Die Legende der weißen Frau

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Angekommen in der Bibliothek, suchte ich mir im hintersten Eck einen Platz, wo ich meine Ruhe hatte und mich niemand sah, wenn er die Räume betrat. Dann baute ich meinen Laptop auf, wählte mich ins Netz ein und suchte nach Aufzeichnungen über die Historie der Stadt. Zu meinem Glück waren diese für die Öffentlichkeit zugänglich. Ich hatte es auch schon erlebt, dass vieles unter Verschluss gehalten wurde. Und die wenigsten Kleinstädte machten sich die Mühe, ihre Sachen zu digitalisieren.

Die Bibliothekarin war zu meinem Glück sehr zuvorkommend und hatte mir geglaubt, dass ich es für ein Projekt meiner Uni bräuchte. Bereitwillig hatte sie mir alles rund um Gräber und Friedhöfe herausgesucht. Sowie weitere legenden rund um das Thema. Ich war erstaunt, wie viele es waren.

Doch zunächst schickte ich Lilly ein Foto des Schlüssels und fragte sie, ob er zum Motel gehörte. Sie rief mich keine Sekunde später an, als hätte sie nur auf ein Zeichen von mir gewartet.

„Jake, Gott sei Dank, meldest du dich, ich habe mir Sorgen gemacht. Wie geht es deinem Gesicht?"

„Danke Lilly, mir geht es so weit gut. Pocht nur ziemlich. Das vorhin tut mir leid... ich...keine Ahnung, was da in mich gefahren war ..."

„Jake, du brauchst dich nicht entschuldigen, selbst du konntest bei Dans Dummen verhalten nicht ewig zusehen. Mit deinem letzten Satz hast du ihm ganz schön eine verpasst. Vicki hätte wahrscheinlich vor Lachen in der Ecke gelegen. Das ist genau ihre Art mit so was umzugehen."

Ich musste schmunzeln „Ja, wahrscheinlich. Und danach hätte sie uns beide zur Schnecke dafür gemacht. Ich vermisse sie Lilly ..."

„Wir alle vermissen sie Jake, aber sie hätte nicht gewollt, das wir uns gegenseitig zerfleischen. Was auch immer sie bewegt hat zu springen. Da muss mehr dahinter stecken ..."

Plötzlich kamen mir Rosslos Worte in den Sinn „Da liegst du wahrscheinlich gar nicht mal so falsch ..." schnell erzählte ich ihr von meinen Begegnungen mit ihm und auch wie ich den Schlüssel fand.

„Seltsam. Es sieht ja fast so aus, als hätte dich die Person in Weiß jedes Mal von ihm weggelockt. Wie ein gespenstischer Schutzengel oder so. Vielleicht hat sie auch den Schlüssel für dich fallen lassen?"

„Jetzt fang du nicht auch noch damit an. Es gibt keine Geister. Dahinter steckt jemand aus Fleisch und Blut, aber mit dem Schutz könntest du auf eine bizarre Art recht haben. Leider konnte ich sie bis jetzt nie wirklich sehen. Immer nur diese weißen Stofffetzen im Augenwinkel. Und dann die Worte, die Rosslo sagte... Ob er Vicki gemeint hatte?"

„Es liegt zumindest nahe, und ja, sie würde so ziemlich alles für dich tun. Auf der anderen Seite... Glaube ich es irgendwie nicht. Vicki hätte eher halb Kanada in Brand gesteckt und einen Krieg angezettelt, als von einer Klippe zu springen. Sie war eher der Typ Mensch, der mit Schild und Axt auf die Dinge losging, anstatt so etwas zu tun und dich allein mit allem zu lassen. Sie hätte dir etwas gesagt ..."

„Außer die konnte nicht, weil ich sie allein gelassen hatte, mal wieder. Weil ich ihre Schwester nicht retten konnte... Sie hätte jedes recht gehabt, mich zu verraten ..."

„Jake! Nein, auch wenn ich zu Beginn nicht ihr größter Fan gewesen war... Sie war immer da und sie liebte dich. Wenn überhaupt, hat dieser schmierige Kerl etwas damit zu tun da bin ich mir sicher."

„Vielleicht ist ihre Liebe ja so stark, dass ihr Geist dich nun beschützt!"

Die weibliche Stimme erklang direkt hinter mir und ich erschrak so heftig, dass ich mit dem Stuhl stürzte.

„Oh Jake Entschuldigung, ich wollte dich nicht erschrecken. Ich habe euch nur bei eurem Gespräch nicht stören wollen."

Mit rasselndem Atem sah ich zu Jessy hinauf, die mich besorgt ansah. Verdammt, ich hatte sie überhaupt nicht reinkommen sehen.

Duskwood- V ( Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt