Entnervt verließ Fiero die Bibliothek der Villa Medici und machte sich mit einem Stapel neuer Bücher auf den Weg zu seinem Gemach. Signore Esposito hatte ihm die ganzen letzten drei Stunden bloß an den Kopf geworfen, wie schlecht sein Italienisch doch war und ihm eine Menge zu lernen aufgegeben. Im Gegensatz zu ihm war Signora Béguin noch ein wahres Goldstück.
In seinem Schlafzimmer packte er seine Bücher beiseite und zog sich um, um sich für den Fechtunterricht fertig zu machen. Heute würde Aric mit ihm trainieren. Graf Medici hatte beim Frühstück vorgeschlagen, eine kleine Vorstellung seiner Schwertkünste vorzubereiten, sobald Ramona wieder gesund war. Fiero war überhaupt gar nicht danach, doch er musste sich schließlich fügen.Aric wartete bereits im Ballsaal auf ihn, als er dort ankam. Da Fiero eine Vorstellung üben sollte, sollte er nicht im Garten trainieren, wo er schmutzig werden könnte. Auch das war ihm nicht recht, denn er focht nur, um Dampf abzulassen.
„Guten Tag, Mylord", grüßte Aric mit einer Verbeugung. „Wie geht es Euch? Wir haben uns so lange nicht mehr gesehen."
Fiero öffnete den Mund, schloss ihn aber gleich wieder. Was sollte er schon sagen? Seufzend schaute er zur Seite.
Aric schien zu merken, dass ihn etwas bedrückte, und so trat er näher. „Fiero, was ist mit dir?"
Wären sie nicht ganz alleine gewesen, hätte der Ritter ihn wahrscheinlich nicht beim Vornamen angesprochen, und dann wäre Fiero sicherlich auch nicht zusammengebrochen. Doch er tat es, er schlug sich eine Hand vor den Mund, bevor seine Schluchzer zu laut wurden, und fing an zu zittern. Mit einem Mal kam alles wieder hoch, und er wünschte sich so sehnlichst, zurück nach Hause zu gehen– zurück zu seiner Zeit bei den Rittern, wo er immer willkommen gewesen war, auch wenn er blutvergießen hasste.
Zurück zu Sebastian...„Prinz Fiero", murmelte Aric überfordert, packte ihn an den Schultern und schob ihn auf einen der Stühle an der Seite des Saals zu. Er nahm ihm den Säbel ab und legte ihn zur Seite, ging vor ihm in die Hocke. „Ist etwas passiert? Ich habe Euch so lange nicht mehr weinen sehen."
Ohne zu überlegen nickte Fiero. Er musste es tun, er musste es ihm sagen, solange die Spuren noch zu sehen waren– irgendwem musste er sich anvertrauen. Vielleicht würde Aric ihn verstehen, beschützen.
Ihm war schwindelig, er atmete viel zu schnell. Dennoch griff er nach Aric's Hand, umschloss sie so fest, dass der Mann sich nicht losreißen konnte. „Aric, ich wurde angegriffen", stieß er atemlos hervor, und die Augen des Ritters weiteten sich. „Aber du darfst es nicht dem Grafen erzählen, und vor allem nicht meiner Familie, hörst du? Bitte versprich es mir. Es ist sehr wichtig."
„Aber warum soll ich es niemandem erzählen?", erwiderte Aric fassungslos. „Was ist denn bloß geschehen?"
Fiero's Herz schlug so schnell, dass er glaubte, es könne aus seinen Rippen herausbrechen. Mit zitternder Hand löste er den Knoten seines Halstuchs und nahm es ab, entblößte die langsam schwindenden Blessuren an seinem Hals.
„Himmelherrgott", fluchte Aric ungestüm, und Fiero zuckte zusammen.
„Entschuldigt", sagte Aric sofort, fasste nach Fieros Kinn und drehte sein Gesicht weg, damit er die blauen Flecken in besserem Licht sehen konnte. „Fiero, es hat jemand versucht dich umzubringen. Warum sagst du nichts? Wann ist das passiert?"
Fiero schluckte schwer. „In der Nacht nach meinem Geburtstag."
„Das kann doch nicht wahr sein", wisperte Aric ungläubig, fasste ihn grob an den Armen. „Fiero, was ist los? Du schwebst in Lebensgefahr! Warum hast du nichts gesagt? Weißt du etwa, wer es war?"
Fiero ließ sich Zeit mit seiner Antwort, sammelte sich, um den Mut aufzubringen, es auszusprechen. Er schaute Aric genau in die Augen, und er wusste, dass der Ritter ihm glauben würde. Aric war streng, und er hatte schon viel in seinem Leben gesehen, und doch glaubte Fiero, gerade jetzt eine Spur der Furcht in seinen Augen zu sehen. Als wisse er bereits, was kommen würde.
„Ich denke ich weiß, wer es war", hauchte Fiero, „und du musst mir glauben."
Aric schüttelte den Kopf. Nun war Fiero sicher, dass er es ahnte. „Nein, sag es nicht. Das kann nicht wahr sein..."
„Ich weiß nicht, ob es Archibald oder Marshall war", sagte Fiero verzweifelt, schaute sich um als hätten die Wände Ohren, doch natürlich waren sie alleine im Ballsaal. „Aber ich bin mir sicher, dass sie es geplant haben. Ich konnte mich wehren und habe zugeschlagen, aber es war so knapp... bitte glaub mir, Aric, ich flehe dich an."
DU LIEST GERADE
Die Prinzen von Venedig
Novela JuvenilEngland, 1721. Fiero Fountain, dritter Kronprinz im alten Großbritannien, verbringt sein Leben als Schande der gesamten Familie. Da der junge Mann alles andere als scharf darauf ist, sich in Politik und tödlichen Schlachten zu üben, geschweige den...