~ Ein Versprechen für die Ewigkeit II ~

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Das helle Lachen hallte viel zu laut durch die Gänge, doch es war Boromir gleich. Wer würde schon darauf kommen, dass dieser reine, unbekümmerte Laut aus der Kehle seiner sonst so ernsthaften Heilerin stammte? Schnell brachte der Mann sie mit einem Kuss zum Verstummen. Ihre Lippen waren weich und ihr Atem schmeckte nach dem Kräutertee, den sie so gerne trank.

„Triff mich heute Abend an der Abzweigung", verlangte Beorid und löste sich widerstrebend von ihrem Geliebten.

„Wie schön wäre es, müssten wir uns nicht immer verstecken!", flüsterte Boromir wehmütig, doch sie beide wussten, dass dies nicht möglich war.

Das Lächeln, das sie ihm schenkte, sollte ihn aufheitern, doch er erkannte die Sehnsucht dahinter. „Hab Geduld, Liebster", flüsterte sie und huschte davon als in der Ferne Schritte erklangen.

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„Ich wünscht, wenigstens Faramir könnten wir es erzählen", seufzte Boromir und schmiegte seine Wange an das dunkle Haar. Ein ähnlicher Laut entfleuchte auch den Lippen der Heilerin: „Das wünschte ich ebenfalls, doch derartiges können wir nicht von ihm verlangen. Geduld ist die Tugend, die es nun zu beweisen gilt, ebenso wie die Stärke der Verschwiegenheit." Sie spürte das unzufriedene Brummen an ihrem Ohr, als Boromir sie noch fester umarmte.

„Geduld war noch nie meine Stärke, die Offensive liegt mir deutlich mehr", erklärte der Mann und brachte seine Geliebte damit zum Schmunzeln.

„Aus diesem Grunde hast du mich, ich kann geduldig sein für Zwei", neckte die Heilerin liebevoll, obwohl auch ihr die Heimlichkeit schwer auf der Seele lastete. Einander im Arm haltend, die Augen geschlossen, genoss das verliebte Pärchen die wenigen Minuten in der dunklen Gasse bevor jeder wieder seiner Wege gehen musste.

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Aufgebracht lief Boromir im Zimmer auf und ab. In jedem donnernden Schritt steckte die Wut, die sein Innerstes in Flammen zu versetzen schien. „Wie kann er nur?! Hab ich ihm nicht jeden Wunsch von den Augen abgelesen? Habe nicht ich mein Leben jahrelang auf dem Schlachtfeld riskiert, nur um seinem Willen gerecht zu werden?"

Der Mann hätte die Worte gerne herausgeschrien, doch wollte er seine liebste Heilerin nicht verschrecken, weswegen die Vorwürfe nur mühsam unterdrückt über seine Lippen kamen. Der Blick aus sanften braunen Augen lag ohnehin bereits voller Sorge auf ihm.

„Beorid, mein Herz, was sollen wir nur tun? Ich kann nicht länger warten!" Er hatte in seinem rastlosen auf und ab Stampfen innegehalten und blickte nun sehnsüchtig auf die dunkelhaarige Frau herab; in seinem Blick rangen Zorn, Verzweiflung und Verlangen miteinander.

Sie hielt ihm die Hand entgegen, lud ihn ein, neben ihr auf der Bettkannte Platz zu nehmen. Auch in ihren Augen las er Traurigkeit und Sehnsucht, doch ihre Stimme war sanft, als sie sprach: „Hab Vertrauen. Manche Dinge brauchen ihre Zeit und wenn die richtige Stunde gekommen ist, wollen wir uns ohne Zorn und Zwietracht unser Wort geben."

Neben ihm wirkte die junge Heilerin mit ihrer ruhigen, besonnenen Art geradezu weise, obwohl Boromir ein ganzes Jahrzehnt älter war. Unglücklich seufzend griff er nach ihrer Hand und führte sie an seine Lippen: „Nichts, auch nicht mein Vater, wird mich davon abhalten können, dich zur Frau zu nehmen. Das schwöre ich dir bei meiner Ehre, Liebste."

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Die Freude der beiden Liebenden, einander wohlbehalten nach der Schlacht wiederzusehen, war unbeschreiblich. Vor unliebsamen Blicken verborgen, hatten sich die Zwei in eine abgelegene Seitenstraße zurückgezogen und überhäuften einander nun mit Zärtlichkeiten. Doch die in ihrer Überschwänglichkeit unbedarfte Stimmung währte lediglich kurz.

„Sollte ich nicht zurückkommen, versprich mir, dass du einen anderen zum Manne nimmst. Ich würde nicht wollen, dass mein Tod auch dein Leben zerstört", flüsterte Boromir so dicht vor den Lippen der Heilerin, dass ihr beider Atem sich vermengte. Die blauen Augen des Mannes sprachen von der Qual, die ihm der Gedanke, seine Liebste verlassen zu müssen, seit Wochen bereitet hatte. Der Griff um ihre Finger verstärkte sich unmerklich, versah die Bitte mit zusätzlicher Dringlichkeit. Doch die Frau schüttelte den Kopf, die Augen verzweifelt aufreißend.

„Bitte Liebster, sprich nicht vom Tod. Ich werde hierbleiben, wenn du morgen früh dein Pferd besteigst, und ich werde warten bis von den Stadtmauern her der Ruf erklingt: ‚Der Herr Boromir ist Heim gekehrt!' Lass uns diese Nacht nicht mit Gesprächen der Angst verbringen, sondern wertschätzen was uns gegeben wurde. Ich bin unendlich dankbar dafür, dich lieben zu dürfen und nichts soll dieses Gefühl beflecken heute Nacht", flüsterte Beorid, die Stimme eindringlich gesenkt.

„Dann will ich dir zeigen, wie dankbar ich bin, dein Geliebter sein zu dürfen", erwiderte Boromir und gab ihr einen so zärtlichen Kuss, dass es schien, als wäre nichts weiter als eine warme Windbö über ihre Lippen gestrichen. Schon wollte sie den Kuss erwidern und vertiefen, da ließ er von ihr ab und sank auf die Knie.

Verwirrt und besorgt legte die junge Heilerin die Stirn in Falten und wollte sich ebenfalls niedersinken lassen, glaubend Boromir sei im Kampf verletzt worden und ihr sei diese Verwundung entgangen. Da griff der Sohn des Truchsesses in die Tasche seines Mantels und zog einen kleinen Gegenstand in der geschlossenen Faust hervor.

„Mein Vater hat mir heute endlich seinen Segen gegeben, nun frage ich dich Beorid, Tochter Beronors, willst du meine Gemahlin werden, sobald ich von meiner Reise zurückkehre?", sprach er mit feierlicher Stimme und hielt ihr in der geöffneten Hand einen silbernen Ring entgegen.

Die junge Frau wandte nicht den Blick vom Gesicht ihres Liebsten, der im Staub der Straße vor ihr kniete und gespannt zu ihr emporblickte, bis sie zu ihm herabsank und ihm auf Augenhöhe antwortete: „Boromir, Denethors Sohn, ich werde dich immer lieben und ehren. Ich werde jeden Morgen als deine treue Gemahlin aufwachen und jeden Abend mit den Gedanken an dich, meinen Gemahl, einschlafen."

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Sanft wischte Boromir die Träne von der Wange seiner Verlobten, versuchte ihr mit einem Lächeln auch die Sorgen zu nehmen. „Weine nicht, denn wenn ich heimkehre, werden wir Hochzeit halten. Mit dem Segen meines Vaters und allem, was du dir ansonsten noch wünschen kannst!"

„Mein Herz und meine Gedanken werden immer bei dir sein", versicherte die junge Frau und zwang ein Lächeln auf ihre schmalen Lippen. Ein verweintes Gesicht sollte nicht das letzte Bild sein, das ihr Verlobter von ihr in Erinnerung behielt, wenn er monatelang auf einer gefährlichen Reise war.

Doch so sehr sich die Heilerin auch mühte, die Trauer wich nicht aus ihren braunen Augen, als sie ihrem Liebsten einen letzten Abschiedskuss auf die Lippen drückte.

Im Türrahmen drehte Boromir sich noch einmal um. Sein Blick nahm nur die schmale Gestalt seiner Geliebten wahr, die tapfer versuchte, aufrecht zu stehen, obwohl das Gewicht der Trauer schwer auf ihren Schultern lastete und sie niederzuringen drohte. Ein letztes Mal lächelte er ihr zu.

Als die Tür ins Schloss fiel, brach auch Beorid zusammen. Auf dem Boden vor dem Bett, in dem sie in der letzten Nacht ihre Unschuld an den Mann verschenkt hatte, der schon ihr Herz besaß, lag sie und weinte bittere Tränen der Angst.

Von Tod, Liebe und HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt