Schnellen Schrittes überquerte der junge Ritter die Brücke, in deren Mitte Aric bereits auf ihn wartete. Seine Rüstung klapperte, und durch den schmalen Augenschlitz seines Helmes bemerkte er die neugierigen Blicke der Venezianer, die gemächlich an ihm vorbei schlenderten.
„Du bist spät dran", grüßte Aric ihn mit seiner Brummstimme.
Bastet stellte sich neben ihn ans Geländer und ließ nachdenklich den Blick über die Lagune schweifen. „Ich habe lange darüber nachgedacht, doch nicht zu kommen", erklärte er verdrossen.
„Du bereitest mir Sorgen, Junge", knurrte Aric, „erst die Bitte um ein Gespräch unter vier Augen und nun das. Was geht hier vor?"
Der Jüngere wandte sich zu allen Seiten um, bevor er seinen Kumpanen einen kurzen Blick zuwarf. „Lass uns woanders sprechen."
Misstrauisch nickte Aric, winkte ihn jedoch mit sich. Zusammen gingen sie hinunter und liefen ein paar Meter am Gehsteig entlang, bis sie eine Gondel erblickten. Aric winkte den Gondoliere heran, und sie stiegen ein.
Immerhin Aric sprach mittlerweile beinahe fließend Italienisch; der Mann eroberte einfach Frauenherz um Frauenherz, und hatte sich bei einigen Venezianerinnen bereits so manchen Kuss oder Redewendungen eingeholt.
Ganz im Gegenteil zu Bastet, der einfach kein Gefühl für Sprachen besaß.Die Fahrt verbrachten sie schweigend. Bastet hielt seine Umgebung im Blick, die Gondeln auf dem Wasser, die Häuser und den Gondoliere vor ihnen, der sie mit kräftigen Zügen über die wogenden Straßen brachte.
„Wovor hast du Angst?", raunte Aric ohne ihn anzublicken.
Grummelnd wischte Bastet etwas Dreck von seiner Rüstung. Er ließ seine Frage unkommentiert.Nach einigen Minuten hielt der Gondoliere an einem einsamen Platz. Aric richtete sich als erster auf und stieg etwas wacklig aus dem nicht gerade stillstehenden Gefährt, während Bastet ihm schon etwas sicherer folgte.
„Grazie", sagte Aric und fragte den Gondoliere wie viel er ihm bezahlen sollte, bevor er ihm einige Münzen überreichte. Ungeduldig wartete Bastet bis der Mann wieder davonfuhr.Aric trat an seine Seite. „Unter vier Augen heißt wohl unbeobachtet, nehme ich an?"
„Ja." Bastet's Blick verdüsterte sich.
„Komm schon." Aric bedeutete ihm mit einem Nicken, ihm zu folgen, und gemeinsam überquerten sie den Platz, auf dem sich in der Dämmerung immer weniger Menschen trudelten. Auf der gegenüberliegenden Seite fanden sie eine kleine Sackgasse, die zwischen zwei Häusern direkt aufs Wasser führte. Aric ließ sich am Boden nieder und lehnte sich an die Wand zu seiner linken, ein Bein locker angewinkelt. Mit einem letzten Blick über die Schulter setzte Bastet sich neben ihn und ließ die Füße knapp übers Wasser baumeln.
„Hier ist niemand, und sicherlich keiner der englisch spricht", meinte Aric mit schief gelegtem Kopf. „Würdest du nun endlich mit der Sprache rausrücken?"
Bastet holte tief Luft. Er schwitzte unter seiner Rüstung, trotz der kühlen Brise, die übers Wasser zog. „Ich muss dir etwas gestehen", setzte er an. Der Ältere musterte ihn abwartend.
Er rückte ein wenig näher an ihn ran, trotz dessen beruhigenden Worte. „Der König hat mir einen Auftrag gegeben. Eigentlich ist es geheim, doch ich mache mir große Sorgen und ich befürchte, dass ich Verbündete brauche."
Abschätzend hob Aric eine Braue, doch Bastet erkannte die Besorgnis in seinen Augen. „Was wäre das denn für ein Auftrag?"
„Ich sollte Fiero im Auge behalten", erklärte Bastet mit einem erneuten Blick nach hinten, „Eure Majestät machte sich Sorgen um sein Wohlergehen, besonders in der Nähe seines Onkels und Bruders, wenn du verstehst."
Ungläubig sah Aric ihn an und setzte sich auf. „Du auch? Ist das dein Ernst?"
„Was soll das heißen, du auch?", gab Bastet verdattert zurück.
Eine Sekunde lang starrten sie sich schweigend an. Schließlich schüttelte Aric fassungslos den Kopf.
„Ich glaube es nicht. Der König schickt uns beide auf geheime Missionen und schickt sich nicht einmal an, uns voneinander wissen zu lassen. Wie sollen wir denn so vernünftig arbeiten?"
„Moment mal", sagte Bastet, noch immer verwirrt. „Was hat er dir aufgetragen?"
Aric schnaubte. „Ich sollte den Lord und den Neffen beschatten."
Bastet schluckte schwer. Der König hatte ihm zwar gesagt dass er Fiero unter dem Befehl seiner Familienmitglieder in Gefahr sah, doch er hatte nicht erläutert weshalb. Er erinnerte sich noch genau an den Ausdruck der Furcht in den Augen des mächtigsten Mannes ganz Englands, und wahrscheinlich hatte Bastet solch einen kalten Schauer noch nie über seinen Rücken fahren gespürt.
„Hat er dir erklärt was seine Befürchtung war?", wollte er leise wissen.
Aric ließ sich mit seiner Antwort Zeit. „Er fürchtet um den Thron", hauchte er, ohne den Blick vom Wasser zu lösen, und in seiner Stimme schwang das Verderben seiner Worte mit. Bastet erstarrte.
„Er hat mir keine Details genannt. Er sagte bloß, dass er Fiero und die Königsfamilie in Gefahr sieht. Ich sollte herausfinden ob Archibald und Marshall etwas im Schilde führen..."
„Und... hast du?", fragte Bastet stockend.
Aric schwieg. Er bewegte sich noch immer nicht, doch Bastet erkannte seine Anspannung.
Kaum merklich nickte der Ritter. „In der Nacht nach Fiero's Geburtstag", begann er kaum hörbar, „wurde der junge Prinz angegriffen. Er erzählte es mir vor zwei Wochen, als wir die Vorführung seiner Kampfkünste trainieren sollten." Nun blickte er ihn an, und in seinen alten grauen Augen schwamm eine Flut von Wut und Verzweiflung. „Er wurde im Schlaf angegriffen. Er zeigte mir die Würgemale an seinem Hals und sagte mir, dass er sich gegen den Angreifer wehren konnte und ihn in die Flucht schlug. Aber er... er bat mich, es für mich zu behalten."
„Das darf doch nicht wahr sein." Bastet stieß einen Fluch aus. „Wer war es? Hat er etwas gesagt?"
Aric's Blick verdüsterte sich. Bastet erkannte es in seinen Augen. Nicht umsonst waren sie wohl darauf angesetzt worden, die bestialischsten Mitglieder der Königsfamilie zu beschatten.
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Die Prinzen von Venedig
Roman pour AdolescentsEngland, 1721. Fiero Fountain, dritter Kronprinz im alten Großbritannien, verbringt sein Leben als Schande der gesamten Familie. Da der junge Mann alles andere als scharf darauf ist, sich in Politik und tödlichen Schlachten zu üben, geschweige den...