Kapitel 8

183 25 7
                                    

Wie auch am vorigen Tag breche ich früh morgens auf, um Thundergirl zu suchen.

Mir war klar, dass diese Idee bei weitem naiv ist, aber ich will, ich darf die Hoffnung nicht aufgeben.

Diesmal bin ich mit einem alten Rucksack ausgestattet - Wasserflasche, Halfter mit Strick, ein Fernglas etwas zu Essen und eine Leine für meine Begleitung: Lasky.

Die Sonne geht gerade erst auf und taucht die ganze Landschaft in ein sattes Orange. Lasky galoppiert voraus und kommt wieder zurück, sodass die Hündin den ganzen Weg den wir zurücklegen zweimal rennt.

Fröhlich pfeifend spaziere ich, immer ein Auge auf die weite Landschaft gerichtet, voran.

Ganz weit weg sehe ich kleine Punkte, die warscheinlich Pferde sind. Schließlich lag das Land unseres Nachbarn im Norden und nicht sowie jetzt im Süden. Ich hieve meinen Rucksack vom Rücken und nahm mein Fernglas heraus.

Neugierig spähe ich durch und kann eine Exmoorpony-Herde ausmachen. Schnell suche ich die Gruppe nach einem schwarzen Pferd ab, doch ich kann keinen Rappen erkennen. Ein bisschen enttäuscht nehme ich meine Ausrüstung und stapfe weiter.

Die Wolken werden dichter und ein leichter Nieselregen prasselt auf mich herab. Lasky kann man mittlerweile schon mit einem Wollschaf vergleichen, da sich die kleinen Wassertropfe in ihrem Fell festsetzen.

Durchnässt bahne ich mir einen Weg durch das feuchte Gras, bis ich an einer Stelle ankomme, die ich irgendwo her schon einmal gesehen habe. Fieberhaft überlege ich, wann. Plötzlich kann ich mich wiedef an alles erinnern. Es ist der Ort, wo meine Mum Thundergirl freiließ.

Wie in einer Endlosschleife ziehen alle Bilder wieder und wieder an mir vorbei.

Ich merke garnicht, dass ich stehenblieb. Hinter mir raschelte das Gras. Hinter mir bewegt sich etwas. Ruckartig wirbel ich um meine eigene Achse und bleibe bei einem Gesicht hängen.

Wer in aller Welt geht bei diesem Wetter nach draußen? Nach einiger Zeit, die wir uns schweigend gegenüber gestanden sind, löst sich die Spannung und ich begrüße den Jungen unserer Nachbarsfarm freundlich.

"Hey. Was machst du denn da?", will ich ein Gespräch anfangen.

"Hallo!", er lächelt zurück, "Eines unserer Pferde ist ausgebüchst, ich helfe nur suchen. Und was macht so eine Schönheit wie du ganz alleine im Moor?"

Nun muss ich mir eine gute Lüge ausdenken. Komm schon! Denk nach, Gehirn!

"Ähhh. Ich wollte nur einmal frische Luft tanken. Nichts weiter. Soll ich euch beim suchen helfen?", sage ich schnell und anscheinend auch ziemlich glaubwürdig, denn Ethan fragt nicht mehr nach und wir stampfen schweigend durch das Gras. Mittlerweile ist der Boden bereits so nass, dass dieser bei jedem Schritt unter meinen Stiefeln komische Geräusche macht.

"Welches Pferd vermisst ihr denn?", frage ich um diese unerträgliche Stille zu brechen. "Die alte Sony. Wenn wir sie nicht bald finden, könnte es zu spät sein. Ihre Lungenentzündung macht ihr irrsinnig zu schaffen."

Ich nutze die Suche nach Sony natürlich auch, um Thundergirl zu finden. Vielleicht kennt Ethan die Wildpferdherden.

Ich mache meinen Mund gerade auf um Ethan nach Thundergirl zu fragen, als er mir einen Finger auf den Mund legt.

"Psssst!", raunt er mir zu.

Ich klappe meinen Mund wieder zu und wir bleiben stehen.

"Hörst du das auch?", flüstert er.

Ein Pferdewiehern bricht die Stille zwischen uns.

ThundergirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt