44. Neuigkeiten

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Ich wusste nicht, ob ich mich je zuvor so schrecklich gefühlt hatte. Nicht einmal die ersten Tage bei Gregorio waren mir so grauenvoll vorgekommen wie die Zeit hier im Wayne-Manor mit der fürchterlichen Gewissheit, dass ich zerbrochen war. Ich war irreparabel geschädigt und das auf so viele Weisen, dass mir das Leben mehr wie ein nie endender Albtraum vorkam. Ich versuchte mir helfen zu lassen. Ich kooperierte bei den Gesprächen mit Dr. Campbell und ich distanzierte mich nicht mehr gänzlich von meiner Familie, aber leicht war es nicht.

Das Schlimmste an der ganzen Geschichte war wohl, dass obwohl ich wusste, dass der Joker mir geschadet hatte, mir so sehr geschadet hatte, ich ihn dennoch vermisste. Ich träumte von ihm, ich erwischte mich dabei, wie ich mir wünschte, von ihm gehalten zu werden. Es war erbärmlich. Ich benahm mich einfach erbärmlich.

Ständig erlitt ich Angstattacken und versteckte mich unter dem Bett, mir fiel es schwer zu essen, von den Albträumen musste ich mich übergeben und so war ich innerhalb kürzester Zeit nur noch Haut und Knochen und hasste mich umso mehr, weil ich erneut zuließ, dass man mich zerstörte und das, obwohl ich eigentlich in Sicherheit hätte sein müssen.

Wieso mein Kopf nicht kapieren wollte, dass der Schrecken vorüber war, wusste ich nicht. Es war lästig, so schwach zu sein. Ich wollte meine Familie mit meinem Zustand nicht mehr und mehr quälen. Ich wollte am liebsten, dass es mir gut ging, für sie und damit ich einmal frei leben konnte, dass ich nach Jahren der Gefangenschaft wieder ich sein durfte, aber leider war mein Geist wohl so beeinträchtigt worden, dass es noch sehr lange dauern würde, bis es mir wahrhaftig gutgehen würde.

„Du musst versuchen zu essen", sagte Nina mitfühlend, die mich wie damals, als ich ein Kind war, füttern wollte, den Löffel mit dem Kartoffelbrei mir vor den Mund hielt.

„Ich habe keinen Hunger", murrte ich und sie sah mich streng und fürsorglich zugleich an.

„Du musst keinen Hunger haben, du musst essen. Bitte Ella, das ist nicht gesund. Wenn das so weiter geht, kippst du noch um und ich will dich nicht an Schläuchen sehen müssen."

Nein, das war nicht gesund und nein, ich wollte so nicht enden, und nur weil ich keinen in meiner Familie weh tun wollte mit meinem trotzigen Benehmen, öffnete ich den Mund und schluckte den Brei herunter, schmeckte ihn jedoch nicht. Das alles schmeckte fad. Nachwirkungen der Tabletten, die Dr. Campbell mir aufzwang. Alles schmeckte fad und mehr wie irgendeine Pampe als wie echtes Essen.

Ich musste Tabletten nehmen. In ihren Augen konnte man mir nicht anders helfen. Es hatte genug Streitigkeiten dazu gegeben, aber ich hatte eingesehen, dass sie recht hatte und es half ja immerhin ein bisschen. Ich schaffte es zu schlafen... für ein paar Stunden zumindest, und ich war taub geworden, fühlte nicht mehr allen Schmerz auf einmal, der mich zu erdrücken scheint. Es war ein Anfang. Nicht unbedingt so wie ich es mir erhofft hatte, doch ich nahm alles, was ich kriegen konnte.

„Bringen diese Stunden mit Campbell irgendwas? Mir kommt es ein wenig so vor, als ob dein Zustand von Tag zu Tag schlechter wird. Vielleicht sollten wir wirklich weg von hier. Wenn wir Gotham früher als geplant verlassen, würde es dir guttun. Etwas das Meer sehen, die Sonne, tropische Regenwälder, die Berge... irgendwas anderes als diese furchtbare Stadt."
„Ich kann noch nicht gehen und die Stunden werden ja besser. Sie meinte, es wird anfangs schlimmer werden, bevor es besser werden kann." Beides entsprach der Wahrheit. Ich wollte Gotham noch nicht verlassen. Zuerst wollte ich wenigstens ein bisschen meiner traumatischen Vergangenheit verarbeitet haben. Wenn ich jetzt fliehe, würde diese Stadt mich auf ewig wie ein nie endender Albtraum verfolgen. Und es war auch nur natürlich, dass meine Zeit mit Campbell erst schlimmer werden würde. Darüber zu reden, was geschehen ist, wirklich wieder an all das Grauen der letzten Jahre zu denken, es war erdrückend und viel. Auf mich würden viele schwere Zeiten zukommen, aber ich hoffte, dass es irgendwann besser werden würde. Ich hoffte, dass ich irgendwann glücklich werden könnte, dass ich normal wäre, dass ich frei von den Geistern der Vergangenheit wäre. Irgendwann wollte ich keine Gefangene mehr sein.

The Virgin Queen| Joker Story [18+]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt