Verteidigungsmodus. Doch Alya schaut mich nur ruhig an, wie immer. Warum weiß ich nicht, aber es hilft, dass ich mich etwas beruhige.
„Melanie, warum hasst du mich?" fragt sie leise. Ein kaum merkbares Zittern in ihrer Stimme lässt sich raushören.
Bestürzt sehe ich sie an. Sie denkt, ich hasse sie. Aber das tue ich nicht. Ich... mag sie. Ich schätze sie sehr. Aber dennoch habe ich Angst. Denn sie ist ein Mensch, der sich eventuell wie meine alte Klasse verhalten könnte.
„Ich hasse dich nicht, Alya..." sage ich und schaue auf den Boden. Selten habe ich mich so elend gefühlt.
„Warum behandelst du mich dann wie eine Verräterin? Warum tust du so, als wäre das was passiert ist so schlimm, dass du mich ignorieren musst?", fragt sie weiter.
„Weil es schlimm ist, dass du weißt, was ich an dem Abend gesagt habe!", schreie ich sie an. Sie versteht es nicht. Und sie will dem auf den Grund gehen. Was für ein Ärger. So wird das nichts.
Doch als ich ihr erschrockenes Gesicht sehe, tut mir alles sofort leid. Sie ist kurz zurückgezuckt, als ich sie angeschrien habe.
„Warum ist es schlimm?" fragt sie leise und geht einen Schritt zurück. Ihre Haltung ist jedoch wieder aufrecht.
„Weil..." beginne ich, breche jedoch ab. Wie soll ich ihr erklären, was passiert ist und warum ich reagiere wie ich reagiere? Wie soll ich ihr sagen, wie alles einen Zusammenhang hat, den ich nie verraten wollte? „Du verstehst es nicht," ende ich. Mein Blick ist auf meine Schuhe geheftet.
„Ich kann es versuchen," meint Alya und sieht mich flehend an. „Bitte. Wenn du mich schon ignorieren willst, sag mir wenigstens warum!"
„Das kann ich gerade nicht," antworte ich leise. „Ich brauche eine Weile Zeit für mich."
Kurz, aber verständnisvoll nickt Alya. Auch sie schaut auf den Boden. „Ich hoffe, du kannst es mir erzählen. Irgendwann."
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Sternenflüsterin
FantasyMelanie kann mit den Sternen reden und führt lange Gespräche mit ihnen. Zu ärgerlich, dass es ein Geheimnis ist, das sie nur mit ihrem Ziehvater und ihrer Ziehschwester teilen kann. Dieser Faktor lässt sie vereinsamen und Trost bei den Sternen suche...