Schon im Morgengrauen schlug das Wetter um und brach einen Sturm über die See. Fiero bekam in seiner Kammer nur das heftige Schaukeln der Wellen mit, und das Gebrüll der Seemänner.
Er versuchte, in seiner Koje weiterzuschlafen, doch der Lärm und die Übelkeit hielten ihn wach. Zwei mal übergab er sich in den Eimer, welcher immer wieder drohte umzukippen.
Da Fiero nicht wollte, dass sein Erbrochenes sich über die gesamte Kammer verteilte, was der Kapitän sicherlich nicht gutheißen würde, versuchte er den Eimer unter dem Hocker in einer Ecke zu schützen.
Es stank unheimlich, und die Galle brannte noch immer in seinem Hals, brachte ihn mehrmals wieder zum würgen. Er fühlte sich elendig.Im Laufe des Tages beruhigte sich der Sturm ein wenig, sodass Fiero seine Übelkeit ignorieren und sich etwas ausruhen konnte.
Bis jetzt war noch keiner gekommen, um ihm Essen zu bringen, drum trank er bloß immer mal wieder ein paar Schlucke von dem übrig gebliebenem Wein. Er hatte ohnehin keinen Appetit.
Seit einer Weile hörte er die Matrosen laut und grölend singen. Sie lachten und brüllten, als wären sie eigentlich Piraten. Doch waren sie das? Würde sein Vater Piraten anheuern, um ihn nach Italien zu bringen?Leise stand er auf, wartete bis sich der Schwindel legte und schlich dann zur Tür, um durchs Schlüsselloch zu linsen. Matthias saß noch immer auf dem Flur und blickte gelangweilt an die Decke.
Fiero konnte weder sehen, noch hören ob sich noch jemand anderes auf dem Flur befand, dafür war es auf dem Schiff einfach zu laut. Dennoch wagte er es, vorsichtig gegen das Holz zu klopfen, in der Hoffnung, Matthias Aufmerksamkeit zu erregen.
Ein paar Augenblicke verstrichen, bis der Ritter endlich zur Kammer herüber schielte.
Kurz sah er sich angestrengt um, bevor er sich vorlehnte und zischte: „Eure Hoheit?"„Matthias", wisperte Fiero so deutlich wie möglich zurück, „sind wir auf einem Piratenschiff?"
Der Blick des Ritters verdüsterte sich. „Man hat es uns nicht gesagt, aber ich gehe davon aus. Dies ist kein königliches Schiff oder eines der Kriegsflotte. Dies ist... anders."
Fiero kroch eine Gänsehaut über die Arme. Das verhieß nichts gutes.
„Was machen Onkel Marshall und Archibald?", wollte er wissen.
„Eure Familie ist oben beim Captain", erwiderte Matthias. Dann sah Fiero, wie sein Kopf nach vorne ruckte und er sich aufrecht hinsetzte. Die Luke knarzte, dann ertönten Schritte. Rasch entfernte Fiero sich von der Tür und sprang zurück in die Koje.Nur wenige Sekunden später ruckelte es an der Tür und Archibald stürmte ins Zimmer. Auf seinem Antlitz zeichnete sich dunkle Schadenfreude ab.
Sie waren beim Kapitän gewesen. Hatte dieser ihn gestern entdeckt? Oder hatte ihn irgendjemand angeschwärzt?
„Mitkommen", knurrte Archibald und zerrte ihn grob aus der Koje. Erschrocken keuchte Fiero auf und hastete ihm hinterher.
Zu seinem Glück bemerkte nur er, wie Matthias ihm besorgt hinterher blickte. Verzweifelt ließ er sich von seinem Bruder zur Luke stoßen und kletterte so schnell es ging hinauf, um ihn nicht allzu lang im Rücken zu haben.Oben warteten bereits Konran und Onkel Marshall auf ihn. Es regnete, und auf Deck herrschte lautes Gebrüll. Als Fiero auch noch das Aufeinanderschlagen von Klingen hörte, gefror ihm das Blut in den Adern.
Marshall packte ihn, sobald er auf beiden Füßen stand. Sein dunkles Haar klebte ihm nass auf dem Kopf und machte ihn noch hässlicher, als er war.
„Schön, dass du auch hier bist", sagte er ironisch. Er legte seine Hände auf Fiero's Arme und stellte sich so dicht hinter ihn, dass Fiero seine Atmung an seinem Rücken spürte, und erschauderte.
„Siehst du das hier?", damit deutete Marshall auf die Mitte des Decks, wo sich gerade zwei Matrosen – oder Piraten – ein heftiges Säbelduell lieferten. Der Rest der Mannschaft stand oder saß um sie herum und brüllte mit erhobenen Fäusten. In einer Ecke saß der Schiffsarzt, welcher Schnittwunden anderer Männer versorgte.„Du bist der nächste."
Fiero kroch die Angst durch die Glieder. Mehr wegen des Tons seines Onkels, statt seines bevorstehenden Duells. Er war ein wirklich guter Schwertkämpfer, und auch Piraten würden ihn nicht erschrecken. Er ließ sich nichts anmerken, doch innerlich reckte er das Kinn und beschloss, sich nicht durch einen simplen Kampf klein kriegen zu lassen.
Vor ihnen tauchten die Ritter aus dem Schiffsbauch aus. Alle sechs traten an Deck und gesellten sich zu der Besatzung. Ihre Blicke strahlten eher mindere Begeisterung aus.
„Wir haben sie nur für dich eingeladen", raunte Onkel Marshall ihm zu, „damit sie zusehen können, wie du gegen Piraten verlierst."
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Die Prinzen von Venedig
Teen FictionEngland, 1721. Fiero Fountain, dritter Kronprinz im alten Großbritannien, verbringt sein Leben als Schande der gesamten Familie. Da der junge Mann alles andere als scharf darauf ist, sich in Politik und tödlichen Schlachten zu üben, geschweige den...