🔥XXVIII. Fiero

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Erleichterung wallte in Fiero auf, als er sich in Niccoló's kleiner Stube wiederfand. Niccoló stellte sein Ruder neben der Tür ab und ließ ihn los, um Licht zu machen. Ein paar Augenblicke später wurde die Kammer von Kerzen und einer Öllampe erhellt, und der Gondoliere trat wieder auf ihn zu. Erneut fasste er nach seiner Hand und führte ihn zu seinem Bett.
Die Sicherheit, die er ausstrahlte, fühlte sich beinahe unwirklich an, und dennoch lullte sie Fiero ein wie ein samtweicher Kokon, in dem ihm nichts passieren konnte. Niccoló stellte die Lampe ab und zog ihn neben sich auf die Matratze. Ihre Blicke trafen sich. Fiero sah die tiefe Sorge in seinen dunkelbraunen Augen. Es tat ihm leid dass er ihn nicht mit strahlender Freude empfing, sondern schon wieder mit Tränen.
Niccoló hob die Hand an sein Gesicht und strich über die Wange seiner Maske. Dann löste er wie selbstverständlich die Schleife an seinem Hinterkopf und nahm sie ihm ab, legte sie beiseite. Fiero biss sich auf die Zunge. Seine Wangen waren noch warm vom weinen und seine Augen trocken, und noch immer schleppte er die schrecklichen Schmerzen mit sich rum. Er fürchtete dass sie für immer bleiben würden.

Sanft streichelte Niccoló über seine Wangen, wischte die Spuren der Tränen weg, und Fiero schloss die Augen. Er konnte nicht anders als erneut in seine Arme zu sinken, sich an ihm festzuhalten und das Gesicht an seiner Schulter zu vergraben. Stumm hielt der Gondoliere ihn fest und strich durch sein Haar. Es fühlte sich nicht an als verlange er Antworten oder Erklärungen von ihm, und nachdem er sich die letzte Zeit so oft mit Ramona's Temperament herumgeschlagen hatte, empfand er dies als willkommene Abwechslung.
Dennoch brannte ihm noch immer die Schuld auf der Haut. Er löste sich von ihm, suchte seinen Blick. „Niccoló, bitte verzeih mir. Ich hatte es dir versprochen, aber ich konnte letzte Nacht nicht kommen." Er stockte und zwang sich dazu, die nächsten Worte hervorzubringen. „Es ist etwas passiert. Ich wollte das nicht, ich wollte dich sehen, aber ich war zu schwach."
Niccoló griff nach seiner Hand und drückte sie sanft. Etwas lag in seinen Augen, eine Angst die er nicht deuten konnte.
Der Gondoliere kramte sein Notizbuch hervor und schlug eine neue Seite auf. Möchtest du davon erzählen?
Unschlüssig blickte Fiero die Buchstaben an. Er wollte, gleichzeitig wollte er sich aber lieber die Zunge abschneiden als darüber zu sprechen, er wollte nicht einmal mehr daran denken. Doch in seinem Verstand entkam er dieser entsetzlichen Szenerie erst recht nicht. Er war gefangen in der Angst, dem Schmerz und Ekel.
Niccoló tippte ihn an. Du musst es mir nicht sagen, stand auf dem Papier, ich möchte nur dass du weißt dass du mir vertrauen kannst.
Fiero nickte langsam. Er musste sich anstrengen um die Tränen zurückzuhalten, doch solange er bei Niccoló saß fühlte er sich weitaus sicherer.
Ramona war zwar wirklich unglücklich gewesen, als er sich erneut aus dem Haus geschlichen hatte, doch er hatte ihr klar gemacht dass er etwas wichtiges klären musste. Zudem fühlte er sich weder in seinem Zimmer, noch in der Nähe der Villa wohl. Es fehlte nicht mehr viel, dann würde Fiero vielleicht doch abhauen und untertauchen.

Niccoló legte das Notizbuch weg. Dann stand er auf und zog Fiero auf die Beine. Er beugte sich zu ihm vor, traf ihn mit diesem durchdringenden, feurigen Blick, der ihm immer wieder den Atem raubte. „Tanz mit mir", raunte er.
Fiero hatte überhaupt keine Chance zu protestieren; Niccoló nahm seine Hand und legte sie auf seine Schulter, die andere hielt er fest, und dann zog er ihn auch schon mit sich. Perplex folgte Fiero seinen Schritten, die dieses Mal langsamer waren als in der Nacht als sie zu der Geigenmusik getanzt hatten, und doch fühlte er sich von Sekunde zu Sekunde lebendiger. Unwillkürlich musste er grinsen, trat ein wenig näher an Niccoló und wirbelte mit ihm um die eigene Achse. Sie hatten nicht viel Platz in der kleinen Kammer, und dennoch fühlte es sich an, als tanzten sie über eine imposante Bühne, die Platz für dutzende Tänzer und Tänzerinnen beherbergte. Jeder Schritt fühlte sich an wie ein neuer, jede Drehung wie eine, die die Welt noch nicht gesehen hatte, unbeschwert und leichtfüßig, als hätten sie nie etwas anderes getan.
Beinahe stießen sie gegen Niccoló's schiefen Kleiderschrank, doch der Gondoliere rettete sie mit einem beherzten Sprung zur Seite und hob Fiero dabei für eine Sekunde über den Boden. Ungeschickt fiel Fiero gegen ihn, doch Niccoló hielt ihn fest. Seine Augen glitzerten schelmisch.
„Du hättest Tänzer werden sollen", lachte Fiero atemlos.
„Dann könnte ich dich aber nicht durch diese magische Stadt kutschieren", erwiderte Niccoló mit schief gelegtem Kopf. Es schien als grinste er unter der Maske. Seine Augen waren wirklich alles was Fiero sehen musste, um sein Gesicht wie ein Buch zu lesen.
„Wir könnten über die Dächer tanzen", meinte er leichtherzig. Beinahe wurde ihm schwindlig durch das ständige drehen, doch solange Niccoló ihn festhielt, konnte er sich auf den Beinen halten.
„Hättest du keine Angst?", lachte Niccoló rau. Ruckartig zog er ihn an seine Brust und blickte ihm in die Augen.
Fiero spürte die Hitze in seinem Kopf aufsteigen. „Du würdest aufpassen dass ich nicht falle."
Niccoló gluckste. „Das würde ich."
Bevor er antworten konnte, wurde Fiero wieder durchs Zimmer gezogen. Niccoló drehte ihn um sich selbst, und als er wieder gegen ihn stieß, spürte er plötzlich wie sie zur Seite kippten, und wie Niccoló die Arme um ihn schlang.
Wie durch Zufall landeten sie auf seinem Bett, ihre Arme und Beine ineinander verschlungen, und Fiero konnte nicht anders als zu lachen. Er wollte sich aufsetzten, doch der wilde Tanz hatte ihm die Kräfte geraubt, und so blieb er liegen, dicht an Niccoló's Brust gepresst, und fühlte dessen Lachen an seinem Ohr, wie sich sein Brustkorb hektisch hob und senkte und sein Griff um ihn fester wurde.

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⏰ Letzte Aktualisierung: 5 days ago ⏰

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