~ Lieben und Geliebt werden II ~

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Schon wieder ein Bote! Es fiel Beorid wahrlich schwer ein abgrundtiefes Seufzen zu unterdrücken, als sie den armen Mann sah, der ihr eine rote Rose entgegen hielt, den Blick beinahe flehend.

„Der Schwachsinn musste endlich aufhören!", dachte die Heilerin bei sich und schickte den unglückseligen Überbringer samt Geschenk wieder fort.

Hinter sich konnte sie die anderen Frauen tuscheln hören. Das Geschwätz war bereits seit Wochen im Gange, seit das erste Mal eine Blume in aller Öffentlichkeit an sie gesandt worden war. Zwar hatten die Weiber, die sich hinter ihrem Rücken das Maul zerrissen, keine Ahnung, von wem diese Aufmerksamkeiten stammten, doch tat dies ihren wilden Spekulationen keinen Abbruch. Im Gegenteil, es befeuerte sie gar!

Verstimmt verließ Beorid den Raum, wollte dem Gerede entfliehen, doch so groß die Häuser der Heilung auch scheinen mochten, an ein echtes Entkommen war hier nicht zu denken. Wenn sie das Problem lösen wollte, musste die Heilerin wohl oder übel dem freigiebigen Schenker ins Gewissen reden, sie mit seinem Werben zu verschonen.

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„War das alles?" Die Lippen der Heilerin waren zu einem schmalen Strich zusammengepresst, bemüht, sich die Wut nicht anmerken zu lassen, welche sich dennoch sichtlich in ihren Zügen abzeichnete.

„Sie ist so süß, wenn sie wütend ist", dachte Boromir bei sich, unterdrückte aber den Drang der Frau das verschwitzte Haar aus der Stirn zu streichen. Sie musste sich sehr beeilt haben, als man sie rief, einen Patienten aus dem siebten Ring zu behandeln.

„Ja, das wäre alles", erwiderte der Sohn des Truchsesses gelassen und besah sich den Verband um seinen Zeigefinger genauer. Die kleine Verbrennung, welche er sich an der Kerzenflamme zugezogen hatte, wäre nie und nimmer ein Grund gewesen, nach einem Heiler zu schicken. Aber in einem Anflug von Sehnsucht nach der jungen Frau, hatte er sich zu dieser Schnapsidee hinreißen lassen. Vermutlich war es das letzte Mal gewesen, dass sie seinem Ruf Folge geleistet hatte.

Anfangs war es die Neugierde gewesen, welche ihn dazu bewogen hatte, sich die braunhaarige Heilerin genauer anzusehen. Es kam nicht oft vor, dass sein Bruder sich für jemanden interessierte, der nicht zaubern konnte oder seine Tage tief unten in der Bibliothek verbrachte. Doch inzwischen konnte Boromir Faramirs Interesse wahrlich verstehen. Die trotz ihrer Jugend vollkommen ernsthafte Frau hatte etwas an sich, dem er sich nicht mehr zu entziehen vermochte, seit er in dieser einen Nacht mit ihr am Lager seines fiebernden Bruders gewacht hatte. Viel zu viele Stunden des Schlafes hatte ihn seither der Gedanke an diese sanften braunen Augen gekostet und doch sehnte Boromir sich noch immer nach ihnen.

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„Wie wäre es stattdessen mit Sonne meiner Tage?", schlug Boromir scherzhaft vor, obwohl er genau wusste, dass ihr dieser Kosename der Heilerin genauso wenig behagen würde, wie all die anderen, die er bereits bei ihren anderen Begegnungen vorgeschlagen hatte.

Ungewohnt vergnügt entgegnete Beorid jedoch: „Nennt mich, wie ihr wollt, solange es nichts Unanständiges ist. Und jetzt gebt mir meine Tasche wieder, Ihr habt sie lang genug getragen."

Ihre kleine Hand griff nach dem Lederband, wollte ihm ihr Eigentum einfach abnehmen, doch Boromir war schneller. Mit einer einzigen fließenden Bewegung zog er die Finger der Frau an die Lippen und küsste diese, ohne dabei den Blick von dem überraschten Gesicht der Heilerin abzuwenden.

„Wann werde ich Euch wieder sehen?", wollte er wissen.

Ihre Wangen röteten sich, doch Beorid zog bestimmt ihre Hand zurück und entgegnete: „Am besten gar nicht mehr. Ich bin keine Frau, die sich auf derart Spielchen einlässt und mich ansonsten gezielt zu treffen, bedeutet immer, dass irgendjemand verletzt wurde."

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Die Heilerin wusste keine guten Gründe, das großzügige Angebot abzulehnen, immerhin war es beinahe Mitternacht. Nicht dass sie Angst vor der Dunkelheit gehabt hätte, aber Beorid war eine umsichtige Frau, die sich nicht der Illusion hingab, dass alle Straßen zu dieser Uhrzeit sicher waren, für jemanden wie sie.

Boromir war an diesem Abend schweigsam gewesen, doch seine Augen hatten sie kaum einen Moment alleine gelassen. Beorid war sich unsicher, welche Empfindungen diese Blicke in ihr auslösten, hatte sie mit dem verwirrenden Schauer, der ihr dabei über den Rücken lief, doch wenig Erfahrung. Die stille Gesellschaft gab ihr allerdings die Gelegenheit sich selbst über die eigenen Gefühle Klarheit zu verschaffen.

Erst nachdem sie den fünften Ring hinter sich gelassen hatten, ergriff Boromir das Wort und es schien ihr, als hätte er bis zu diesem Zeitpunkt mit sich selbst gerungen, die Worte laut auszusprechen: „Beorid, erlaubt mir, Euch den Hof zu machen."

Es bedurfte nicht eines Moments des Zögerns, da schüttelte die Heilerin bereits energisch den Kopf: „Nein."

„Nein?", wiederholte der Mann überrascht, mit dieser Antwort hatte er offenbar nicht gerechnet, obwohl ihr Verhalten ihm gegenüber seit jeher ablehnend gewesen war. Beorid nickte.

Konsterniert blickte der Mann die junge Frau an: „Aber aus welchem Grund solltet ihr mir diesen Wunsch verwehren? Hat mein Verhalten Euch gegenüber jemals Anlass zur Klage gegeben?"

„Durchaus, hat es mich doch zum Gespött aller Tratschweiber gemacht", schoss es der Heilerin durch den Kopf, aber es wäre zu dreist, ihm dies an den Kopf zu werfen. Bemüht diplomatisch versuchte sie stattdessen darzulegen, dass sie ihr Leben der Heilkunst widmen würde, einer Aufgabe, die keine Ablenkung durch familiäre Pflichten zuließ.

Boromirs Gesicht umwölkte sich und ein harter Zug der Enttäuschung trat um seinen Mund, doch zum Erstaunen Beorids nickte der Mann ernsthaft. Kein weiteres Wort verloren sie über diese Angelegenheit.

Doch des nachts, als die Heilerin alleine in ihrem Bett lag, konnte sie sich der Zweifel nicht erwehren, dass sie dem Herrn Boromir Unrecht getan hatte. Die Bürde als Hauptmann Verantwortung für das Leben und das Glück tausender Männer zu schultern, wog gewiss nicht leicht.

Der Ausdruck in seinen Augen hatte ihr darüber hinaus verraten, dass ihm der Gedanke, die eigene Bestimmung der Gründung einer Familie vorzuziehen, durchaus vertraut war. Ob Herr Boromir seine Verpflichtungen als Hauptmann wohl oft dem eigenen Glück überordnete?

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„Haltet still, ihr habt bereits den gesamten Boden in eurem Blut gebadet!"

Entnervt streckte Boromir den Arm aus, ließ es sich jedoch nicht nehmen, währenddessen weiter über der zerknitterten Karte zu brüten. Beorid war inzwischen zu einem regelmäßigen Gast im siebten Ring geworden und das, obwohl ihre Ausbildung noch bis zum nächsten Jahr andauern sollte. Ob dieses Privileg nun Fluch oder Segen war, wollte sie lieber nicht beurteilen.

„Stillhalten!", verlangte sie erneut, als der Mann die linke Hand nach der Feder ausstreckte, um eine Notiz in krakeliger Schrift zu verfassen. Es ärgerte Beorid maßlos, dass sie zum ersten Mal gerufen wurde, wenn es um eine tatsächliche Verletzung ging und nicht bloß um eine kleine Blessur, die keiner Behandlung bedurfte, Boromir aber gerade jetzt seine Kooperation verweigerte.

Ohne Vorwarnung rammte die junge Frau die Nadel in das Fleisch, was einen überraschten Schmerzensschrei zur Folge hatte.

Ungläubig blickten sich Heilerin und Patient in die Augen. Die eine konnte nicht glauben, dass sie sich von seinem Verhalten soweit hatte provozieren lassen, die Grundsätze ihrer Ausbildung zu verletzen, die besagten, so wenig schmerzhaft wie möglich zu behandeln. Der andere konnte nicht glauben, dass es der jungen Frau wirklich gelungen war, ihn aus der Reserve zu locken.

Der Moment verflog.

Von Tod, Liebe und HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt