Kapitel 18

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14 Tage sind nun vergangen. 14 unendlich lange Tage, die ich eigentlich nur im Bett verbrachte. Ich war nicht einmal außerhalb des Hauses, stand nur auf, um zum Kühlschrank oder auf Toilette zu gehen oder um die Tür zu öffnen, wenn der Lieferservice mir essen brachte. Hunger hatte ich zwar keinen, aber ich zwang mich wenigstens alle 2 Tage etwas zu essen. Kochen war mir zu anstrengend gerade, weshalb ich immer etwas bestellte. Geschlafen hatte ich auch so gut wie gar nicht.Wie sollte ich auch in einem Haus schlafen, in dem so viele Erinnerungen stecken? 

Kai's Tod hat mich wirklich an meinen emotionalen Tiefpunkt gebracht. Ich fühle mich, als wäre ich in einem Loch gefangen, aus dem ich nie wieder rauskomme. Der Mensch, den ich auf der Welt am meisten liebe, ist tot. Wie sollte ich das jemals verkraften? Mir geht es so schlecht, wie noch nie zuvor. Jeden Tag schaue ich mir das Fotoalbum an, welches Kai mir geschenkt hatte. Mein Versprechen, das Armband immer zu tragen, hielt ich natürlich. Ich trug seine Sachen, da sie so gut nach ihm rochen. Ich sprühte sein Parfüm auf mein Kopfkissen, vergrub mein Gesicht darin und weinte. Ich weinte eigentlich durchgehend. Ich habe mich etwa 8 mal übergeben und bin 3 mal fast ohnmächtig geworden. Mein Kreislauf macht schlapp. Verständlicherweise, wenn man bedenkt, dass ich viel zu wenig Wasser trinke. Ich bin schon oft zusammengebrochen und betrinke mich fast jeden Abend. Heute würde ich aber wieder rausgehen müssen. Meine Familie kam gestern Abend zu mir und heute wird die Beerdigung stattfinden.

,,Julian, bist du fertig? Wir müssen dann langsam los." Erkundigte sich Jascha, als er in das Schlafzimmer trat. Fertig bin ich, aber bin ich auch bereit dafür? Ich saß im schwarzen Anzug auf dem Bett, hatte das Fotoalbum in der Hand und sah mit Tränen in den Augen auf die Bilder. Ich nickte traurig, stand auf und lief an ihm vorbei. Meine ganze Familie stand schon im Flur. Kais Familie und Freunde würden wir dann vor dem Friedhof treffen. Ich weiß nicht ob ich das heute durchstehe, ich will eigentlich niemanden sehen oder mich unterhalten müssen. ,,Wir können los." Sagte ich mit trauriger Stimme. Meine Mutter zog mich in eine Umarmung, dann öffnete sie die Tür und wir liefen zum Auto. Mein Vater fährt, da ich dafür definitiv nicht in der Lage bin. Wie zu allem anderen auch, ich bekomme gerade wirklich nichts mehr auf die Reihe.

Am Friedhof angekommen wartete schon der Großteil unserer Freunde und Kai's Familie. Ich begrüßte sie alle, stellte mich dann aber wieder etwas abseits. Ich will allein sein. Als nun auch der Rest unserer Freunde kam und wir vollzählig waren, ging es auch schon los. 

Wir liefen gemeinsam mit dem Priester zu dem Grab. Dort stand ein Foto von ihm. Er hatte dieses niedliche Lächeln, bei dem seine Augen strahlten. Ich wünschte, ich könnte ihn nur noch ein einziges mal so lächeln sehen. Jetzt war es soweit, ich konnte meine Tränen nicht mehr zurück halten. Der Himmel war grau und bewölkt. Zu meiner Stimmung wäre wohl eher ein Sturm und Gewitter passend. Die Musik spielte, In the stars von Benson Boone. Das hatte Kai sich gewünscht. Als das Lied zu Ende war, begann der Priester zu sprechen. Er hielt irgendeine Rede, bei der ich aber nicht zuhörte. Ich rang weiterhin mit meinen Tränen.

Der Sarg wurde in die Erde gelassen und jeder durfte noch einige letzte Worte an ihn richten. Ich war der letzte. ,,Harvey. Ich vermisse dich so sehr. 14 Tage waren schon schlimm, wie sollen da bitte die nächsten Jahre werden? Du fehlst mir so so sehr. Seit du weg bist, geht alles schief, wirklich alles. Ich weiß, wenn du jetzt hier wärst würdest du mich in den Arm nehmen, mir sagen, dass alles gut wird und ich das alles schaffe. Aber du bist eben nicht mehr da und genau deshalb wird es auch nicht besser werden. Ich verspreche dir trotzdem, ich werde das Beste aus meinem Leben machen und dich nie vergessen. Ich liebe dich so sehr mein Engel. Wir werden uns wiedersehen, irgendwann. Da bin ich mir ganz sicher." Nach dem letzten Wort begann wieder die Sonne zu scheinen. Hatte er es gehört? Ich hoffe. Das ist genau wie die Situation vor zwei Wochen. Ich weinte immer mehr.

Bevor das Grab geschlossen wurde, durften noch ein paar persönliche Gegenstände in den Sarg gelegt werden. Ich legte seinen Ehering und sein Armband hinein. Dann war es so weit und das Grab wurde geschlossen. Sophia kam auf mich zu, nahm mich in den Arm und flüsterte ,,Er hat es gehört, da bin ich mir ganz sicher." Ich nickte und erwiderte ihre Umarmung. ,,Ich vermisse ihn so sehr. Was mach ich denn jetzt ohne ihn?" Fragte ich. ,,Ich vermisse ihn auch Jule. Wir schaffen das, okay?" munterte sie mich auf. ,,Okay. Jetzt habe ich immerhin Zeit und die Möglichkeit, ihn jeden Tag zu besuchen. Tut mir leid, dass er so weit weg von dir und allen anderen ist." Kai hatte nämlich darauf bestanden, in Dortmund beerdigt zu werden, da ich ja hier bald leben und spielen werde. Ich habe ihm gesagt, dass er das nicht tun muss, aber er will es so. ,,Ist schon gut, es war sein letzter Wunsch. Er hat dich wirklich sehr geliebt Jule. Er hat immer so viel von dir geschwärmt, das war kaum auszuhalten." Zum ersten mal seit zwei Wochen musste ich wieder lächeln. ,,Ich hoffe ihm geht es besser, da wo er jetzt ist." Fuhr sie fort. Ich nickte nur zustimmend. Natürlich wünsche ich mir, dass es ihm besser geht. Aber noch mehr wünschte ich, er wäre noch am leben.

Eine ganze Weile unterhielt ich mich noch mit Sophia, dann gingen wir alle essen. Ich hatte noch immer keinen Hunger, aber ich aß trotzdem. Die ganze Zeit dachte ich nach. Über Kai, meinen Umzug nach Dortmund und wie alles weitergehen wird. Gerade ist Spielpause, aber in 2 Wochen würde ich zum ersten mal bei Dortmund auf dem Platz stehen. Ich habe Angst, dass mich Kai's Tod so sehr zurückgeworfen hat, dass ich nicht spielen kann. Ich gebe aber mein bestes. Mein erstes Tor wird für ihn sein, sowie alle anderen Tore, die danach kommen.


Heyy ihr lieben, hier ein neues Kapitel. Geplant sind noch ein oder zwei Kapitel, dann ist die Geschichte auch schon zu Ende. Schreibt mir gern mal noch eure Meinung in die Kommentare. Ich hoffe, das Kapitel gefällt euch, auch wenn es kein schönes Thema ist. Viel Spaß noch beim lesen :)

-M <3

Please don't leave me - BravertzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt