Einen Becher warmen Gewürzweins in den vor Nervosität bebenden Fingern, saß Beorid dem zukünftigen König an seinem kleinen, jedoch kunstvoll geschnitzten Tischchen gegenüber, den Blick starr auf die rote Flüssigkeit geheftet. So lange hatte sie von diesem Moment geträumt, doch nun da er endlich gekommen war, fehlten ihr die zuvor sorgsam zurechtgelegten Worte.
„Wir sind einander bereits begegnet", stellte der Erbe Isildurs fest und musterte die ihn überrascht anblickende Frau voll warmen Interesses. „Ihr habt an Faramirs Seite gewacht und auch Euch ist es zu verdanken, dass die vom Schwarzen Atem Befallenen überlebten. Verzeiht, doch Euer Name muss mir entfallen sein..."
Leicht beschämt musste die Heilerin feststellen, dass ihr in all der Aufregung die guten Manieren abhandengekommen waren und sie versäumt hatte, sich vorzustellen, was die Frau nun hastig nachholte.
„Beorid...", wiederholte Aragorn und ein überraschtes Funkeln trat in die grauen Augen des Mannes, welche die junge Frau nun noch interessierter betrachteten. „Nun denn, Beorid, wollt Ihr mir verraten, welch dringliches Anliegen Euch zu dieser späten Stunde noch umtreibt?"
Seine Miene war freundlich, doch die Heilerin spürte, dass der Mann ihr gegenüber mehr von ihren Beweggründen ahnte, als er vermuten ließ. Nur kurz zögerte die junge Frau, wog sorgsam ihre Worte ab, denn viel stand für sie und ihre Familie auf dem Spiel.
„Um das Leben meines Bruders Beregond wage ich zu bitten, mein Herr. Verzweifelte Liebe und Ergebenheit führten seine Hand, während sein Handeln zur gleichen Zeit Leben nahm, wie es bestrebt war, Leben zu retten. Die Schuld quält seit jenem Moment sein treues Herz und wird dies bis ans Ende seines Lebens. Ich flehe Euch an, mein Herr, bitte verschont das Leben meines Bruders."
Die gütigen Augen des Thronerben ruhten voll ernsthafter Nachdenklichkeit auf der jungen Heilerin, welche vor Aufregung zitternd sein Urteil über ihren Bruder erwartete. Doch auch der künftige König ließ sich mit seiner Antwort Zeit, legte sich seine Worte sorgsam zurecht, wissend dass eine solch schwierige und schwerwiegende Entscheidung nicht aus dem Moment und einer Laune heraus getroffen werden durfte.
„Die Entscheidung über Beregonds Strafe liegt noch vor mir und kein Richterspruch wird diese Nacht fallen. Meine Herrschaft soll auf dem soliden Pfeiler der Gerechtigkeit fußen, drum bin ich es deinem Bruder schuldig, ihn zu Wort kommen zu lassen, ehe ein Urteil gefällt wird", erklärte sich der künftige König der Bittstellerin, welche verstehend nickte, obwohl aus ihrem blassen Gesicht noch immer die Sorge herauszulesen war.
„Die Familien und Freunde der Getöteten hat er aufgesucht, um Verzeihung bittend. Doch gleichwohl einige Verständnis für Beregonds Tat aufbringen konnten, Vergebung hat er nicht erfahren", berichtete Beorid mit leiser Stimme.
Da schenkte der König ihr ein Lächeln: „Verliert nicht den Mut, Beorid! Recht und Gerechtigkeit gehen Hand in Hand miteinander und kommen doch so oft auf unterschiedlichen Wegen. Lasst mich Euch versichern, dass ich eine aufrichtige Seele erkenne, wenn sie vor mir steht. Mehr will ich in dieser Nacht nicht über diese Angelegenheit sprechen. Doch sagt, seid ihr mit noch einem weiteren Anliegen zu mir gekommen, meine Liebe?"
Ein wenig hatte sich bei diesen beruhigenden Worten der kalte Griff der Furcht um das Herz der jungen Frau gelockert, denn nichts als aufrichtiges Wohlmeinen ließ sich in ihn den ernsten Augen des Thronerbens entdecken. Deutlich war Aragorn gewesen und keiner noch so großen Bemühung wäre es geglückt, sein Urteil in dieser Nacht noch weiter zu beeinflussen. Gleichwohl dennoch hoffte Beorid, dass ihre Fürbitte Gehör gefunden hatte und ihren Bruder ein milderes Urteil als der Tod erwartete.
Obwohl sie nur vermuten konnte, woher die Annahme des einstigen Waldläufers stammte, so lag er doch richtig, dass noch ein weiteres Anliegen die junge Mutter umtrieb. Den Schlaf hatten ihr diese Fragen ebenso geraubt wie die Alpträume von der Hinrichtung ihres Bruders. Froh, die Gelegenheit zu erhalten, endlich Licht in das Dunkel zu bringen, trug die Heilerin vorsichtig ihr Anliegen vor: „Von Euch Antworten zu erhalten, hatte ich gehofft, denn man sagte mir, ihr seid in der Stunde seines Todes an der Seite Boromirs gewesen."
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Von Tod, Liebe und Hoffnung
FanfictionEs sind nicht bloß die Soldaten, die den Krieg und damit die Zukunft entscheiden. Denn wer wird da sein, wenn alles in Trümmern liegt? Wer wird die Wunden der Welt heilen und für das Fortbestehen des Volkes sorgen? Es sind die Unscheinbaren, die i...