20. Kapitel: Tod

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Sie war stärker als er. Sie hätte ihn ohne Probleme überwältigen können. Aber sie tat es nicht. Warum? Weil er ihr Vater war? Nein, sie fühlte nichts gegenüber diesem Mann. Sie fühlte überhaupt nichts. Sie tat das, was ihr befohlen wurde. Wofür sie da war. Sobald sie sein wütendes Brüllen hörte, kam sie. Aber irgendwann verstummte er und sie kam nicht mehr. Sie wurde nicht gebraucht. Aber sie verschwand nicht.

Die Zellentür wurde geöffnet und Ciaran trat ein, gefolgt von einem weiteren Mann. Dieser fesselte seine Hände hinter dem Rücken. "Ich nehme ihn", schlug sein Schwager vor, der andere nickte und packte Stella grob an den Armen. Sie wurde im Gegensatz zu ihm nicht gefesselt, offenbar gingen die beiden davon aus, dass das nicht nötig war. Kraftlos setzte sie einen Schritt vor den anderen, er beobachtete sie besorgt, während sie den Gang entlang gingen.

Plötzlich spürte er, wie sich Ciaran an seinen Fesseln zu schaffen machte und versteifte sich unwillkürlich ein wenig. Der Mann, der Stella vor sich her trieb, merkte nichts davon. Das Seil saß nun sehr locker um seine Handgelenke. "Neben dem Kamin lässt sich die Wand nach außen drücken, dahinter befindet sich ein Tunnel", wisperte Ciaran kaum hörbar. "Ich werde sie aufhalten."

Er neigte leicht den Kopf als Zeichen, das er verstanden hatte. "Nimm Aleah und die Kleinen mit und bring sie an einen sicheren Ort", bat sein Schwager ihn flüsternd. Er nickte. Er würde seine Schwester und ihre Kinder  auf keinen Fall zurücklassen. Auf einmal verspürte er einen gewissen Respekt für ihren Mann. Er selbst hatte keine Ahnung, was Ciaran damit aufs Spiel setzen würde, aber dieser wusste es bestimmt. Und dennoch würde er es für seine Familie tun.

Sie waren die beiden Letzten, die den Raum betraten, und Ciaran schloss die Tür hinter ihnen. Er stieß ihn unsanft zu Stella an die Wand neben dem Kamin, diese schwankte ein wenig und schien kaum stehen zu können. Sein Schwager postierte sich hinter diesem schrecklichen Mann, der sich als den Präsidenten bezeichnete.

"Nun", begann dieser zu sprechen, "ich denke, es ist an der Zeit den Mund aufzumachen, meine Liebe. Andernfalls wird er sterben." Abfällig deutete er auf ihn. Dann grinste er plötzlich wieder. "Wright, vortreten." Der Angesprochene tat, was ihm befohlen wurde. Der sogenannte Präsident reichte ihm eine Waffe. "Wenn sie nichts sagt, erschießen sie ihn." Ciaran machte einen Schritt nach vorne, drehte sich aber in einer schnellen Bewegung um, riss den Präsidenten mit dem Rücken an seine Brust und drückte ihm die Waffe fest gegen den Kopf.

Die anderen Männer starrten ihn überrumpelt an und wollten dann nach ihren eigenen Waffen greifen. "Keiner rührt auch nur einen Finger." Seine Stimme war erstaunlich klar und ruhig. Sie hielten inne und blickten verunsichert zu ihrem Anführer. "Na los, macht schon", rief dieser, "der blufft doch sowieso!" Einer der Männer langte blitzschnell nach seiner Waffe, doch Ciaran hatte das vorausgesehen, riss seine eigene nach oben und drückte ab.

Der Knall war ohrenbetäubend. Putz rieselte von oben herab, die Kugel steckte in der Decke. Ciaran richtete die Waffe wieder auf den Anführer. "Runter damit", befahl er und die Männer legten ihre Waffen auf den Boden. Währenddessen ließ er unauffällig das Seil, mit dem er gefesselt gewesen war, hinter sich fallen und tastete sich ein wenig an der Wand entlang, drückte mit seinem Körpergewicht dagegen, bis diese schließlich nachgab und den verborgenen Tunnel enthüllte.

"Sie wollen fliehen! Haltete sie auf!", rief der Präsident und die Männer hechteten erneut nach ihren Waffen. Doch bevor sie irgendetwas tun konnten, hallte ein weiterer Knall durch den Raum. Der Anführer sackte in Ciarans Armen zusammen. Die nächsten Sekunden verliefen wie in Zeitlupe. Er sah, wie Ciaran das Wort 'Lauf' formte. Er griff nach Stellas Hand und zog sie in den Tunnel, während die wütenden Männer versuchten, ihren getöteten Anführer zu rächen und den Verräter zu töten, der die Leiche des Präsidenten wie einen Schutzschild benutzte.

Aber Stella sackte in sich zusammen, noch am Eingang des Tunnels, und stand nicht mehr auf. "Stella!", rief er verzweifelt und versuchte, sie hochzuziehen. "Wir müssen hier weg! Stella!"


Stella war geflohen. Und jemand anderes trat an ihre Stelle.

Timea kam aus den Tiefen hervor. Aber sie sah diese Männer, erkannte sie, wusste, dass sie sie suchten und versteckte sich wieder.

Elli bemerkte Timeas Angst, nahm ihren Platz ein, ließ sie gehen. Aber es war nicht ihre Art des Kampfes, der hier ausgetragen wurde. Und sie verschwand.

Tarik erschien. Er hielt die Schmerzen aus, nahm sie den anderen ab. Aber in dieser Situation konnte er nicht helfen. Er war weder ein Kämpfer noch ein Flüchtender. Und er ging.

Doch jemand hörte Adriels verzweifelte Schreie und erkannte sie als etwas anderes. Alessia kam. Und sie tat das, was sie sonst auch immer getan hatte. Sie kämpfte.


Plötzlich ging ein Ruck durch ihren Körper und sie sprang auf. Doch anstatt mit ihm durch den Tunnel zu flüchten, rannte sie zurück in den Raum. "Stella!" Sie riss einem der Männer die Waffe aus der Hand und begann, damit zu schießen. Zuerst traf sie Ciaran ins Bein und er stürzte, unter dem Gewicht des toten Anführers schwankend, zu Boden. Die Männer griffen nun sie an, doch sie wich den fliegenden Kugeln geschickt aus und traf sie ihrerseits. Die Männer gingen reihenweise zu Boden. "Stella!" Entsetzt starrte er auf das, was sie angerichtet hatte. Nur noch wenige der Männer bewegten sich, stöhnten schmerzvoll, wissend, dass sie bald ihren letzten Atemzug aushauchen würden.

Sie drehte sich zu ihm um und richtete die Waffe auf ihn. "Stella..." Sie schien ihn nicht zu erkennen. Etwas blitzte in ihren Augen auf und er wollte sich noch zur Seite werfen, aber es war zu spät. Sie hatte abgedrückt. Er spürte, wie die Kugel irgendwo unterhalb seines Brustkorbs eindrang. Er taumelte und fiel dann ins Bodenlose.


952 Wörter. ✨Cliffhanger✨ Aber ich werde heute wohl noch ein Kapitel hochladen, auf den Wunsch einer gewissen Klara ... Euch allen auf jeden Fall frohe Weihnachten! 🤗 

Soul ShardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt