Kapitel 9

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Die Sonne prasselt auf meinen Rücken und auf mein schwarzes Haar. Leider ist es so kurz, dass nur wenige Zotteln meinen Nacken vor der Sonne schützen. Eigentlich würde ich mich jetzt bei der Sonne beschweren, aber ich bin in der Stadt und es sind viele Menschen um mich herum. Also bin ich leise.

Eigentlich will ich einkaufen gehen, aber ich bin von meinen Gedanken abgelenkt und gehe ziellos die Einkaufsstraße entlang. Warum sind die Tage in letzter Zeit so seltsam? Ist es alles wirklich wegen Alya und dem Treffen am Samstag? Es ist zumindest die einzige logische Erklärung, die mir einfällt.

Ich atme tief durch und versuche, mich zu konzentrieren. Nach der Schule wollte ich mir nur kurz einen neuen Stift für mein Zeichentablet holen, aber das zieht sich schon seit einer Stunde hin.

Die ganze Zeit versuche ich, das Gespräch mit Spica von gestern zu verdrängen. Ich bin nicht schuld. Vielleicht ist dieses mal einfach niemand schuld. Es ist Scheiße passiert, aber niemand ist schuld. Menschen sind ja nicht wie Sterne und Sterne nicht wie Menschen. Sie haben keine Gemeinsamkeiten. Auf Sternen ist Verlass, auf Menschen nicht, außer auf meiner Familie.

Doch je mehr ich mir das in Erinnerung rufe und versuche, das zu verinnerlichen, desto weniger glaube ich daran. Alles woran ich die letzten zehn Jahre geglaubt habe gerät ins Wanken. Mein komplettes Menschenbild dreht sich um und ich beginne, es anzuzweifeln. Es ist neu. Es überfordert mich und es macht mir Angst. Nie habe ich das angezweifelt und es ist doch nur logisch, dass ich mich von Menschen fernhalte. Nachdem ich gesehen habe, wozu sie in der Lage sind, halte ich mich aus vollkommen offensichtlichen Gründen von ihnen fern. Warum fühlt sich das auf einmal so unfassbar falsch an?

Da ist der Laden, zu dem ich gehen wollte. Ich straffe die Schultern, gehe auf ihn zu und gehe durch die Tür.

Im Laden ist es schön ruhig und jetzt im Sommer gut gekühlt. Er ist klein mit wenigen Menschen und vielem Künstlerkram. Ein richtig schönes Künstlerlädchen. Auf der rechten Seite steht an der Wand ein Regal mit mehreren Notizbüchern und Stiften aller Art. In der Mitte des Ladenraumes steht ein Bücherregal mit verschiedenen Büchern, von denen man Zeichnen, Farbtheorie, Umgang mit Farbe und sowas lernen soll. Ich habe auch so ein Buch über das Zeichnen, aber das meiste lernt man immer noch durch Erfahrung.

Nun fällt mein Blick auf die linke Seite des Raumes. Dort stehen Zeichentablets und da werde ich sicher auch einen neuen Stift finden. Mit langsamen Schritten gehe ich auf das Regal zu und betrachte die einzelnen Stifte. Ich liebe Stifte fürs Tablet. Sie haben etwas an sich, das ich irgendwie schön finde.

Während ich schaue und überlege, höre ich plötzlich eine Stimme hinter mir: „Kann ich Ihnen helfen?" Erschrocken fahre ich herum und sehe den Verkäufer, zu dem die Stimme wohl gehört. Er sieht sehr freundlich aus.

„Passt schon, aber danke," antworte ich. „Ich finde mich ganz gut zurecht, denke ich."

„Okay. Wenn doch Hilfe benötigt wird, einfach fragen," meint der Verkäufer, lächelt und geht wieder zur Kasse, um einen anderen Kunden zu bedienen.

Ich nehme einen silbernen Stift in die Hand. Er liegt gut in den Fingern und ich habe das Gefühl, damit gut zeichnen zu können. Doch meine Gedanken sind nur noch halb bei dem Stift. Schau mal, ein weiterer netter Mensch, macht mich mein Gehirn aufmerksam. Verkäufer sind immer freundlich. Wäre sonst nicht gut für das Geschäft, lautet meine sture Antwort. Ich will jetzt keine Diskussion mit mir über Menschen führen. Warum muss in letzter Zeit auch alles so kompliziert sein?!

Als ich mir sicher bin, diesen Stift zu nehmen, gehe ich zur Kasse und hole meine Geldkarte aus der Tasche. Nachdem ich bezahlt habe, gehe ich aus dem Laden. Auf nach Hause! Die Straße wird langsam voller. Zu viele Menschen für meinen Geschmack.

SternenflüsterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt