Lebhaftes Geplauder drang bereits durch die geschlossene Tür nach außen, doch als Beorid sie öffnete und eintrat, erstarb die gute Laune augenblicklich und geschwind eilten sich die anderen Heilerinnen sehr beschäftigt zu wirken. Dabei blieb jedoch unverkennbar, dass sie nur wenige Augenblicke zuvor noch über die junge Mutter getratscht und gelacht hatten.
Die Ausgrenzung schmerzte die Frau, besonders in dem Wissen, welch hohen Preis ihre Entscheidung zu Bleiben ihr abverlangt hatte. Sehr hoffte sie darauf, dass die Gerüchte über sie und den unbekannten Vater ihrer Tochter an Schärfe und Reiz verlieren würden, ehe die Kleine alt genug war, zu verstehen, was um sie herum geschah. Beorid hingegen würde den Spott und die Blicke ertragen müssen, denn dies war ihr selbstgewähltes Schicksal.
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„Ruh dich aus, Beorid!" Die düstere Miene des Heilers ließ böses erahnen, gleichwohl er der jungen Mutter nur mitteilte, dass ihr Körper von der Schwangerschaft und der harten Arbeit stark geschwächt war. „Du bist uns keine Hilfe, wenn du hier kränker herumläufst als die meisten Patienten."
Sie nickte, nahm sich voller Ernst vor, ihren Leib zu schonen. Doch bereits nach zwei Tages war die junge Mutter wieder die erste, die morgens die Hallen betrat und diejenige, die bis in die späten Abendstunden an den Betten der Verwundeten weilte. Keine Ruhe ließ Beorids Gewissen ihr, stets drängten sich Gedanken auf, wie es wohl wäre, wenn Boromir an der Stelle eines dieser Kranken gewesen wäre.
Doch noch ein anderer Zwiespalt quälte die Frau. Die harte Arbeit verlangte ihr alles ab und stets fürchtete die Heilerin, ihrer Tochter zu wenig Aufmerksamkeit und Liebe zu schenken. Es besänftigte jedoch ihr Gemüt zu wissen, dass die anderen Heilerinnen das kleine Mädchen trotz des Getuschels über den unbekannten Vater mit Zärtlichkeiten nur so überschütteten. Das Körbchen nahm die junge Mutter stets mit und niemand vermochte es, vorbeizugehen, ohne einen Blick auf das fröhlich lächelnde Mädchen zu werfen.
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Lächelnd betrachtete die Heilerin den Soldaten, wie er sich über das Körbchen beugte und ihrer Tochter ein fröhliches Glucksen entlockte. Unerwartet zärtlich kraulten die schwieligen Finger das kleine Bäuchlein, ehe winzige Finger sich um sie schlossen. Schon des Öfteren war der Mann zurückgekommen, um sie beide zu besuchen, dabei war seine Rippenfraktur bereits so gut verheilt, dass diese keiner weiteren Beobachtung bedurft hätte.
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„Was soll nur mit meinem Kind geschehen, wenn ich sterbe?", die junge Mutter schluchzte bitterlich. Der dürre Körper in den Armen ihrer einzig verbliebenen, wahren Freundin erschauerte. „Die Waisenhäuser sind nach diesem schrecklichen Krieg überfüllt. Ich kann nicht zulassen, dass sie eines dieser bedauernswerten Geschöpfe wird, gänzlich ohne Familie, ohne Halt, ihre Geschichte vergessen..."
„Immer habe ich dich für deine Stärke bewundert, Beorid, wie du jeglichem Sturm zum Trotz deinen Weg gegangen bist. Doch so sehr ich dir auch helfen will, meine Kraft reicht für diese Aufgabe nicht aus", murmelte Eleya beschämt, ebenfalls mit den Tränen ringend.
Da löste sich die kranke Frau aus der Umarmung und blickte ihre Freundin ernst, doch zugleich auch voller Liebe an: „Du bist stark Eleya! Dein Herz ist voller Güte, Träume und Lebenslust. Wenn dies dein Schicksal ist, so wirst auch du eines Tages einen Mann finden, der dich glücklich macht und dir einen ganzen Haufen Kinder schenkt. Doch zum heutigen Tage ist dein Drang nach Freiheit viel zu stark, als dass ich dir die Last eines Kindes aufbürden würde. Sei frei, flieg davon und lebe dein wildes Leben!"
Die rothaarige Heilerin lachte erleichtert auf und verlor dann doch den Kampf gegen die Tränen.
„Ich danke dir", flüsterte sie Beorid zu und schloss ihre Freundin wieder fest in die Arme.
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„Mein Herr, Euer Antrag ehrt mich und wahrlich empfinde ich Euch gegenüber eine warme Zuneigung, die jedoch rein freundschaftlicher Natur ist. So leid es mir tut, ich muss euch doch einen Korb geben, denn mein Herz wird auf Ewig einem anderen Mann gehören", lehnte Beorid freundlich, aber bestimmt ab.
Fedogart wirkte enttäuscht, doch überrascht von ihrer Zurückweisung schien der Soldat nicht zu sein. Dass seine Zuneigung zu der Heilerin nicht auf dieselbe Art und Weise erwidert wurde, daraus hatte diese nie einen Hehl gemacht. Dennoch war im Laufe der Wochen ein enges Band zwischen den Beiden gewachsen und Beorid hoffte sehr, dieses würde durch die enttäuschte Hoffnung keinen Schaden nehmen.
Voller Zuneigung lächelte sie den Soldaten an, der sich nie an der Tatsache gestört hatte, dass sie die Mutter eines Bastards war. Im Gegenteil, hatte er die kleine Lucia doch offensichtlich bereits ebenfalls ins Herz geschlossen und sich nun dieses gefasst, ihr einen Antrag zu machen. Wäre es Beorids Wunsch gewesen, Fedogart hätte sich gar als der Vater des Mädchens ausgegeben, seine Ehre beschmutzt, um den Makel von ihrem Namen zu waschen. Eine womöglich glückliche Zukunft wäre ihnen vergönnt gewesen, eine Beziehung auf der Basis freundschaftlicher Liebe und Respekt.
Die Vorstellung ihre Bürde abzugeben, die Last auf ihren Schultern mit einem Vertrauten zu teilen, war verlockend gewesen, doch Beorid hatte es nicht über sich gebracht. Mit Geheimnissen konnte sie leben, mit Lügen hingegen nicht.
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Völlig erschöpft von ihrem anstrengenden Tagwerk und der bleiernen Schwere, welche ihren Körper seit einigen Wochen im Griff hielt, wie zäher Sirup durch ihre Adern kriechend, lag Beorid im Bett. Durch das offene Fenster drang die Kühle der Nacht hinein, doch die Frau brachte es nicht über sich, das silberne Licht der Sterne auszusperren.
Dieselben Gestirne wachten womöglich über den ewigen Schlaf ihres Mannes. Der Krieg war vorüber, dies hätte die Zeit sein sollen, da sie Beide Seite an Seite nebeneinander lagen, viel zu beschäftigt mit dem Austausch von Zärtlichkeiten, um die glänzenden Lichter wahrzunehmen. Nun lag sie alleine und zitternd unter ihrer dünnen Decke, ihre Brust erfüllt von unvorstellbarem Sehnen, die Wangen geziert von heißen Tränenflüssen.
„Oh Boromir, könntest du doch bloß bei mir sein!", wisperte die junge Mutter mit kummererstickter Stimme ihren Herzenswunsch in die Nacht hinaus. Doch niemand würde ihr diesen je zu erfüllen vermögen.
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Von Tod, Liebe und Hoffnung
FanficEs sind nicht bloß die Soldaten, die den Krieg und damit die Zukunft entscheiden. Denn wer wird da sein, wenn alles in Trümmern liegt? Wer wird die Wunden der Welt heilen und für das Fortbestehen des Volkes sorgen? Es sind die Unscheinbaren, die i...